Artikel aus der Ausgabe 5/6-2020
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ARTIKEL aus der Ausgabe Mai/Juni 2020
- Mensch, erkenne dich selbst ... von Wolf Sugata Schneider
- Vom Denken in der Angst zum Handeln in Freiheit ... von Hermann Häfele
- Das feste Band - Wie Paare sich in Krisen stärken können ... von Jochen Meyer
- Räume bewusst gestalten ... von Judika und Eilert Bartels
- Sollen wir uns trennen oder nicht? von Regina Tamkus
- Heilung des Selbstwertmangels ... von Sabine Groth
- Altern in Würde - Wie wichtig die ältere Generation für die Gesellschaft ist ... von Christian Salvesen
- Die Hoffnung stirbt zuletzt - Hilfe durch Spiritualität in schwerer Krankheit ... von Peter Maier
- Sepia – die Tinte des Tintenfisches ... von Anreas Krüger
- Mit Mut und ätherischen Ölen durch Veränderungen ... von Christina Weber
Corona und Zeitenwende
Offener Brief von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels
Liebe Freunde, liebe Mitarbeiter für eine bessere Welt!
Wir leben in einer merkwürdigen Zeit. Die Corona-Geschichte steht für die Zweideutigkeit einer Situation, die einen Ausweg und eine Aufklärung braucht, denn es ist die Situation unseres eigenen Lebens. Egal, wer oder was diese Corona-Sache inszeniert hat und wie sehr der kommende Zusammenbruch der herrschenden Finanz- und Wirtschaftswelt dabei eine Rolle spielt:
Wir alle sind an der Geschichte beteiligt – und wie sie weitergehen wird, hängt weitgehend davon ab, welche Kräfte sich heute zusammenfinden, um definitiv für eine neue Lebensordnung zu arbeiten.
Der globale Kapitalismus zerbricht. Er steht vor zwei Möglichkeiten: entweder Chaos, was wir nicht ernsthaft hoffen können, oder totalitärer Überwachungsstaat, was wir auch nicht hoffen können. Wir erleben zurzeit, wie gegen Ärzte und Virologen vorgegangen wird, die den Mut haben, im Corona-Zusammenhang Fakten zu nennen, die nicht der öffentlichen Doktrin entsprechen.
Wir wissen, wieviel neue Not durch die Corona-Geschichte und ihre Kontaktverbote in vielen einsamen Menschen verursacht wird, wie grausame Dinge jetzt geschehen in Indien, Kenia und anderen Ländern des globalen Südens.
Aber dennoch: Als ich (Dieter Duhm) eines Nachts vor dem Haus saß und im Inneren diese unglaubliche Geschichte in ihrem ganzen Ausmaß spürte, und ich (Sabine Lichtenfels) an einem Kraftplatz meditierte und auf die Stimme der Welt lauschte, kam in uns beiden ein Gefühl, als wollte es sagen: „Endlich!“
ENDLICH. Endlich der Gedanke, dass ein System zu Ende sein könnte, unter dem so viel gelitten werden musste. Frische Luft und Freude bei Mensch und Tier, bei Vögeln und Delfinen. Endlich ist Mensch gezwungen zu erkennen, dass es eine Menschheit, eine Erde, ein Organismus ist, dem er angehört und aus dem er alle seine Kräfte, seine Lebensfreude und seine Gesundheit gewinnt. Hier ist seine Heimat.
Endlich! Wir wussten, dass wir irgendwann an diese Stelle kommen würden. Wenn dieses Licht angeht, erhebt sich im Herzen der Menschheit das Eine, das alles verbindet. Arkan Lushwala, ein naher Freund aus indigener Tradition, hat aus Peru geschrieben: „Viele von uns haben darauf gewartet, dass so etwas wie jetzt geschehen würde, etwas Machtvolles und Heiliges musste eingreifen, um die Zerstörung der Lebensquellen zu stoppen.“ Manchmal erleben wir diesen Punkt, wo das Göttliche zu uns durchbricht und uns für eine kurze Zeit hineinführt in eine Welt der Gnade, der Vollmacht und der großen universellen Liebe.
Es ist kein privates Erlebnis, es ist kein nur individuelles Ich, welches diese Sache erlebt, sondern in diesem Erlebnis pulst das Herz der ganzen Welt und das globale Herz der ganzen Menschheit. Es ist die Botschaft einer Welt, die immer auf Einheit, Liebe und Heilung gerichtet ist. Wir nennen sie die „Heilige Matrix“. Es ist die verlässlichste Grundlage für die Bildung einer Bewegung, welche in der Lage ist, sich mit den universellen Kräften zu verbinden und das Herz der Menschheit zu heilen.
Verbunden mit dieser Botschaft schauen wir auf den Horizont und sehen neue Gemeinschaften, sehen freie Liebesbeziehungen, die nicht mehr an Konkurrenz und Eifersucht scheitern, sehen Landschaften, die sich vollkommen regeneriert haben, sehen die Freundschaft zwischen Mensch und Tier, sehen die Heilungswunder von Jesus bis Bruno Gröning oder Anita Moorjani und die Heilungswunder, die wir selbst erfahren haben, sehen hinter allen Krankheiten und Zerstörungen die Keimkräfte einer kommenden Welt, die so real ist, dass die gegenwärtigen Realitäten unserer entgleisten Zeit wie eine seltsame Fata Morgana erscheinen. Wir wollen jetzt zusammenfassen, was mit höherer Stimme zu uns kam:
WORTE DER WELTENSEELE AN DIE MENSCHHEIT:
Du Mensch, deine Stimme wird jetzt gebraucht, deine wahre, deine liebende Stimme der Anteilnahme und Hilfe für alle, die jetzt Hilfe brauchen. Wenn du dich an deine ursprüngliche göttliche Natur erinnerst, wenn du wieder weißt, wer du wirklich bist und warum du auf der Erde bist, werde ich dir alles zeigen und zuführen, was du zum Leben brauchst. Ich werde dir zeigen, wie sich in der Liebe zwischen Mann und Frau ein ganzes Universum spiegeln möchte. Ich werde dir helfen, deine Stimme machtvoll zu erheben gegen Rüstungsindustrie und Waffenexport, gegen die Vernichtung von Regenwäldern, indigenen Völkern und ganzen Populationen im Tierreich.
Ich habe euch Corona geschickt, damit ihr in diesem Stillstand der Welt noch einmal nachdenkt und zur Besinnung kommt. Ihr könnt nicht mehr zur gewohnten Normalität zurück. Stoppt die alten Lebensgewohnheiten von Schmerz, Eifersucht, Konsumgewohnheiten und Ersatzbefriedigungen; stoppt das unnötige Morden und Sterben; stoppt euren eigenen Hass; beendet eure gewohnheitsmäßigen Kämpfe gegen dies und das, auch die in euren eigenen Beziehungen und Gruppen; stoppt die Verzweiflung – steigt endlich „nach oben“ aus. Dort liegen die Kraftplätze der Erneuerung. Dort liegt die Macht für die große Transformation, welche heute für die Erde und alle ihre Bewohner unausweichlich geworden ist. Nehmt teil an dieser Macht und breitet sie aus über allen Ländern und Gewässern.
Die Zeit des Kapitalismus ist vorbei. Errichtet jetzt die Fundamente für eine neue, lebenswerte Zukunft und für die unendliche Lebensfreude aller Wesen, die euren Planeten bewohnen.
Dafür gibt es im Bauplan der Schöpfung wunderbare Möglichkeiten, die ihr leicht empfangen und verwirklichen könnt, weil ihr selbst sie als kosmische Mitgift in euren Leibern, euren Genen, euren Herzen tragt.
Zieht die Masken und die Deckel weg, durch die ihr euch voreinander geschützt habt. Entdeckt eure eigene göttliche Natur und ihre unbegrenzten Möglichkeiten. Entdeckt die grenzenlose Macht der göttlichen Manifestation, mit der ihr die Welt verändern könnt, und entdeckt den Glauben, der Kranke heilt, Völker versöhnt und „Berge versetzt“.
Tut es nicht halb, sondern ganz. Hört auf mit unnötigen Grübeleien und Zweifeln, schaut in das Leben und erkennt die heiligen Kräfte, die da am Werk sind. Lernt das Schauen, das innere Sehen. Seht die neuen Gemeinschaften, die sich aus göttlichem Urgrund erheben. – Seht die Liebe der Geschlechter, die sich zu erkennen beginnen. – Seht die weibliche Quelle und die Liebe aller Kinder, aller Menschenkinder und aller Tierkinder, zu ihren Müttern. – Lasst eure Töchter weissagen, lasst eure Väter alles Weibliche und eure Mütter alles Männliche beschützen. – Seht die Liebe der Tiere zum Menschen. – Seht die Heimat in der großen Familie des Lebens. – Seht, wie schnell sich das Leben erneuert, wenn es nicht mehr zerstört wird.
Seht den großen Plan einer konkreten Utopie, die so lange schon auf ihre Verwirklichung wartet.
Danke und Amen. Im Namen der Liebe für alle Kreatur.
Dr. Dieter Duhm ist Psychoanalytiker, Kunsthistoriker, Initiator des „Plans der Heilungsbiotope“, einem universellen Friedensplan, und Mitbegründer des Zukunftsprojekts „Tamera“ in Portugal, wo er auch lebt. Weitere Infos unter www.dieter-duhm.de
Sabine Lichtenfels, Autorin, Friedensaktivistin, Theologin, Mitgründerin des Friedensforschungszentrums „Tamera“ in Portugal.
Aktuelle Projekte sind u. a. die Planung globaler Heilungsbiotope.
Sabine Lichtenfels, Autorin, Friedensaktivistin, Theologin, Mitgründerin des Friedensforschungszentrums „Tamera“ in Portugal.
Aktuelle Projekte sind u. a. die Planung globaler Heilungsbiotope.
Infos zur Friedensarbeit und den Projekten unter www.tamera.org
Mensch, erkenne dich selbst ... von Wolf Sugata Schneider
Manipulation? Schrecklich!!! Von so vielem und so vielen werden wir ständig manipuliert. Dabei bedeutet das Wort ursprünglich einfach die Bearbeitung mit den Händen, vor allem im medizinischen Bereich. Also zum Beispiel Massage. Das empfinden die meisten von uns doch als angenehm. Wenn uns das körperlich so guttut, warum wollen wir dann nicht auch psychisch manipuliert werden?
Mir scheint, dass die weit verbreitete Abneigung gegen Manipulation damit zusammenhängt, dass wir ahnen, wie leicht beeinflussbar wir sind. Was wir denken, fühlen, sagen und tun, kommt großenteils nicht aus uns selbst, sondern ist eine Folge von äußeren Einflüssen, die auf uns einwirken, ohne dass wir sie durchschauen. Dann wettern wir gegen böse Kräfte in der Werbung, der Wirtschaft und Politik – ja, die gibt es. Aber das führt meist nicht weit. Denn um uns von diesen bösen Kräften zu befreien, geben wir uns anderen Influencern hin, die behaupten, diese bösen Kräfte zu durchschauen und uns vor ihnen zu bewahren. Frei sind wir dadurch noch immer nicht, sondern nur von einem Bereich der unerkannten Beeinflussung zu einem anderen gewechselt.
Wie werden wir frei von ungewollter Einflussnahme? Das ist gar nicht so leicht. Die Behauptung davon frei zu sein, ist meistens eine Illusion. Zudem gibt es Kräfte, von denen ich beeinflusst sein will. Aber auch da weiß ich letztlich nicht, ob dieser Wille wirklich mein eigener ist, also frei aus mir heraus entstanden, in mir wurzelnd. Zu oft habe ich Menschen in ihr Verderben rennen sehen im festen Glauben, damit das für sie und ihre soziale Umgebung Beste zu tun.
Ein genauer Blick auf unsere Ich-Identität, das heißt auf den, für den wir uns jeweils halten, zeigt zum einen den Einfluss unseres Familiensystems, das wir in den systemischen Aufstellungen erforschen. Dort erspüren Stellvertreter, was sie in unserer – meist belasteten – Lage empfinden, denken oder tun würden. Sind wir die Person, die da aufgestellt wird? Können wir uns von der Last der Einflussnahme durch das »System« unserer familiären Herkunft befreien? Und von der Einflussnahme durch Medien, Politik, Wirtschaft und der Meinung unserer Freunde in ihren jeweiligen Echokammern?
Sich von all diesen Einflüssen loszulösen, ist wirklich nicht leicht. Punktuell gelingt uns das ja, mit ein bisschen Glück auch mal phasenweise, und wir fühlen uns befreit. Dann aber rutschen wir in eine neue Identität rein, die wieder ein Gefängnis ist, und sei es die des Zu-sich-Gekommenen oder Befreiten. Oder, noch spiritueller gesprochen, die eines Niemand. Im konventionellen Denken schämt man sich ein Niemand zu sein, in spirituellen Kreisen ist man hingegen stolz darauf, und hat damit wieder eine Identität gefunden. Diesmal eine, die beansprucht, von anderen Niemands unterscheidbar zu sein, womit sie als Karikatur ihrer selbst auftritt, als ein wandelnder Widerspruch, ein transpersonales Ego.
Die Lebenskünstler unter uns sind zu schlau, um in diese Falle zu geraten. Sie versuchen etwas anderes: Sie wollen sich selbst erschaffen – das größte Kunstwerk, zu dem ein Mensch fähig ist. Als mich selbst Erschaffender werde ich zu Gott, zum ultimativen Schöpfer, dem Schöpfer meiner selbst, und bin damit in die nächste Falle geraten, die Münchhausenfalle. Denn wer hat diese Person erschaffen, die da auf einmal zum Agenten ihrer Selbstschöpfung geworden ist? Ich! Die Teilung des Ichs in einen Teil, der erschaffen wird, und einen anderen, der aus sich selbst heraus entsteht, rettet mich also nicht vor dem Stolpern in eine zweite Karikatur meiner selbst.
Der Physiker Hans-Peter Dürr hat den Gang des Zweibeiners mal so beschrieben: Auf einem Bein stehend sind wir in einer instabilen Lage. Von dort aus fallen wir in eine weitere instabile Lage, die auf dem anderen Bein. Hat dieses Fallen eine Richtung, nennen wir es gerne ein Vorankommen, Fortschritt, obwohl es doch in jeder einzelnen Sekunde dieser Bewegung ein Hineinstürzen ist in etwas Ungewisses, Instabiles. So aber sind wir: Werdende. Unser Vorankommen ist ein Stirb-und-Werde-Vorgang. Wer ich gerade noch war, der bin nun nicht mehr. Wer ich bin, kaum habe ich es dämmernd wahrgenommen, verschwindet es schon wieder, und wer ich sein könnte, ist erst noch im Entstehen. Ist das die Freiheit, die ich mir vorgestellt hatte, als ich noch von Erleuchtung und Gottwerdung träumte?
Der Versuch, sich selbst zu entwickeln, zu entfalten und zu erkennen, um auf diese Weise ein besserer Mensch zu werden, ist trotzdem ein lohnender. Welcher Teil von mir da auch immer am Werk gewesen sein mag, um reifer, bewusster oder intelligenter zu werden und seelisch-psychisch zu wachsen. Das Growth oder Human Potential Movement, diese so einflussreiche soziale und therapeutische Bewegung der 60er- bis 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts speiste sich aus denen, die sich – zu Recht – unvollkommen fühlten und deshalb wachsen und werden wollten. Sie wollten hoch hinaus: den »neuen Menschen« erschaffen, nichts weniger als das. Erst dieser neue Mensch wäre imstande frei zu denken, zu leben und zu lieben.
Wohin hat uns das gebracht? Heute, im Frühjahr 2020, mitten in der Corona-Krise, die vielen als die schwerste Herausforderung erscheint, vor der die westlichen Gesellschaften seit dem Niederringen des Faschismus im Zweiten Weltkrieg stehen. Die Demokratien, in denen nach den Autokratien der Vergangenheit doch »das Volk« der Souverän sein sollte, so war es gedacht, zeigen allenthalben, dass die einzelnen Bürger und die Gruppierungen, in denen sie sich versammeln und institutionalisieren, so gar nicht souverän sind. Weit davon entfernt, sich selbst beherrschen zu können, kennen sie sich selbst nicht einmal.
Gnothi seauton – erkenne dich selbst« lautete die Inschrift am Eingang des Apollo-Tempels zu Delphi vor 2.400 Jahren. Auch heute könnte man wohl kaum einen treffenderen Aufruf über die Eingänge der Therapie- und Meditationsräume, der Kirchen, Moscheen, Tempel und säkularen Versammlungsräume unserer Zeit schreiben. Der Mensch ist nicht klüger geworden in diesen zweieinhalbtausend Jahren, wir sind nur mehr geworden.
Ein freies Denken, Leben und Lieben ist wohl erst möglich, wenn wir ein bisschen souveräner geworden sind. Nicht, dass wir erst die volle Erleuchtung bräuchten, um Liebende sein zu können. Die »volle Erleuchtung« zu ergattern ist für die meisten Suchenden eh nur eine neue Sucht, die vielleicht alte Süchte hat ersetzen können, aber nicht das Leiden mindern konnte. Ich glaube jedoch, dass ein Leben als zugleich Sterbender und Werdender – im Sinne von Goethes »Und so lang du das nicht hast, / dieses: Stirb und Werde! / bist du nur ein trüber Gast / auf der dunklen Erde« – dass wir erst als in diesem Sinne bewusste Menschen überhaupt hoffen dürfen, Liebende zu werden, politisch Souveräne und frei Denkende. Ohne Selbsterkenntnis geht es nicht.
Was werden 2.400 Jahre nach uns die Historiker über diese, unsere Zeit sagen? Dass sich im Grunde nichts verändert hat in Bezug auf die menschliche Dummheit? Die meisten von uns würden wohl meinen, dass Homo sapiens sogar zu dumm ist, um mehr als die nächsten 240 Jahre zu überleben. Stellen wir uns vor, was ein Blick von dort auf uns Heutige, in der Corona-Krise Gefangene sagen würde. Sind wir imstande unser Leben frei zu gestalten, ohne dabei auf Schuldige, uns Einschränkende außerhalb von uns selbst zu deuten? Vielleicht hatte Blaise Pascal (1623-1662) ja recht mit seiner Aussage: »Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.«
Wolf Sugata Schneider, Jg. 52
Autor, Redakteur, Humorist.
1985–2015 Herausgeber der Zeitschrift Connection
Blog: www.connection.de
Seminare: www.bewusstseinserheiterung.info
Autor, Redakteur, Humorist.
1985–2015 Herausgeber der Zeitschrift Connection
Blog: www.connection.de
Seminare: www.bewusstseinserheiterung.info
Vom Denken in der Angst zum Handeln in Freiheit ... von Hermann Häfele
Angst ist ein interessantes Phänomen. Und damit meine ich nicht die natürliche, instinktive Angst, die von unseren steinzeitlichen Ursprüngen stammt, also etwa die vor wilden, gefährlichen Tieren – diese Angst spielt mindestens in unseren Breiten kaum noch eine Rolle.
Doch wir haben uns die Angst erhalten und übertragen sie heute auf eine – nüchtern betrachtet – sehr übertriebene Art und Weise auf andere Felder unseres Lebens. Angst gibt es heute allerorten. Von manchen Seiten aus wird sie gar bewusst geschürt. Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb wir in der Angst bleiben. „Angst ist ein Resonanzkiller, sie verhindert, dass wir einen Zugang zur Welt um uns herum aufbauen können. Sie macht uns gewissermaßen in uns selbst gefangen“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa (Zeitmagazin online vom 03.04.2020).
Angst hat die althochdeutsche Herkunft „Enge, Engsein“ und eine noch ältere, indogermanische, nämlich „eng, bedrängend“. Wie also sind wir „bedrängt“ und was ist es, was uns „in uns gefangen“ hält?
Wir sind in unseren inneren Mustern und Programmen gefangen, und viele halten es kaum aus, wenn sie – auch durch äußere Umstände – auf sich selbst zurückgeworfen sind und flüchten in andere, zum Beispiel digitale Welten. Ablenkungen gibt es ja immer noch mehr als genügend. Gleichzeitig haben wir – wenn wir denn wollen – aktuell eine Riesenchance, aufs Neue mit der Welt und vor allem mit uns selbst und unserem Leben in Beziehung zu treten.
Das Wort „Chance“ geht auf das frühromanische „cadentia“ zurück und diesem liegt die lateinische Wurzel „cadentia“ („möglicher Fall, Fall der Würfel, Wahrscheinlichkeit“) zugrunde. Wie die Dinge letztlich werden, wissen wir nicht. Doch wir können bestmögliche Voraussetzungen für das „Fallen der Würfel“ für uns schaffen! Die Chance besteht konkret darin, einen eigenen „Roten Faden“ hinein zu uns selbst und in die Freiheit zu finden bzw. wiederzufinden.
Er schreibt weiter: „… Frei lässt sich auf die indoeuropäische Wurzel prai- bzw. prî- (›lieben, gern haben, schonen‹) zurückführen. Die Entwicklung von ›lieb‹ zu ›frei, unabhängig‹ erklärt sich aus einer Vorstellung ‚zu denen gehörig, die man gern hat und schont‘ – also zu den Verwandten und Stammesgenossen. … Zu derselben Wortsippe zählen Freund (ursprünglich: ›Nahestehender‹, auch ›Verwandter‹), freien (›heiraten wollen, werben‹) und Friede (ursprünglich: ›Zustand des Wohlwollens, der Schonung‹).
In diesem Sinne definierte der Philosoph Martin Heidegger Freiheit als „Sein-lassen“, womit er nicht ›etwas unterlassen, sich davon abwenden‹ meinte, sondern ›etwas es selbst sein lassen, ihm seine Eigentümlichkeit erlauben‹. Also nicht: sich von etwas, sondern für etwas frei machen.“
Um die Chance zu nutzen, unseren eigenen „Roten Faden“ (wieder) zu finden, braucht es Mut und die Bereitschaft, bewusster zu werden, mehr wahrzunehmen und sich selbst Fragen zu stellen: Was habe ich bisher gemacht? „Fließen“ die Dinge in meinem Leben so, wie ich mir das vorstelle? Wenn nein, woher genau kommt mein Unbehagen und auf welche Lebensfelder bezieht es sich (z. B. Beruf, Beziehung etc.)? Was macht mich aus und habe ich etwas mit meinem Leben zu tun? Spüre ich Lebensfreude oder ist das doch zu einem abstrakten Begriff für mich geworden? Fühle ich mich (und meine Umwelt) oder bin ich eher ein funktionierender Kopfmensch? Führe ich aktiv eine bereichernde Beziehung? Zu beziehungsweise mit jemand anderem und zu mir selbst? Bin ich beruflich in Feldern aktiv, wo ich meine Stärken und Präferenzen sinnvoll und freudvoll einsetze, oder traue ich mich gar nicht so recht, da überhaupt drüber nachzudenken? Woher genau stammen meine Ängste und was kann ich tun, um sie zu überwinden?
Mit Hilfe dieser und ähnlicher Fragen auf Entdeckungsreise zu gehen, kann ausgesprochen spannend werden. Dabei gilt es, sich selbst mit Mitgefühl und dem eigenen Leben gegenüber mit Liebe zu begegnen.
Kann so ein Weg „erfolgreich“ sein und Entwicklung gelingen?
Ja, kann er, manchmal ganz anders, als ursprünglich gedacht!
Hoffnung ist nach meiner persönlichen Überzeugung kein gutes Konzept, wenn es uns fortwährend aus der Gegenwart herauskatapultiert, wenn wir „anhaften“ an irgendetwas Zukünftigem, das unser Kopf sich einbildet. Dieses „wenn erst das und das (wieder) erreicht ist, dann werde ich ...“ kennt fast jede/r zur Genüge – so landen wir doch wieder beim ewigen Aufschieben. Irgendwann, so hoffen wir, wird‘s bestimmt besser …? Nein, wird es nicht, schon deshalb, weil dieser Zeitpunkt nie eintritt! Oder vielleicht doch, aber vom Außen beeinflusst in Zeiten von Ausnahmesituationen während Krisenzeiten?
Wenn das „aufgeregte Umherhüpfen“ allerdings als Ausdruck von Neugier und Freude geschieht und aus der Gegenwart heraus, wenn wir alles ‚willkommen heißen‘, was da kommen mag (einschließlich unangenehmer Dinge), dann sind wir auf dem richtigen Wege. Dann kann, genau so interpretiert, Hoffnung auch ein wunderbarer Ausdruck von Lebensfreude sein. Dazu noch einmal Hartmut Rosa, der es gut auf den Punkt bringt: „Ich verstehe Resonanz als eine bestimmte, gelingende Form, mit der Welt in Beziehung zu treten. (…) Ich lasse mich auf eine Sache ein, die mir wirklich etwas bedeutet, die mich innerlich berührt und bewegt. Ich bin nicht nur passiv berührt, sondern antworte auf das, was mich da anruft und erfahre mich dabei auch als selbstwirksam.“ Es gilt, in Resonanz zu gehen, mit dem Außen und mit dem Innen.
Machen wir uns also auf in Richtung Freiheit und machen uns frei – nicht nur von etwas, sondern auch zu etwas. Es lohnt sich gerade jetzt, in sich selbst zu investieren und sich (womöglich neu) zu positionieren, in welchen Feldern auch immer (fast immer hängt ja alles mit allem zusammen). So kommen wir (endlich) in unserem Leben an. Und das bedeutet: Fühlen und Denken in der Gegenwart – und Handeln in Freiheit!
Angst hat die althochdeutsche Herkunft „Enge, Engsein“ und eine noch ältere, indogermanische, nämlich „eng, bedrängend“. Wie also sind wir „bedrängt“ und was ist es, was uns „in uns gefangen“ hält?
Wir sind in unseren inneren Mustern und Programmen gefangen, und viele halten es kaum aus, wenn sie – auch durch äußere Umstände – auf sich selbst zurückgeworfen sind und flüchten in andere, zum Beispiel digitale Welten. Ablenkungen gibt es ja immer noch mehr als genügend. Gleichzeitig haben wir – wenn wir denn wollen – aktuell eine Riesenchance, aufs Neue mit der Welt und vor allem mit uns selbst und unserem Leben in Beziehung zu treten.
Das Wort „Chance“ geht auf das frühromanische „cadentia“ zurück und diesem liegt die lateinische Wurzel „cadentia“ („möglicher Fall, Fall der Würfel, Wahrscheinlichkeit“) zugrunde. Wie die Dinge letztlich werden, wissen wir nicht. Doch wir können bestmögliche Voraussetzungen für das „Fallen der Würfel“ für uns schaffen! Die Chance besteht konkret darin, einen eigenen „Roten Faden“ hinein zu uns selbst und in die Freiheit zu finden bzw. wiederzufinden.
Was bedeuten die Worte „Freiheit“ und „frei“?
Die indogermanische Wortwurzel für „frei“ stand ursprünglich für „vertraut, lieb, eigen“ und für „helfen, lieben“ sowie für „Zuneigung, Freundschaft“, wie der Sprachwissenschaftler Jochen A. Bär erklärt (www.baer-linguistik.de). Er schreibt weiter: „… Frei lässt sich auf die indoeuropäische Wurzel prai- bzw. prî- (›lieben, gern haben, schonen‹) zurückführen. Die Entwicklung von ›lieb‹ zu ›frei, unabhängig‹ erklärt sich aus einer Vorstellung ‚zu denen gehörig, die man gern hat und schont‘ – also zu den Verwandten und Stammesgenossen. … Zu derselben Wortsippe zählen Freund (ursprünglich: ›Nahestehender‹, auch ›Verwandter‹), freien (›heiraten wollen, werben‹) und Friede (ursprünglich: ›Zustand des Wohlwollens, der Schonung‹).
In diesem Sinne definierte der Philosoph Martin Heidegger Freiheit als „Sein-lassen“, womit er nicht ›etwas unterlassen, sich davon abwenden‹ meinte, sondern ›etwas es selbst sein lassen, ihm seine Eigentümlichkeit erlauben‹. Also nicht: sich von etwas, sondern für etwas frei machen.“
Um die Chance zu nutzen, unseren eigenen „Roten Faden“ (wieder) zu finden, braucht es Mut und die Bereitschaft, bewusster zu werden, mehr wahrzunehmen und sich selbst Fragen zu stellen: Was habe ich bisher gemacht? „Fließen“ die Dinge in meinem Leben so, wie ich mir das vorstelle? Wenn nein, woher genau kommt mein Unbehagen und auf welche Lebensfelder bezieht es sich (z. B. Beruf, Beziehung etc.)? Was macht mich aus und habe ich etwas mit meinem Leben zu tun? Spüre ich Lebensfreude oder ist das doch zu einem abstrakten Begriff für mich geworden? Fühle ich mich (und meine Umwelt) oder bin ich eher ein funktionierender Kopfmensch? Führe ich aktiv eine bereichernde Beziehung? Zu beziehungsweise mit jemand anderem und zu mir selbst? Bin ich beruflich in Feldern aktiv, wo ich meine Stärken und Präferenzen sinnvoll und freudvoll einsetze, oder traue ich mich gar nicht so recht, da überhaupt drüber nachzudenken? Woher genau stammen meine Ängste und was kann ich tun, um sie zu überwinden?
Mit Hilfe dieser und ähnlicher Fragen auf Entdeckungsreise zu gehen, kann ausgesprochen spannend werden. Dabei gilt es, sich selbst mit Mitgefühl und dem eigenen Leben gegenüber mit Liebe zu begegnen.
Von was will/sollte ich mich befreien und für was will ich frei sein?
Anlässlich seines 70. Geburtstages sagte Charlie Chaplin: „Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das ‚gesunden Egoismus‘, aber heute weiß ich, das ist ‚Selbstliebe‘“.Kann so ein Weg „erfolgreich“ sein und Entwicklung gelingen?
Ja, kann er, manchmal ganz anders, als ursprünglich gedacht!
Was kann die Hoffnung bewirken?
Hoffnung kommt tatsächlich ursprünglich von „aufgeregt umherhüpfen, in Erwartung hüpfen“ – vgl. auch das „hoppen“ aus dem Mittelniederdeutschen. Manche kennen noch aus eigener Kindheit das „hoppe, hoppe, Reiter ...“! Hoffnung ist nach meiner persönlichen Überzeugung kein gutes Konzept, wenn es uns fortwährend aus der Gegenwart herauskatapultiert, wenn wir „anhaften“ an irgendetwas Zukünftigem, das unser Kopf sich einbildet. Dieses „wenn erst das und das (wieder) erreicht ist, dann werde ich ...“ kennt fast jede/r zur Genüge – so landen wir doch wieder beim ewigen Aufschieben. Irgendwann, so hoffen wir, wird‘s bestimmt besser …? Nein, wird es nicht, schon deshalb, weil dieser Zeitpunkt nie eintritt! Oder vielleicht doch, aber vom Außen beeinflusst in Zeiten von Ausnahmesituationen während Krisenzeiten?
Wenn das „aufgeregte Umherhüpfen“ allerdings als Ausdruck von Neugier und Freude geschieht und aus der Gegenwart heraus, wenn wir alles ‚willkommen heißen‘, was da kommen mag (einschließlich unangenehmer Dinge), dann sind wir auf dem richtigen Wege. Dann kann, genau so interpretiert, Hoffnung auch ein wunderbarer Ausdruck von Lebensfreude sein. Dazu noch einmal Hartmut Rosa, der es gut auf den Punkt bringt: „Ich verstehe Resonanz als eine bestimmte, gelingende Form, mit der Welt in Beziehung zu treten. (…) Ich lasse mich auf eine Sache ein, die mir wirklich etwas bedeutet, die mich innerlich berührt und bewegt. Ich bin nicht nur passiv berührt, sondern antworte auf das, was mich da anruft und erfahre mich dabei auch als selbstwirksam.“ Es gilt, in Resonanz zu gehen, mit dem Außen und mit dem Innen.
Machen wir uns also auf in Richtung Freiheit und machen uns frei – nicht nur von etwas, sondern auch zu etwas. Es lohnt sich gerade jetzt, in sich selbst zu investieren und sich (womöglich neu) zu positionieren, in welchen Feldern auch immer (fast immer hängt ja alles mit allem zusammen). So kommen wir (endlich) in unserem Leben an. Und das bedeutet: Fühlen und Denken in der Gegenwart – und Handeln in Freiheit!
Hermann Häfele unterstützt und begleitet Menschen, ihren eigenen Roten Faden (wieder) zu finden – für die eigene Positionierung, bei Krisenüberwindung und/oder bei persönlicher Weiterentwicklung in allen Lebensfeldern. Mehr Infos auf www.roter-faden-coaching.de
Das feste Band - Wie Paare sich in Krisen stärken können ... von Jochen Meyer
Krisen bringen uns in emotionale Ausnahmezustände und stellen für alle Paare eine besondere Herausforderung dar. Der Berliner Paartherapeut und Single-Coach Jochen Meyer zeigt Paaren, was sie in einer Krise tun können.
Ob wir gut durch eine Krise kommen, hängt wesentlich von unserem Umgang mit unseren Gefühlen ab. Habe ich für das, was mich ängstigt und bedroht, einen Ort in mir? Kann ich damit umgehen oder überwältigt es mich, so dass ich auf eines der drei angeborenen Muster der Stressbewältigung zurückgreifen muss: Kampf (aggressiv werden, ausrasten), Flucht (sich abwenden, aus dem Raum gehen) oder Erstarrung (stumm werden, emotional versteinern).
Haben wir für unsere Ängste einen Ort in unserer Partnerschaft? Können wir sie unserer Partnerin, unserem Partner zeigen? Kann sie oder er damit umgehen, wenn wir in einen emotionalen Ausnahmezustand geraten? Es gehört schon einiges dazu, sich dem Partner zuzuwenden und zu sagen: „Du, ich fühle mich gerade vollkommen hilflos, ich gerate in Panik, ich brauch' dich jetzt!“ Was krisenfeste Paare auszeichnet
Welche Paare kommen am besten durch eine Krise? Es sind die, deren Verbindung stabil ist. Die Partner haben Vertrauen ineinander, und sie haben Vertrauen in ihre Beziehung. Sie haben schon manche schwierige Situation durchgestanden und wissen, dass ihre Verbindung belastbar ist. Es gibt ein festes Band zwischen ihnen. Und dieses Band hält eine Menge aus.Solch ein festes Band entsteht, weil beide Partner sich konsequent für die Bindung einsetzen und sie pflegen. Es entsteht, wenn zwei Partner zueinander stehen, also loyal und solidarisch miteinander umgehen. Und es wird stärker, wenn beide im alltäglichen Miteinander aufmerksam füreinander sind, Rücksicht nehmen und einen liebevollen Kontakt pflegen.
Wenn solch ein festes Band da ist, spüren wir intuitiv: Auf meinen Partner kann ich bauen. Ich weiß, dass er es gut mit mir meint. Ich weiß, dass er fest an meiner Seite steht und dass er mir Halt gibt, wenn ich ihn brauche.
Wie sich eingespielte Paare ihrer Liebe versichern
So nutzen Sie die Kraft von Bindungssignalen in der Krise
Stellen Sie sich vor, Ihre Partnerin oder Ihr Partner kommt mit der Nachricht nach Hause, dass er möglicherweise seinen Job verliert. Das ist ein Problem, das keiner von Ihnen beiden lösen kann. Die Nachricht löst eine ganze Kaskade von Ängsten und Sorgen bei Ihrem Partner aus, und Sie spüren sofort: Diese Veränderung kann auch für unsere Beziehung zu einer Belastungsprobe werden. In solch einem Moment entscheiden Sie durch bewusst oder unbewusst eingesetzte Bindungssignale, wie es zwischen Ihnen weitergeht. Hält das Band oder droht es zu zerreißen?
Gerät Ihr Partner in einen emotionalen Ausnahmezustand, können Sie eine Menge tun – zumindest solange Sie selbst nicht gerade emotional am Anschlag sind. Senden Sie positive Bindungssignale, die das Band zwischen ihnen aktivieren: Das kann ein liebevoller, sanfter Blick sein. Sie können auch auf Ihren Partner zugehen, ihn vielleicht in den Arm nehmen und ihn halten, wenn er so viel Nähe gerade zulässt. Wichtig ist, dass Sie emotional präsent für ihn sind, ihn spüren lassen: „Ich bin für dich da. Du kannst mit allem zu mir kommen, was dich bewegt und was dich belastet!“
Wenn Sie sich umgekehrt vorstellen, sie selbst wären in einer vergleichbaren emotionalen Notlage: Was würden Sie sich von Ihrem Partner, Ihrer Partnerin wünschen? Was müsste sie oder er tun? Welche Worte würden Sie gern hören?
Sätze, die Bindungsbotschaften enthalten. Erkennen Sie sie?
Achten Sie auf die innere Haltung, die hier zum Ausdruck kommt. Umso sicherer Sie und Ihr Partner sich in Ihrer Haltung sind, desto weniger Worte werden Sie brauchen.
Machen Sie sich klar: Jeder Satz, den Sie nicht sagen; jede Geste, auf die Sie verzichten, enthält ebenfalls eine Bindungsbotschaft. Nur eben eine andere. Und die wird auch eine Wirkung haben auf Sie beide und das Band zwischen Ihnen.
Wer gerade Stress hat und emotional überfordert ist, braucht einen verständnisvollen Partner und keinen, der ihm noch mehr Probleme bereitet. Krisen sind eine wunderbare Gelegenheit für Paare, die Bindungssprache zu erlernen und sich positive Bindungssignale zu geben. „Ich bin grad am Anschlag und kann jetzt nicht auf Dich eingehen. Aber das bedeutet nicht, dass Du mir nicht wichtig bist. Ich liebe dich trotzdem!“ Auch das ist eine Möglichkeit, die Verbindung zu halten. Selbst dann, wenn das Band gerade nicht spürbar ist.
In Zeiten zunehmender Verunsicherung wird die Sehnsucht nach stabilen Beziehungen größer. Unsere Bindungsbedürfnisse sind angeboren; wir alle sehnen uns nach einem Partner, der in Krisenzeiten für uns da ist und der uns signalisiert: „Bei mir bist du sicher. Bei mir kannst du dich aufgehoben fühlen. Zu mir kannst du immer kommen, egal womit. Komm her und lass uns schauen, was wir jetzt machen können.“
Ich sage nicht, dass das immer leicht ist. Paare, die in alten Konfliktmustern feststecken und sich schon oft verletzt haben, können den mitgeschleppten Groll oder die Angst vor neuerlicher Verletzung nicht einfach beiseite packen und durch ein paar gut gemeinte Worte ersetzen. Aber auch sie können lernen – zum Beispiel im Rahmen einer Paartherapie – auf ihre jeweiligen Bindungsbedürfnisse zu achten und bewusster mit ihnen umzugehen. Sie können sogar schon jetzt etwas für ihre Bindung tun: Sich immer dann, wenn ihre Beziehung gerade stabil ist, liebevolle Gesten und positive Bindungssignale schenken. So können auch sie das Band zwischen ihnen beleben und festigen.
Der Autor Dr. phil. Jochen Meyer lebt und arbeitet als Paartherapeut und Single-Coach in Berlin. Er bietet unter anderem Online-Seminare für Paare an: „Sicher durch die Krise. Durch Bindungssignale die Beziehung stärken“. Weitere Infos und seine Kontaktdaten, Telefon und E-Mail finden Sie auf www.jochen-meyer-coaching.de
- Du bist mir wichtig. Du bedeutest mir sehr viel. Ich möchte wissen, wie es dir geht.
- Ich möchte, dass es Dir gutgeht und dass du klar kommst. Kann ich etwas für dich tun?
- Ich bin für dich da. Du kannst mir alles erzählen, egal wie schlimm es für dich ist. Ich halte das aus.
- Überfordert sein, ratlos sein, verzweifelt sein: All das ist erlaubt!
- Wir gehen da jetzt gemeinsam durch.
- Keiner von uns kann jetzt alles richtig machen, aber wir bleiben zusammen.
- Wir haben schon ganz andere Krisen durchgestanden, erinnerst du dich? Wenn wir das hier hinter uns haben, werden wir noch stärker sein!
Achten Sie auf die innere Haltung, die hier zum Ausdruck kommt. Umso sicherer Sie und Ihr Partner sich in Ihrer Haltung sind, desto weniger Worte werden Sie brauchen.
Machen Sie sich klar: Jeder Satz, den Sie nicht sagen; jede Geste, auf die Sie verzichten, enthält ebenfalls eine Bindungsbotschaft. Nur eben eine andere. Und die wird auch eine Wirkung haben auf Sie beide und das Band zwischen Ihnen.
Wer gerade Stress hat und emotional überfordert ist, braucht einen verständnisvollen Partner und keinen, der ihm noch mehr Probleme bereitet. Krisen sind eine wunderbare Gelegenheit für Paare, die Bindungssprache zu erlernen und sich positive Bindungssignale zu geben. „Ich bin grad am Anschlag und kann jetzt nicht auf Dich eingehen. Aber das bedeutet nicht, dass Du mir nicht wichtig bist. Ich liebe dich trotzdem!“ Auch das ist eine Möglichkeit, die Verbindung zu halten. Selbst dann, wenn das Band gerade nicht spürbar ist.
In Zeiten zunehmender Verunsicherung wird die Sehnsucht nach stabilen Beziehungen größer. Unsere Bindungsbedürfnisse sind angeboren; wir alle sehnen uns nach einem Partner, der in Krisenzeiten für uns da ist und der uns signalisiert: „Bei mir bist du sicher. Bei mir kannst du dich aufgehoben fühlen. Zu mir kannst du immer kommen, egal womit. Komm her und lass uns schauen, was wir jetzt machen können.“
Ich sage nicht, dass das immer leicht ist. Paare, die in alten Konfliktmustern feststecken und sich schon oft verletzt haben, können den mitgeschleppten Groll oder die Angst vor neuerlicher Verletzung nicht einfach beiseite packen und durch ein paar gut gemeinte Worte ersetzen. Aber auch sie können lernen – zum Beispiel im Rahmen einer Paartherapie – auf ihre jeweiligen Bindungsbedürfnisse zu achten und bewusster mit ihnen umzugehen. Sie können sogar schon jetzt etwas für ihre Bindung tun: Sich immer dann, wenn ihre Beziehung gerade stabil ist, liebevolle Gesten und positive Bindungssignale schenken. So können auch sie das Band zwischen ihnen beleben und festigen.
Der Autor Dr. phil. Jochen Meyer lebt und arbeitet als Paartherapeut und Single-Coach in Berlin. Er bietet unter anderem Online-Seminare für Paare an: „Sicher durch die Krise. Durch Bindungssignale die Beziehung stärken“. Weitere Infos und seine Kontaktdaten, Telefon und E-Mail finden Sie auf www.jochen-meyer-coaching.de
Räume bewusst gestalten ... von Judika und Eilert Bartels
Die „Corona-Krise“, fordert uns alle auf eine für viele Menschen neue Weise heraus. Das gilt besonders auch für Paare. In Zeiten von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen wird nun noch wichtiger, was uns von jeher auch in unserer Praxis Leitgedanke ist: „Stabile, erfüllende Paarbeziehungen setzen eine gute Beziehung zu sich selbst voraus“. Den eigenen Raum wahrnehmen und würdigen zu lernen, ist nicht nur dafür wichtig, sich abgrenzen zu können, sondern ganz besonders auch, um bewusste gemeinsame Räume der Begegnung miteinander gestalten zu können. Das gilt umso mehr, wo wir derzeit wegen „Corona“ und der Ausgangsbeschränkungen „aufeinander hocken“.Vielleicht haben wir ja auch gerade jetzt die Chance, mit- und aneinander zu wachsen! Es mag sein, dass viele Paare sich im Moment, oder ohnehin schon länger, im Besonderen auf verschiedene Weise aneinander gebunden fühlen. Sich bewusst zu machen, dass Sie – auch, wenn Sie sich gebunden haben – dennoch ganz und eigenständig sind, gibt Ihnen die Möglichkeit, sowohl Freiräume für den Einzelnen als auch gemeinsame Räume des Miteinanders zu gestalten. Die „Corona-Krise“ ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, dies für sich und miteinander zu lernen.
Wir haben uns dazu ein paar Gedanken gemacht, die wir Ihnen hier gern als unterstützende Anregungen mitgeben möchten. Das Wichtigste zuerst: Machen Sie sich klar, dass es überall, wo Menschen zusammenleben, sowohl Raum für jede und jeden Einzelnen braucht, als auch so etwas wie Räume des gemeinsamen Erlebens: ohne Grenzen kein Raum. Völlig klar: Schon unser Körper definiert sich über seine Grenzen. Unsere Haut bildet ganz natürlich eine Begrenzung unseres Körpers. Ohne Begrenzung würden wir unsere Gestalt und unser Gefühl für uns selbst verlieren. Wenn wir z. B. in einem Auto sitzen, sind wir darüber hinaus sogar in der Lage, „unseren Raum“ bis zu den Grenzen der Autokarosserie auszuweiten. Und wir reagieren verständlicherweise empfindlich, wenn jemand die Grenzen gegen unseren Willen übertritt, etwa, wenn uns jemand in den Kofferraum fährt, oder auch nur beim Spurwechsel zu nahe kommt. Gleichwohl freuen wir uns vielleicht auch, wenn wir nicht alleine Auto fahren, sondern einen freundlichen Menschen zur Mitfahrt in unseren Raum einladen können. An diesem Beispiel wird klar: Es braucht Grenzen. Sie sind ein ganz eigener Mensch. Ein Mensch mit eigenen Grenzen, aus denen heraus Sie Ihren eigenen Raum gestalten, den Sie für sich alleine haben, aber in den Sie auch andere Menschen einladen können, wenn Sie möchten. Und erst das Bewusstsein für Ihren eigenen Raum macht es möglich, zu unterscheiden zwischen „Dies hier ist mein eigener Raum“ und „Das ist unser gemeinsamer Raum“. Diese Unterscheidung ist wichtig! Denn ohne ein klares Gefühl für den eigenen Raum lassen sich auch willkommene gemeinsame Räume nicht gestalten! Um beim Autovergleich zu bleiben: Dann spüren Sie nicht mehr klar, ob Ihr Gegenüber gerade unwillkommen in Ihrem Kofferraum ist oder sich freundlich eingeladen hat, und sich als Mitfahrer auf dem Sitz neben Ihnen in Ihrem Raum befindet.
Räume gestalten
Gestaltung des inneren Raums
Nehmen Sie sich hierfür doch einmal ein Stündchen Zeit für sich. Nehmen Sie sich einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und schreiben auf, was Ihnen dazu einfällt: Wenn Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse blicken, auf das, was Sie gerne tun, was Ihnen wichtig ist, was Sie allein tun wollen oder auch müssen, und worüber Sie ich freuen, es in Gemeinschaft zu machen. Punkte auf dieser Liste könnten zum Beispiel sein:
Arbeiten (das muss ja schließlich sein); ein Buch lesen; Yoga praktizieren; essen; schlafen; einfach chillen und niemanden sehen und hören; mich abreagieren, wenn ich wütend bin; spazieren gehen (zu zweit); joggen (allein); duschen oder baden; Sex haben (mit mir allein oder gemeinsam; Heimwerken; Musik machen; mit Freunden telefonieren; Social Media; am PC gamen … Was auch immer Ihren persönlichen Bedürfnissen und Prioritäten entspricht, schreiben Sie es auf. Sie sehen schon: Wenn man einmal bewusst darüber nachdenkt, ergibt sich fast von selbst, wo Sie gern Zeit und Raum für sich alleine haben möchten, oder wo Sie sich über gemeinsame Zeit und gemeinsamen Raum freuen.
Nun haben Sie schon eine gute Grundlage für die Gestaltung des äußeren Raumes. Zeichnen Sie doch einmal den Grundriss der gemeinsamen Wohnung auf. Was erleben Sie in den verschiedenen Bereichen Ihrer Wohnung? Nehmen Sie verschiedenfarbige Stifte zur Hand und tragen in die Grundrisszeichnung ein: Wo in der Wohnung ist für Sie „mein“ Bereich? Wo ist die Ecke, das Zimmer, wo Sie sagen können: „Ja, hier fühle ich mich wohl und sicher.“, oder: „Hier kann ich zur Ruhe kommen.“, oder auch: „Hier mag ich es, wenn wir uns begegnen.“, oder: „Hier komme ich richtig in Aktion.“, was auch immer Ihren Bedürfnissen nach eigenem Raum entspricht. Möglicherweise gibt es eine Ecke, einen Bereich oder ein Zimmer, wo sie gerne sagen: „Hier funkt mir keiner rein! Hier darf nur ich verändern und gestalten.“ Oder ist Ihnen das vielleicht gar nicht so wichtig? Spüren Sie da ruhig einmal hin, wie es wirklich ist! Je nachdem, ob Sie über eine große Wohnung, ein großes Haus mit vielen Zimmern verfügen, oder ob Sie sich eine kleine Einzimmerwohnung teilen, können nun ganze Zimmer, vielleicht aber auch einfach ein Bord eines Regals und Ihr Lieblingsstuhl „Ihr Raum“ sein, in dem Sie bestimmte Dinge gern erleben oder tun.
In einer Krise, aber auch sonst im Alltag raten wir:
Gestalten Sie sich Zeiträume, um miteinander zu sprechen, und zwar über Wesentliches: über das, was Ihren inneren Raum ausmacht. Ihre Bedürfnisse, Wünsche, Visionen, Ängste. Vielleicht lösen sich darüber ja sogar langjährige Missverständnisse auf. Denken Sie nur an die obere Brötchenhälfte, die wir so oft dem Partner überlassen, weil wir denken, er oder sie möge diese lieber als die untere Brötchenhälfte! Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner über Ihre jeweiligen Raumbedürfnisse aus. Vielleicht gibt es Überschneidungen oder „Raum-Konflikte“? Wie lassen sich diese lösen? Welche Ideen lassen sich entwickeln? Vielleicht lässt sich beispielsweise die Nutzung des Regals im Wohnzimmer anders aufteilen? Und vielleicht lassen sich Zeiträume vereinbaren, in denen derselbe Bereich einmal „mein“ Raum und einmal „dein“ Raum ist? Übrigens: Wie andere Räume auch, haben Zeiträume eine Begrenzung, einen Anfang und ein Ende. Sorgen Sie gut für sich, indem Sie sich selbst die Freiheit verschaffen, Ihren eigenen Raum zu gestalten. Dadurch kann es im partnerschaftlichen Miteinander leichter fallen, auch dem anderen diese Freiheit einzuräumen. Und gleichzeitig wissen Sie vielleicht besser, was Sie gerne bewusst gemeinsam miteinander erleben wollen. Und das ist nicht nur in Zeiten von Krisen (Corona) wichtig. Aber warum sollten Sie diese besonderen Zeiten nicht auch dafür verwenden, sich das für die Partnerschaft bewusst zu machen? Kommen Sie gut durch Krisenzeiten und vor allem: Bleiben Sie körperlich und seelisch gesund!
Judith und Eilert Bartels sind Paar- und Sexualtherapeuten und führen zusammen die Praxis „Beziehungsperspektive“ in Berlin. Eilert Bartels ist Autor des Buches: „Männliche und weibliche Erregungskurven“. Der Inhalt hinterfragt geschlechtliche Zuschreibungen und ist ein Plädoyer für eine sexuelle Selbstbestimmung jenseits von Scham und Rollenklischee. Außerdem hat er ein Buch herausgebracht: „huMANNoid: Männer sind Menschen“. Weitere Infos und Kontaktdaten unter www.beziehungsperspektive.de
Sollen wir uns trennen oder nicht? von Regina Tamkus
In Paarbeziehung zu leben berührt unser tiefes Wesen vom Menschsein und unser Zugehörig-Sein. Wir brauchen diese Erfahrungen, stimmig gemeint und geliebt zu sein, um uns entwickeln zu können. Jeder, der sich für eine Paarbeziehung entscheidet, weiß aber auch: Es ist nicht leicht, in der Beziehung zu sein, wenn wir uns selbst verloren haben und eine Reaktivität uns und dem Anderen etwas antut. Das belastet die Liebe. Viele Paare kennen dann diesen Gedanken: „Ich kann nicht mehr, ich will mich von Dir trennen“, der zu einem inneren erschöpfenden Zustand werden kann. Dabei sprechen die Frauen diesen Gedanken oft aus, Männer sprechen diesen Gedanken eher nicht aus.
Sind wir sicher, dass wir wissen, was der Gedanke meint?
Wenn er in einer Klarheit und Präsenz ausgesprochen ist, steht er am Ende eines längeren inneren Prozesses und berührt eine nächste stimmige seelische Bewegung für einen oder beide in der Partnerschaft.
Doch oft ist er infolge einer inneren Reaktivität ausgesprochen wie eine Drohung und will den Partner zwingen, endlich zu sehen, was wir brauchen, und uns das zu geben. „Bin ich Dir wichtig?“, „Du für mich da, wenn ich Dich brauche?“, „Stehst Du zu mir?“
Das kann hinter dem Rückzug der Männer stecken ebenso wie im Ausrasten der Frauen. Es berührt tiefste Bindungsthemen. Mann und Frau verstehen sich jedoch in dieser Reaktivität nicht.
Erfahrungsgemäß beschreibt sie eine innere Not, die unerträglich ist und die wir nicht haben wollen. Jeder wird es mehr oder weniger kennen: „Ich habe mich in einer Ernsthaftigkeit gezeigt, bin nackt, doch der andere ist nicht da, nicht präsent, innerlich geschlossen. Ich bin nicht in Resonanz gekommen, kann ihn nicht erreichen“. Man kann diesen Zustand nicht aushalten und geht weg oder greift an. Er löst die frühkindliche Verlassenheitsgeschichte aus: „Ich bin zu viel, ich schäme mich, keiner will und versteht mich“. Streit, Wut und Hass oder Rückzug sind die automatische Reaktion auf diese Kränkung. Kommt das zu oft vor und gibt es keine Erfahrung von Öffnung und stimmiger Berührung, dann lenkt die Reaktivität die Beziehung und landet in Trennung.
Wovon trennen?
In diesem Zusammenhang wollen wir uns wahrscheinlich von dieser wiederholten Erfahrung trennen, dass die Berührung, die innere Not keine Resonanz im Anderen findet und dadurch die Seele nicht entspannen kann.
Was verletzt, ist die Abwesenheit, die fehlende Präsenz des Partners und der Partnerin. Das ist ein ernst zu nehmendes Thema in Zeiten von ständig präsenten Handys und Internet.
An dieser Stelle lohnt es sich, den Trennungsimpuls zu überprüfen. Können wir lernen, mit diesen Stellen der Not für sich selbst und dann füreinander präsent zu bleiben und sich wirklich dafür zu interessieren? Können wir auch lernen mit der Erfahrung präsent zu sein, eine bestimmte Resonanz nicht zu bekommen? Dann wird der Trennungsimpuls ein Königsweg zu Mitgefühl, Selbsterkenntnis und Liebe: Wie kann ich lernen, an diesen Stellen nicht abzuhauen oder anzugreifen? Was kann ich tun, Dir das zu erleichtern?
Die seelische Arbeit in der Liebe lohnt sich. Sich zu trennen oder nicht, entscheidet sich meines Erachtens bei den Fragen, ob noch Liebe da ist und ob es eine Bereitschaft gibt, sich tiefer aufeinander einzulassen und aus der Reaktivität lernen zu wollen. Ich hatte ein Paar, das sich in 14 Jahren 3-mal getrennt hat. Nachdem sich beide auf die seelischen Hintergründe eingelassen haben, erkannten sie, was trennend wirkt, zogen wieder zusammen, haben geheiratet und noch 2 Kinder bekommen.
Sind wir sicher, dass wir wissen, was der Gedanke meint?
Wenn er in einer Klarheit und Präsenz ausgesprochen ist, steht er am Ende eines längeren inneren Prozesses und berührt eine nächste stimmige seelische Bewegung für einen oder beide in der Partnerschaft.
Doch oft ist er infolge einer inneren Reaktivität ausgesprochen wie eine Drohung und will den Partner zwingen, endlich zu sehen, was wir brauchen, und uns das zu geben. „Bin ich Dir wichtig?“, „Du für mich da, wenn ich Dich brauche?“, „Stehst Du zu mir?“
Das kann hinter dem Rückzug der Männer stecken ebenso wie im Ausrasten der Frauen. Es berührt tiefste Bindungsthemen. Mann und Frau verstehen sich jedoch in dieser Reaktivität nicht.
Erfahrungsgemäß beschreibt sie eine innere Not, die unerträglich ist und die wir nicht haben wollen. Jeder wird es mehr oder weniger kennen: „Ich habe mich in einer Ernsthaftigkeit gezeigt, bin nackt, doch der andere ist nicht da, nicht präsent, innerlich geschlossen. Ich bin nicht in Resonanz gekommen, kann ihn nicht erreichen“. Man kann diesen Zustand nicht aushalten und geht weg oder greift an. Er löst die frühkindliche Verlassenheitsgeschichte aus: „Ich bin zu viel, ich schäme mich, keiner will und versteht mich“. Streit, Wut und Hass oder Rückzug sind die automatische Reaktion auf diese Kränkung. Kommt das zu oft vor und gibt es keine Erfahrung von Öffnung und stimmiger Berührung, dann lenkt die Reaktivität die Beziehung und landet in Trennung.
Wovon trennen?
In diesem Zusammenhang wollen wir uns wahrscheinlich von dieser wiederholten Erfahrung trennen, dass die Berührung, die innere Not keine Resonanz im Anderen findet und dadurch die Seele nicht entspannen kann.
Was verletzt, ist die Abwesenheit, die fehlende Präsenz des Partners und der Partnerin. Das ist ein ernst zu nehmendes Thema in Zeiten von ständig präsenten Handys und Internet.
An dieser Stelle lohnt es sich, den Trennungsimpuls zu überprüfen. Können wir lernen, mit diesen Stellen der Not für sich selbst und dann füreinander präsent zu bleiben und sich wirklich dafür zu interessieren? Können wir auch lernen mit der Erfahrung präsent zu sein, eine bestimmte Resonanz nicht zu bekommen? Dann wird der Trennungsimpuls ein Königsweg zu Mitgefühl, Selbsterkenntnis und Liebe: Wie kann ich lernen, an diesen Stellen nicht abzuhauen oder anzugreifen? Was kann ich tun, Dir das zu erleichtern?
Die seelische Arbeit in der Liebe lohnt sich. Sich zu trennen oder nicht, entscheidet sich meines Erachtens bei den Fragen, ob noch Liebe da ist und ob es eine Bereitschaft gibt, sich tiefer aufeinander einzulassen und aus der Reaktivität lernen zu wollen. Ich hatte ein Paar, das sich in 14 Jahren 3-mal getrennt hat. Nachdem sich beide auf die seelischen Hintergründe eingelassen haben, erkannten sie, was trennend wirkt, zogen wieder zusammen, haben geheiratet und noch 2 Kinder bekommen.
Regina Tamkus ist Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin. Aus eigener Erfahrung und der eigenen Arbeit entstand ein inneres Wissen, dass den Menschen, die zu ihr kommen, bei der Lösung derer Sorgen helfen kann. Aus ihrer langjährigen Erfahrung hat sie ein wirksames Angebot aus der seelischen Forschung zum Bewusstwerden unbewusster Muster in der Partnerwahl für Paare und Singles entwickelt: „Eros & Psyche“ auf der Basis des 2000 Jahre alten Mythos.
Sie bietet Intensivseminare an wie „In der Liebe auf die Seele schauen: Ich kann nicht mehr, ich will mich von Dir trennen“ als Selbsterfahrungsangebot für Männer und Frauen, die nicht leichtfertig ihre Partnerschaft und Liebe mit einer Trennung aufs Spiel setzen wollen oder eine Trennung mit Ruhe und Bewusstheit vollziehen wollen, mit Blick auf die Kinder. Es richtet sich auch an Menschen, die Trennung wiederholt erfahren und dafür Verantwortung übernehmen.
Weitere Infos auf www.erosundpsyche.net
Weitere Infos auf www.erosundpsyche.net
Veranstaltungshinweis: Trennungs-Seminar „In der Liebe auf die Seele schauen“ vom 13. bis 16.August 2020
Heilung des Selbstwertmangels ... von Sabine Groth
Der Mangel an Selbstwert und Selbstliebe – ist in Beziehungen entstanden. In Beziehungen kann er auch wieder geheilt werden. Es gibt gute Möglichkeiten, die eigenen Minderwertigkeitsgefühle in eine gesunde Selbstachtung zu verwandeln. Heute mehr denn je.Wer kennt ihn nicht – den Zusammenbruch des Selbstwerts nach einer Kritik, Kränkung oder Zurückweisung? Wer hat sich nicht schon einmal minderwertig und unterlegen gefühlt oder aber auf jemanden herabgeblickt aus einer vermeintlichen Überlegenheit heraus? Gefühle der Unter- und Überlegenheit sind menschlich. Dies sind narzisstische Anteile in der eigenen Seele, die wohl jeder kennt, der sich ein wenig mit sich selbst beschäftigt hat. Wenn sie jedoch zu groß werden, führen sie in die narzisstische Störung. Der Begriff „Narzissmus“ wird mittlerweile häufig als Schimpfwort, also im Grunde selbst aus einer narzisstischen Perspektive heraus gebraucht.
Die Tragik der narzisstischen Dynamik besteht in ihrer Spaltung zwischen Aufgeblasenheit und Geschrumpftheit, zwischen Größenselbst und entwertetem Selbst. Für einen narzisstischen Menschen ist seine Umwelt bevölkert von überlegenen Gurus und Autoritäten, denen gegenüber er sich klein fühlt und devot verhält, und unterlegenem Fußvolk, auf das er hinabschaut und das für ihn nur insofern interessant ist, als es ihn hofiert oder bewundert.
Menschen mit einer ausgeprägten Störung in ihrer Selbstliebe sind oft süchtig nach Bestätigung, Beifall und Bewunderung. Ihr Selbstbild und ihr Selbstwertgefühl sind abhängig von aufwertenden Rückmeldungen anderer. Mitunter geht es soweit, dass der eigene Partner als Objekt ständiger Selbstwertzufuhr missbraucht wird. Bleibt diese aus, kollabiert ihr Selbstwertgefühl, und sie fühlen sich in ihrer schieren Existenzberechtigung infrage gestellt. Die Not der narzisstisch beeinträchtigten Menschen ist groß. Sie leiden an Schuld-, Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen, an ihrer Unfähigkeit mit Kränkungen und Kritik umzugehen und stabile, gesunde Beziehungen aufzubauen.
Doch es gibt Wege aus dem narzisstischen Leid, Schritte, welche die Selbstliebe stärken:
1. Entscheidung zum Selbstwert
Am Anfang jeder Veränderung steht meist eine Entscheidung. Die Entscheidung für den Selbstwert, aus der Opferrolle auszusteigen und Verantwortung für unser Wohlergehen und unser Selbstwertgefühl zu übernehmen. Niemand kann uns ein Minderwertigkeitsgefühl geben ohne unsere Einwilligung.
2. Selbstwert durch Selbstwirksamkeit
Indem wir selbst die Verantwortung für unser Wohlergehen übernehmen, erleben wir uns in unserer Selbstwirksamkeit. Wir spüren: Ich kann etwas zum Positiven verändern – in mir und in meinen Beziehungen. Ich kann mich, mein Leben und meine Beziehungen gestalten. Ich habe es in der Hand.
3. Schulung der Wahrnehmung und Achtsamkeit
Auf dem Weg zu größerem Selbstwert hilft es, die Wahrnehmung und Achtsamkeit zu schulen. Zugang zum wahren Selbst zu suchen, indem wir unsere echten Gefühle und Bedürfnisse erkennen, indem wir spüren: Das fühle ich. Das brauche ich. Und danach sehne ich mich.
4. Erlernen von Empathie- und Resonanzfähigkeit
Indem wir unsere Achtsamkeit für unsere inneren Vorgänge, unsere Gefühle, Bedürfnisse und Ahnungen schulen, erhöht sich auch unsere Fähigkeit, uns in uns selbst einzufühlen. Und erst wenn wir Mitgefühl mit uns selbst entwickeln, können wir uns in andere einfühlen, mit Ihren Äußerungen in Resonanz gehen und sie angemessen beantworten.
5. Selbstregulation und Selbstberuhigung
Je mehr die eigenen Gefühle, die eigene Kränkbarkeit und das reflexartige Reagieren reguliert werden können, umso mehr kann der Andere erfasst werden. Umso achtsamer können wir unsere Gefühle, Empfindungen, auch unsere Kritik an unser Gegenüber herantragen. Und umso mehr kann er diese aufnehmen und damit umgehen. Je besser wir uns bei starken, schmerzvollen Gefühlen selbst regulieren können, umso größer wird unsere Fähigkeit, eine Situation so zu gestalten, wie wir sie uns wünschen. In dem Raum zwischen Reiz und Reaktion liegt unsere ganze Macht.
6. Die alten Wunden heilen
Alte Wunden können durch die „Arbeit“ mit dem inneren Kind geheilt werden. Wir können uns behutsam an die oft lange verdrängten Gefühle aus der Kindheit herantasten. Schmerz, Wut, Trauer und Scham, die damals das kindliche Selbst überfordert haben, kann das erwachsene Ich heute ertragen und durchfühlen. Wir können uns daran erinnern, dass wir uns im Laufe unseres Lebens genug Selbstunterstützung und Selbstfürsorge angeeignet haben, um von diesen alten Gefühlen nicht überflutet zu werden. Wir können uns in die Arme unseres Partners oder unserer Freundin legen, uns halten und nachnähren lassen, solange bis sich etwas in uns beruhigt.
7. Selbsthilfe bei Selbstzweifeln
Der inneren selbstabwertenden, zweifelnden Stimme kann eine Stimme entgegengesetzt werden, die uns an unsere Stärken erinnert. Wenn wir denken „Ich bin nicht gut genug“. können wir uns sagen: „Das was ich bin, reicht vollkommen aus.“ Destruktive Selbstkritik wie „Das habe ich mal wieder nicht geschafft“ können wir mit dem Satz beantworten: „Und schau, was du schon alles geschafft hast!“
8. Selbstfürsorge und Partnerfürsorge
Tägliche aktive Selbstfürsorge betreiben, uns selbst Gutes tun, aber auch schauen, was kann ich zum Glück des Partners und zum Beziehungsglück beitragen. So wird die Partnerfürsorge wiederum zur Selbstfürsorge. Denn ist der Partner glücklich, so trägt er das Glück in die Beziehung hinein und damit auch zu mir.
9. Kränkungsreflexe und die Kette von Streitmustern stoppen
Reflexartige Reaktionen auf eine Kränkung, wie Rückzug in trotziges Schweigen, Kränkungswut und Rache müssen erkannt und gestoppt werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Kette von Streitmustern in Gang gesetzt wird, die langfristig jede Beziehung zermürbt. An ihre Stelle muss ein reifer Dialog gestellt werden.
10. Einüben eines reifen Dialogs
Das Einüben eines reifen Dialogs mit Selbstoffenbarung und Bekenntnis ist essenziell, um stabile Beziehungen aufzubauen. Wir müssen lernen „Aua“ zu sagen, wenn uns ein Verhalten, ein Wort oder ein Blick verletzt oder gekränkt hat, anstatt dies mit Rückzug oder Aggression zu beantworten.
Unsere Gesellschaft bringt Menschen hervor, deren Selbstwertregulation ins Pathologische abdriftet, bei denen psychische Stabilität zu Pseudostabilität führt, Power zu Aufgedrehtheit, Präsenz zu Exhibitionismus und Machtbesessenheit. Sie bringt Menschen hervor, die an den Spitzen von Politik und Wirtschaft sitzen, die mächtig und zerbrechlich zugleich und daher sehr krisenanfällig sind.
Ein Mensch dagegen, der sich im positiven Sinne selbst liebt, sich selbst achtet und gut auf sich selbst achtet, respektiert auch seine Mitmenschen, seine Mitarbeiter, Vorgesetzten und Untergebenen, die Menschen, die ihm nahestehen, seine Familie und Freunde. Er hat es ebenso wenig nötig, sich aufzublähen und über andere zu stellen, wie sich kleinzumachen und nach oben zu buckeln. Dieser Mensch hat es aufgegeben, sich mit Normen und Vorstellungen zu identifizieren, die nicht dem eigenen Wesen entsprechen. Er muss seine menschlichen Grenzen und Schwächen nicht verschleiern, er kann sich für Fehler entschuldigen und sich zu dem bekennen, was er fühlt und braucht, anstatt an einer vermeintlich perfekten Fassade festzuhalten, von der er sich Bestätigung erhofft.
Er widersteht den Schattenseiten unserer Kultur: dem Leistungswahn und dem Selbstoptimierungszwang, der viele in den Burnout treibt. Stattdessen nimmt er sich Zeit für Muße, Zeit zum Verweilen, Zeit zur Regeneration von Körper, Geist und Seele, Zeit zu leben und Zeit zu lieben. In einer globalen Welt, in der die meisten schnell von einem Ort zum nächsten hetzen und in der Heimatlosigkeit zu Hause sind, beschäftigt er sich mit seinen Wurzeln, seiner Biografie und findet Heimat in sich selbst.
Der Mensch, der angefangen hat, sich selbst zu lieben, vermag sich zwischen Empathie und Selbstempathie und kritischer und selbstkritischer Auseinandersetzung konstruktiv hin- und herzubewegen. Er begegnet anderen auf Augenhöhe, lässt sich emotional berühren und wirkt warmherzig. Er kann das Optimum aus sich und seinem Partner herauslieben und vom Gegner zum Entwicklungshelfer werden. Wir alle tragen diese Möglichkeiten in uns. Warum ergreifen wir sie nicht?
Sabine Groth ist Seminarleiterin, Paartherapeutin und Autorin. Sie bietet Paargruppen, Jahrestrainings und Seminare für Frauen zum Thema „Weiblichkeit“, Einzeltherapie, Paartherapie und -beratung an. Infos unter www.sabine-groth.com
Veranstaltungshinweis: Paartraining: 7. November 2020, Info und Kontakt unter: www.sabine-groth.com
Altern in Würde - Wie wichtig die ältere Generation für die Gesellschaft ist ... von Christian Salvesen
Das Altwerden erleben sehr viele Menschen als eine individuelle Krise. Auch gesellschaftlich wird es zu einem Problem, dass es bei uns zu viele alte und zu wenig junge Menschen gibt. Aber das Alter bietet auch ungeahnte Chancen.
Als Teenager dachte ich ziemlich entsetzt, wie ich mich wohl fühlen werde, wenn ich so alt wie meine Großeltern bin. Es schien mir unvorstellbar. Nun bin ich tatsächlich über 60 Jahre alt. Und es kommt mir vor, als sei ich wie immer. Eigentlich fühle ich mich sogar besser als früher – wenn ich da an all die aus heutiger Sicht lächerlich erscheinenden Dramen und Gefühlsaufwallungen denke. Als Senior genieße ich die Ermäßigung der Bahncard und darüber hinaus eine gewisse Altersgelassenheit. Letztere habe ich mir allerdings wohl nicht nur durch die bloße Anzahl der Jahre verdient, sondern auch durch ein jahrzehntelanges Bemühen um spirituelle Erkenntnis. Der Begriff der Altersweisheit deutet andererseits daraufhin, dass wir durchaus von selbst – allein aufgrund unserer Lebenserfahrung – im Laufe der Zeit abgeklärter werden, auch ohne besondere Meditationspraxis. Wissenschaftler nennen das Gerotranszendenz (von Gero griechisch = Greis).
Doch bevor ich darauf eingehe, möchte ich noch mal nachfragen: Alter oder alt sein – wie soll man das überhaupt definieren? Ab wann bin ich alt? Was sind die eindeutigen Merkmale? Und bestehen da nicht auch graduelle Unterschiede zwischen einem Jungsenior wie mir und einem über 90-Jährigen, der nicht mehr gehen kann, keine Zähne mehr hat und an Demenz leidet? Mir kommt immer wieder der Unterschied zwischen der äußeren Erscheinung, das heißt dem Bild eines älteren oder alten Menschen, und dem inneren Kern oder Grundgefühl in den Sinn. Selbst wenn ich mich im Spiegel sehe, kommt mir das Gesicht nicht so alt vor, wie es anderen, sehr viel jüngeren Menschen erscheinen mag. Was, wenn ich in deren Treffpunkten auftauchen und kumpelhaft Hallo sagen würde? Ihre Reaktion würde mir wohl deutlich zeigen, wie alt ich bin, auch wenn ich mich nicht so fühle.
Einige Herausforderungen
Zum Thema Alter gibt es mehr aktuelle Fragen und Probleme, als hier angesprochen werden können. Zum Beispiel die Altersarmut. Eine Überschrift im Magazin „Der Spiegel“ lautete einmal: „45 Jahre gearbeitet – 140 Euro Rente!“ Millionen von Menschen über 70 können bereits heute nicht von ihrer Rente leben, und es werden in den nächsten Jahren weitere Millionen dazukommen.
Ein weites Feld ist das Thema Gesundheit/Krankheit und Alter. Es hat sich eine Anti-Aging-Medizin etabliert, es gibt viele und gute Angebote für Senioren, sich fit zu halten. Doch zugleich sorgt die medizinische Versorgung von immer mehr immer älter werdenden Menschen für eine Kostenspirale, die unser Gesundheitssystem kaum noch verkraftet. Schreckgespenster wie Alzheimer gehen um und fordern nicht nur die Fachkräfte, sondern auch und gerade die Verwandten und das gesamte soziale Umfeld dazu heraus, mehr Inspiration, Kraft und Mitgefühl einzubringen. Alte müssen sich gegenseitig mehr unterstützen. Die Jüngeren – ohnehin schon in der Pflicht, durch ihre Steuern die Älteren zu unterstützen – sind auch menschlich aufgerufen, ihre Verwandten nicht im Altersheim alleinzulassen.
Ich möchte im Folgenden kurz einzelne Aspekte beleuchten, wie Menschen dem Alter positive Seiten abgewinnen können, von der Altersweisheit über die Generativität bis hin zu Aufrufen und Angeboten des Bundesministeriums für Familie.
Gerotranszendenz
Mit diesem Begriff soll eine Veränderung der Lebensperspektive und Werte im Alter beschrieben werden: Von einer eher materialistisch und rationalistisch geprägten Weltsicht zu einer mehr „kosmischen und transzendentalen Welt- und Lebensperspektive“. Lars Tornstam, einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, sieht damit gewisse Merkmale verbunden – wie eine weniger selbstzentrierte und stärker spirituelle Ausrichtung. Es findet ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben statt, der aber durchaus positiv zu bewerten ist im Sinne einer Selbstbesinnung und inneren Stärke. Ältere Menschen entscheiden sich demnach sehr bewusst und gezielt, ob, wann und wie sie sich sozial einsetzen wollen.
Werteverschiebung
Aus Intensivgesprächen mit 50 schwedischen Frauen im Alter zwischen 52 bis 97 Jahren geht laut Tornstam eine Werteverschiebung in drei Bereichen hervor:
Kosmische Transzendenz: Mann/Frau befasst sich verstärkt mit früheren Generationen, sieht Leben und Tod gelassener und ist empfänglicher für die mysteriösen Seiten des Lebens. Die Zeit wird anders erlebt, die Grenzen zwischen Früher und Jetzt verschwimmen, es wird (anscheinend) eine Kommunikation mit abwesenden oder verstorbenen Verwandten oder Freunden möglich.
Neu-Definition des Selbst: bisher verheimlichte oder verdrängte positive wie negative Seiten des Ichwerden akzeptiert, insgesamt gibt es weniger Ich-Zentriertheit. Wiederentdeckung der Kindheit und des inneren Kinds, zum Beispiel im Kontakt mit Enkelkindern.
Soziale Neuorientierung: Oberflächliche soziale Beziehungen werden aufgegeben, andere intensiviert. Die Dualität von richtig/falsch wird oft lustvoll „transzendiert“, ebenso unsinnige soziale Normen und Rollengefüge. Das geht einher mit dem Bedürfnis, für sich zu sein und sich auf zeitlose Werte zu besinnen.
Mit dieser Theorie der Gerotranszendenz wird der häufig negativ bewertete Rückzug älterer Menschen in ein neues positives Licht gestellt. Fitness und Aktivität sind nicht das Allheilmittel und erfahren hier als Korrektiv eine Art Gegenmodell. Allerdings gibt es eine weitere wichtige Komponente, die ihre eigene Bedeutung und Dynamik hat, nämlich die sogenannte Generativität.
Generativität
Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Eric H. Erikson prägte diesen Begriff, um eine bestimmte Qualität des Lebensabschnitts zwischen 30 und 50 Jahren zu markieren. In dieser Zeit geht es vor allem darum, die eigenen Energien und Fähigkeiten für die kommende Generation einzusetzen. Eltern und Lehrer erziehen und lehren die Kinder. Fürsorglichkeit verhindert die Stagnation im Selbst. In neuerer Zeit wenden Gerontologen diesen Begriff auch auf ältere Menschen ab 60 Jahren an, denn sie sind erst recht „generativ“, voller Erfahrung und Wissen, das sie weitergeben können und möchten. Margret M. Baltes und Frieder R. Lang schreiben: „Im Begriff der Generativität kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass ältere Menschen sich in ihren sozialen Beziehungen als weise erweisen, kooperativ, kontaktfähig und ihren Sozialpartnern zugewandt." Nach Ansicht von Erhard Olbrich umfasst Generativität des höheren Lebensalters dabei auch Prozesse der Verlustverarbeitung: „Spätestens jetzt geht es darum, zu erkennen, dass wir nicht ständig schöner, stärker oder sonst wie besser werden."
Im Modell von Lang und Baltes sind drei Arten von Generativität herausgearbeitet: a) die Schaffung von überdauernden Werten, b) die Wahrung kultureller Identität und c) Selbstbescheidung und Selbstverantwortlichkeit, um die Belastung anderer (jüngerer) Menschen zu minimieren.
In seinem Vortrag: „Gerotranszendenz und Generativität im höheren Lebensalter – neue Konzepte für alte Fragen“, fasst François Höpflinger zusammen:
„Geistig-seelische Erfahrungen und Entwicklungen sind für ein geglücktes Leben ebenso wichtig wie äußerlich sichtbare Aktivitäten. Gerotranszendenz und symbolische Generativität des höheren Lebensalters können zentrale Gegenmodelle gegenüber einem hyperaktiven Altern darstellen. Die Gefahr sowohl aktivitätsorientierter Altersmodelle wie aber auch der 'Anti-Aging'-Bewegung liegt darin, dass jugend- und leistungsorientierte Normen auch das hohe Lebensalter durchdringen, wodurch auch das hohe Lebensalter allmählich 'harten' Leistungszwängen unterworfen wird.
Die 'späte Freiheit' der Menschen in der nachberuflichen Lebensphase kann damit gefährdet sein, bevor sie überhaupt richtig aufblühte.“ (Quelle: www.alter-nativen.ch)
Die Acht Tore zur Weisheit
„Unglücklicherweise nimmt unsere Kultur die Sichtweise ein, die zweite Lebenshälfte bringe nur Niedergang, Krankheit, Verzweiflung und Tod. Wir brauchen uns nur die schockierende Tatsache klarzumachen, dass Amerika unter älteren Menschen weltweit die höchste Selbstmordrate hat, um zu erkennen, dass sich die Dinge ändern müssen.“ So schreibt die Kulturanthropologin Dr. Angeles Arrien in ihrem Buch „Acht Tore zur Weisheit“ und folgert: „Wir können nicht weiterhin auf die Weisheit verzichten, die künftigen Generationen unwiderruflich verloren geht, wenn unsere Ältesten an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden und aus unserem Blickfeld geraten.“
Die Acht Tore sind:
Das Silberne Tor: Neuen Erfahrungen und dem Unbekannten entgegen.
Als Teenager dachte ich ziemlich entsetzt, wie ich mich wohl fühlen werde, wenn ich so alt wie meine Großeltern bin. Es schien mir unvorstellbar. Nun bin ich tatsächlich über 60 Jahre alt. Und es kommt mir vor, als sei ich wie immer. Eigentlich fühle ich mich sogar besser als früher – wenn ich da an all die aus heutiger Sicht lächerlich erscheinenden Dramen und Gefühlsaufwallungen denke. Als Senior genieße ich die Ermäßigung der Bahncard und darüber hinaus eine gewisse Altersgelassenheit. Letztere habe ich mir allerdings wohl nicht nur durch die bloße Anzahl der Jahre verdient, sondern auch durch ein jahrzehntelanges Bemühen um spirituelle Erkenntnis. Der Begriff der Altersweisheit deutet andererseits daraufhin, dass wir durchaus von selbst – allein aufgrund unserer Lebenserfahrung – im Laufe der Zeit abgeklärter werden, auch ohne besondere Meditationspraxis. Wissenschaftler nennen das Gerotranszendenz (von Gero griechisch = Greis).
Doch bevor ich darauf eingehe, möchte ich noch mal nachfragen: Alter oder alt sein – wie soll man das überhaupt definieren? Ab wann bin ich alt? Was sind die eindeutigen Merkmale? Und bestehen da nicht auch graduelle Unterschiede zwischen einem Jungsenior wie mir und einem über 90-Jährigen, der nicht mehr gehen kann, keine Zähne mehr hat und an Demenz leidet? Mir kommt immer wieder der Unterschied zwischen der äußeren Erscheinung, das heißt dem Bild eines älteren oder alten Menschen, und dem inneren Kern oder Grundgefühl in den Sinn. Selbst wenn ich mich im Spiegel sehe, kommt mir das Gesicht nicht so alt vor, wie es anderen, sehr viel jüngeren Menschen erscheinen mag. Was, wenn ich in deren Treffpunkten auftauchen und kumpelhaft Hallo sagen würde? Ihre Reaktion würde mir wohl deutlich zeigen, wie alt ich bin, auch wenn ich mich nicht so fühle.
Einige Herausforderungen
Zum Thema Alter gibt es mehr aktuelle Fragen und Probleme, als hier angesprochen werden können. Zum Beispiel die Altersarmut. Eine Überschrift im Magazin „Der Spiegel“ lautete einmal: „45 Jahre gearbeitet – 140 Euro Rente!“ Millionen von Menschen über 70 können bereits heute nicht von ihrer Rente leben, und es werden in den nächsten Jahren weitere Millionen dazukommen.
Ein weites Feld ist das Thema Gesundheit/Krankheit und Alter. Es hat sich eine Anti-Aging-Medizin etabliert, es gibt viele und gute Angebote für Senioren, sich fit zu halten. Doch zugleich sorgt die medizinische Versorgung von immer mehr immer älter werdenden Menschen für eine Kostenspirale, die unser Gesundheitssystem kaum noch verkraftet. Schreckgespenster wie Alzheimer gehen um und fordern nicht nur die Fachkräfte, sondern auch und gerade die Verwandten und das gesamte soziale Umfeld dazu heraus, mehr Inspiration, Kraft und Mitgefühl einzubringen. Alte müssen sich gegenseitig mehr unterstützen. Die Jüngeren – ohnehin schon in der Pflicht, durch ihre Steuern die Älteren zu unterstützen – sind auch menschlich aufgerufen, ihre Verwandten nicht im Altersheim alleinzulassen.
Ich möchte im Folgenden kurz einzelne Aspekte beleuchten, wie Menschen dem Alter positive Seiten abgewinnen können, von der Altersweisheit über die Generativität bis hin zu Aufrufen und Angeboten des Bundesministeriums für Familie.
Gerotranszendenz
Mit diesem Begriff soll eine Veränderung der Lebensperspektive und Werte im Alter beschrieben werden: Von einer eher materialistisch und rationalistisch geprägten Weltsicht zu einer mehr „kosmischen und transzendentalen Welt- und Lebensperspektive“. Lars Tornstam, einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, sieht damit gewisse Merkmale verbunden – wie eine weniger selbstzentrierte und stärker spirituelle Ausrichtung. Es findet ein Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben statt, der aber durchaus positiv zu bewerten ist im Sinne einer Selbstbesinnung und inneren Stärke. Ältere Menschen entscheiden sich demnach sehr bewusst und gezielt, ob, wann und wie sie sich sozial einsetzen wollen.
Werteverschiebung
Aus Intensivgesprächen mit 50 schwedischen Frauen im Alter zwischen 52 bis 97 Jahren geht laut Tornstam eine Werteverschiebung in drei Bereichen hervor:
Kosmische Transzendenz: Mann/Frau befasst sich verstärkt mit früheren Generationen, sieht Leben und Tod gelassener und ist empfänglicher für die mysteriösen Seiten des Lebens. Die Zeit wird anders erlebt, die Grenzen zwischen Früher und Jetzt verschwimmen, es wird (anscheinend) eine Kommunikation mit abwesenden oder verstorbenen Verwandten oder Freunden möglich.
Neu-Definition des Selbst: bisher verheimlichte oder verdrängte positive wie negative Seiten des Ichwerden akzeptiert, insgesamt gibt es weniger Ich-Zentriertheit. Wiederentdeckung der Kindheit und des inneren Kinds, zum Beispiel im Kontakt mit Enkelkindern.
Soziale Neuorientierung: Oberflächliche soziale Beziehungen werden aufgegeben, andere intensiviert. Die Dualität von richtig/falsch wird oft lustvoll „transzendiert“, ebenso unsinnige soziale Normen und Rollengefüge. Das geht einher mit dem Bedürfnis, für sich zu sein und sich auf zeitlose Werte zu besinnen.
Mit dieser Theorie der Gerotranszendenz wird der häufig negativ bewertete Rückzug älterer Menschen in ein neues positives Licht gestellt. Fitness und Aktivität sind nicht das Allheilmittel und erfahren hier als Korrektiv eine Art Gegenmodell. Allerdings gibt es eine weitere wichtige Komponente, die ihre eigene Bedeutung und Dynamik hat, nämlich die sogenannte Generativität.
Generativität
Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Eric H. Erikson prägte diesen Begriff, um eine bestimmte Qualität des Lebensabschnitts zwischen 30 und 50 Jahren zu markieren. In dieser Zeit geht es vor allem darum, die eigenen Energien und Fähigkeiten für die kommende Generation einzusetzen. Eltern und Lehrer erziehen und lehren die Kinder. Fürsorglichkeit verhindert die Stagnation im Selbst. In neuerer Zeit wenden Gerontologen diesen Begriff auch auf ältere Menschen ab 60 Jahren an, denn sie sind erst recht „generativ“, voller Erfahrung und Wissen, das sie weitergeben können und möchten. Margret M. Baltes und Frieder R. Lang schreiben: „Im Begriff der Generativität kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass ältere Menschen sich in ihren sozialen Beziehungen als weise erweisen, kooperativ, kontaktfähig und ihren Sozialpartnern zugewandt." Nach Ansicht von Erhard Olbrich umfasst Generativität des höheren Lebensalters dabei auch Prozesse der Verlustverarbeitung: „Spätestens jetzt geht es darum, zu erkennen, dass wir nicht ständig schöner, stärker oder sonst wie besser werden."
Im Modell von Lang und Baltes sind drei Arten von Generativität herausgearbeitet: a) die Schaffung von überdauernden Werten, b) die Wahrung kultureller Identität und c) Selbstbescheidung und Selbstverantwortlichkeit, um die Belastung anderer (jüngerer) Menschen zu minimieren.
In seinem Vortrag: „Gerotranszendenz und Generativität im höheren Lebensalter – neue Konzepte für alte Fragen“, fasst François Höpflinger zusammen:
„Geistig-seelische Erfahrungen und Entwicklungen sind für ein geglücktes Leben ebenso wichtig wie äußerlich sichtbare Aktivitäten. Gerotranszendenz und symbolische Generativität des höheren Lebensalters können zentrale Gegenmodelle gegenüber einem hyperaktiven Altern darstellen. Die Gefahr sowohl aktivitätsorientierter Altersmodelle wie aber auch der 'Anti-Aging'-Bewegung liegt darin, dass jugend- und leistungsorientierte Normen auch das hohe Lebensalter durchdringen, wodurch auch das hohe Lebensalter allmählich 'harten' Leistungszwängen unterworfen wird.
Die 'späte Freiheit' der Menschen in der nachberuflichen Lebensphase kann damit gefährdet sein, bevor sie überhaupt richtig aufblühte.“ (Quelle: www.alter-nativen.ch)
Die Acht Tore zur Weisheit
„Unglücklicherweise nimmt unsere Kultur die Sichtweise ein, die zweite Lebenshälfte bringe nur Niedergang, Krankheit, Verzweiflung und Tod. Wir brauchen uns nur die schockierende Tatsache klarzumachen, dass Amerika unter älteren Menschen weltweit die höchste Selbstmordrate hat, um zu erkennen, dass sich die Dinge ändern müssen.“ So schreibt die Kulturanthropologin Dr. Angeles Arrien in ihrem Buch „Acht Tore zur Weisheit“ und folgert: „Wir können nicht weiterhin auf die Weisheit verzichten, die künftigen Generationen unwiderruflich verloren geht, wenn unsere Ältesten an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden und aus unserem Blickfeld geraten.“
Die Acht Tore sind:
Das Silberne Tor: Neuen Erfahrungen und dem Unbekannten entgegen.
Das Tor der Weißen Pfähle: Identitäten verändern, sein wahres Gesicht entdecken.
Das Tönerne Tor: Intimität, Sinnlichkeit und Sexualität.
Das Schwarz-Weiße Tor: Beziehungen – der Schmelztiegel von Liebe, Großzügigkeit, Enttäuschung und Vergeben.
Das Bauerntor: Kreativität, Dienen und Fruchtbarkeit.
Das Knochentor: Authentizität, Charakter und Weisheit.
Das Natürliche Tor: Die Gegenwart von Gnade – Glück, Erfüllung und Frieden.
Das Goldene Tor: Nichtanhaften, Hingabe und Loslassen.
Prof. Arrien ist überzeugt: „Die zweite Hälfte des Lebens bietet uns die Chance, verstärkt Tiefe, Integrität und Persönlichkeit zu entwickeln.“
Christian Salvesen (geboren 1951) Magister der Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaften, arbeitet als freier Journalist, Redakteur und Ghostwriter. Er ist Autor etlicher Bücher und Rundfunksendungen, ist Künstler und Komponist. Homepage: www.Christian-Salvesen.de
Prof. Arrien ist überzeugt: „Die zweite Hälfte des Lebens bietet uns die Chance, verstärkt Tiefe, Integrität und Persönlichkeit zu entwickeln.“
Christian Salvesen (geboren 1951) Magister der Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaften, arbeitet als freier Journalist, Redakteur und Ghostwriter. Er ist Autor etlicher Bücher und Rundfunksendungen, ist Künstler und Komponist. Homepage: www.Christian-Salvesen.de
Die Hoffnung stirbt zuletzt - Hilfe durch Spiritualität in schwerer Krankheit ... von Peter Maier
Zitat RKI: „Nach einer neuen Schätzung des Robert Koch-Instituts wurden 2016 in Deutschland rund 492.000 Krebserkrankungen diagnostiziert. Etwa die Hälfte der bösartigen Tumoren betrafen Brustdrüse (68.900), Prostata (58.800), Dickdarm (58.300) und Lunge (57.500). „Erfreulicherweise beobachten wir für viele Krebsarten eher rückläufige Erkrankungsraten, aber trotzdem steigt die Gesamtzahl der Krebserkrankungen aufgrund der Alterung der Gesellschaft“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Daher wird für das Jahr 2020 eine Zunahme der neudiagnostizierten Krebserkrankungen auf rund 510.000 Erkrankungsfälle prognostiziert.“ KGS-Recherche auf den Onlineseiten des RKI v. 11.4.2020 und 5.5.2020 - Quelle: www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2019/16_2019.html
Peter Maier:
Krebs ist die Geißel unserer Zeit. In unserer Gesellschaft gibt es eine zweifache Einstellung dazu: Einerseits hoffen alle, selbst nie mit einer Krebserkrankung konfrontiert zu werden. Man verdrängt diese Thematik also. Wird jedoch etwa bei einer Untersuchung Krebs diagnostiziert, gerät man sofort in eine bis dahin unvorstellbare, kollektiv aufgeladene Angst oder gar Panik. Diese Angst ist sehr verständlich und wohl auch berechtigt. Den ca. 500.000 an Krebs neu Erkrankten im Jahr stehen in Deutschland etwa 250.000 Krebstote gegenüber. Jeder zweite Krebspatient muss daher letztlich mit dem Tode rechnen, auch wenn die Todeswahrscheinlichkeit mit jeder Krebsart sehr variiert. Das ist die ungeschminkte Wahrheit.
Bei Krebs ist die Schulmedizin oft machtlos
Dies ist erstaunlich, da doch die Schulmedizin gerade bei Krebserkrankungen mit ihren härtesten Waffen schießt: mit sehr eindringlichen Operationen, mit starken Körper und Gemüt verändernden Hormongaben, mit Bestrahlungen, bisweilen in hohen Dosen, und mit Chemotherapie. Dies geschieht alles, um die als „böse“ eingestuften Krebs-Wucher-Zellen zu töten und somit möglichst jeden Krebsherd im Körper zu vernichten. In vielen Fällen sind all diese einschneidenden Maßnahmen dennoch vergeblich. Die Todesrate beträgt etwa 50 Prozent.
Kritiker dieser rein technisch-mechanistisch und chemisch ausgerichteten Schulmedizin, die nur die Symptome behandelt, nie aber wirklich nach den eigentlichen Ursachen der Krebserkrankung fragt, meinen, dass die hohe Zahl von Krebstoten teilweise gerade dieser brutalen Art von Medizin und „Heilbehandlung“ geschuldet ist. Denn die Patienten werden irreversibel verstümmelt (durch Operationen), verbrannt (durch die Bestrahlungen) und vergiftet (durch die Chemotherapien); das Immunsystem wird zudem massiv geschwächt (durch alle diese Maßnahmen). Dabei bräuchte man zu einer wirklichen Selbstheilung des Körpers und zu einer grundlegenden Gesundung gerade ein starkes und widerstandsfähiges Abwehrsystem.
Viele Menschen vertrauen unserer Schulmedizin noch immer blind, die vorgibt, als einzige Instanz wirklich helfen zu können und das einzige Heilsystem zu sein, das ausschließlich mit wissenschaftlich anerkannten und damit auch von den Krankenkassen akzeptierten Methoden arbeitet.
Technische Geräte, vor allem bildgebende Verfahren wie zum Beispiel die Magnetresonanztherapie (MRT) oder die Computertomographie (CT) und Biopsien mit anschließender pathologischer Untersuchung stehen dabei in der Diagnosefindung im Mittelpunkt. Auch Operationen werden heute immer aufwendiger und technisch versierter durchgeführt. So hält etwa bei Prostata-Operationen in immer mehr Krankenhäusern die sogenannte „Da-Vinci-Methode“ Einzug: eine den Körper schonende Operation mit Hilfe eines Roboters.
Trotz all dieser sicher weit gediehenen technischen Verfahren sterben weiterhin viele Menschen an Krebs. Auch wenn dies die erfolgsorientierte Schulmedizin nie eingestehen will, muss man feststellen: Sie ist beim Thema Krebs letztlich machtlos. So viele Menschen, die unserer vorherrschenden (Schul-)Medizin vertraut haben, erliegen schließlich doch dem Krebs. Außerdem haben viele Patienten durch die schulmedizinischen Eingriffe und Behandlungen mit bleibenden Körperschäden und Problemen zu kämpfen, die die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Als Beispiele seien nur Inkontinenz und Impotenz bei vielen Männern nach einer Prostata-Operation genannt.
Wer oder was kann helfen?
Vor diesem Hintergrund wird manchem Patient womöglich zum ersten Mal bewusst, auf welch dünnem Eis er sich gerade bei einer Krebserkrankung bewegt. Denn hier kommt das Vertrauen in die Schulmedizin – in die Ärzteschaft im Allgemeinen und in die Onkologen im Besonderen – an seine harten Grenzen. Bei Krebs versagen die „Götter in Weiß“ mit all ihrem technischen Know-how so oft. Nun wäre es gut, wenn die Betroffenen noch eine andere – höhere – Instanz hätten, an die sie sich mit ihren Sorgen und Nöten und in ihrer (Todes-)Angst, Panik und Verzweiflung wenden könnten. Denn auch der Partner oder die Partnerin sind in der Regel völlig überfordert und können eine solche Instanz kaum sein, wenn es um Leben und Tod geht.
Für manche Patienten ist eine solche Instanz Gott, das Göttliche, eine höhere Macht, das Universum oder wie dieses „Höhere“ auch immer genannt wird. Manche bringen einen solchen Glauben und ein damit verbundenes Vertrauen schon in ihre Erkrankung mit und erfahren dadurch eine innere Stärkung, im besten Fall sogar eine Beruhigung ihres durch Diagnose und Operation aufgewühltes Gemüt. Andere finden erst in der Krankheit neu oder zum ersten Mal zu einem Glauben an eine höhere Macht, der sie all ihre Sorgen, Ängste und ihre Nöte anvertrauen können. Der Satz „Not lehrt Beten“ hat angesichts der hohen Krebs-Todesrate wohl seine tiefe Berechtigung. So erging es auch einem meiner besten Freunde – Martin, 65 Jahre alt (Name geändert). Sein Schicksal hat mich sehr berührt, sein tiefer Glaube auch ...
Der „Fall“ Martin
Nach vielen Jahren entschied sich Martin Anfang März 2019, bei seinem Hausarzt wieder eine Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Beim Bluttest ergab sich ein etwas erhöhter PSA-Wert, dem in der Urologie bevorzugten Marker, um über einen möglichen Prostatakrebs Auskunft zu bekommen.
Der Arzt riet ihm daher, bei Gelegenheit einen Urologen zur näheren Abklärung dieses Wertes aufzusuchen, was Martin gleich nach Ostern auch machte.
Nach einem kurzen Betasten des Intimbereichs sagte der erfahrene Urologe zu Martin: „Ihre Prostata ist nicht in Harmonie. In ihrer rechten Hälfte ist eine Verhärtung festzustellen.“ Noch dachte sich Martin nichts dabei.
Mit einer Überweisung in der Hand ging es bereits drei Tage später in die Radiologie für eine MRT. Der die Untersuchung begleitende Arzt stellte aufgrund der Bilder einen Knoten im rechten Prostata-Bereich fest und gab diesem die Kategorie „maligne, Stufe 4“. Ein Blick zu Hause in Wikipedia irritierte Martin zum ersten Mal etwas: „Maligne“ bedeutet bösartig, „Stufe 4“ bei Prostata zeigt eine Krebs-Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent an.
Der Urologe empfahl Martin daher sofort, zur genaueren Abklärung eine Biopsie zu machen, die einige Tage später bereits durchgeführt wurde. Das Laborergebnis war für Martin dann niederschmetternd: Krebs, nicht nur im bereits diagnostizierten Knoten, sondern weit darüber hinaus. Die ganze Prostata war bereits von Krebszellen befallen. Der Urologe empfahl Martin, sich ganz schnell operieren zu lassen, um einer möglichen Streuung von Krebszellen über die Lymphbahnen in Organe oder Knochen noch zuvorkommen zu können.
Diese Diagnose haute Martin um, die Mitteilung des Urologen war wie ein heftiger Schlag in die Magengrube. Nun endlich erreichte es Gemüt und Verstand, dass er Krebs hatte, Martin konnte diese Tatsache nicht mehr verdrängen. Schlagartig ergriff ihn jetzt die bereits erwähnte „kollektive Angst“, die in unserer Gesellschaft herrscht aufgrund der hohen Todesrate bei Krebs und der furchtbaren, körper-schädigenden schulmedizinischen Maßnahmen dagegen. Die Themen „Todesgefahr“ und „Körperverstümmelung im Intimbereich“ überschwemmten das Gemüt von Martin unkontrolliert, die bisher von ihm stets verdrängten Informationen zum Krebs überfluteten ihn nun heftig emotional: mit Angst, Panik, Angst ...
Was sollte er tun? Wo gab es Hilfe? An wen konnte er sich in seiner Not, die er vorübergehend als Todesnot erlebte, wenden? Der Urologe versuchte ihn zu beruhigen – ohne Erfolg. In gut drei Wochen sollte die Krebsoperation sein. Unmittelbar nach Verlassen der Arztpraxis setzte bei Martin ein inneres Greifen, ja ein Hilfeschrei nach dem Göttlichen ein, denn Martin ist gläubig und hat seit seiner Kindheit ein enges Vertrauensverhältnis zu Gott. Er fühlt sich einerseits in der Tradition bayrisch-katholischer Volksfrömmigkeit zu Hause, hat im Laufe seines Lebens aber zugleich eine ganz eigene spirituelle Haltung entwickelt. Das kam ihm jetzt zu Hilfe.
Heilige Mutter Maria – hilf!
Martin wusste jetzt, was er zu tun hatte. In der Nähe seines Wohnortes liegt ein kleiner Marien-Wallfahrtsort auf einem Berg: Maria Beinberg bei Schrobenhausen im westlichen Oberbayern. Die Kirche zeichnet sich durch ein großes, den ganzen Altarraum füllendes, eher naiv erscheinendes Mutter-Gottes-Bild aus. Maria hält das Jesuskind auf dem Arm, um sie herum ist ein wundervoller goldgelber Mantel gehüllt, der Rest des Bildes ist in beruhigende blaue Farbe getaucht, verziert mit vielen goldenen Ornamenten. Das Gesicht der Madonna strahlt Frieden, sowie eine fast unendlich wirkende Güte und Mitgefühl aus. Schon bei früheren Besuchen der Kirche spürte Martin, wie ihn dieses Madonnenbild magisch anzog.
Nun aber wurde die kleine, stille Kirche, in die sich während der Werktage nur selten einzelne Pilger verirren, zu einem Zufluchtsort für Martin. An einem der nächsten Nachmittage fuhr er ganz allein zu „seiner“ Göttlichen Mutter in Maria Beinberg, setzte sich in eine der vorderen Kirchenbänke und blickte das Altarbild zunächst still an. Doch dann brach es aus ihm heraus: Er klagte der Göttlichen Mutter, die er jetzt in dem Marienbild sah, all seine Verzweiflung, seine momentane innere Not und seine Ängste. Maria in dem Bild war für ihn ein Ort, an dem er in direktem Kontakt mit dem Göttlichen kommen konnte, ja die Madonna war nun der weibliche Aspekt des Göttlichen selbst für ihn, der man all seine Nöte hingeben konnte. Nach etwa einer Stunde bekam Martin immer mehr den Eindruck, dass ihn Maria verstand und ihm bei allem, was kommen würde, beistehen wollte. Er spürte ein tiefes Vertrauen zur Göttlichen Mutter in sich einströmen. Dann gab er bei ihr ganz offiziell folgende drei Bitten auf:
„Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade und den Segen, dass die Operation erfolgreich und gut verläuft.
Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade einer umfassenden Heilung aller inneren und äußeren Wunden nach der Operation.
Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade, dass der Krebs vollkommen verschwindet und dass ich komplett frei von allen Krebszellen werde. Danke, Amen!“
Martin empfand seine Bitten als ganz „realistisch“. Denn die beiden Seitenwände der Kirche von Maria Beinberg hängen von unten bis oben voll mit Votivtafeln, auf denen die Probleme der Gläubigen bildlich „geschildert“ werden. Darunter steht meist einer der beiden Sätze „Maria, bitte hilf!“ oder „Maria hat geholfen!“. Um seinen drei Bitten mehr Gewicht zu geben, schrieb sie Martin in das am Altar aufliegende „Pilger-Buch“; außerdem zündete er am Lichterbaum vor der Kirche drei Kerzen an und „besprach“ jede Kerze mit einer seiner Bitten. Innerlich viel ruhiger und gefestigter verließ Martin nach etwa zwei Stunden diesen spirituellen Ort, der schon von so vielen anderen Menschen energetisch aufgeladen war, weil sie hier seit mehreren Jahrhunderten inbrünstig flehten oder ebenso inbrünstig Danke sagten.
Glaube kann Berge versetzen
Nun kann man natürlich fragen: Ist das alles nur Budenzauber, Volksverdummung oder reine Autosuggestion, was ein Martin oder viele andere Menschen erleben, die sich in ihrer Not in ähnlicher Weise an Maria, an Gott, das Göttliche, die universelle Kraft oder an einen Heiligen wenden? Meine erste Antwort darauf ist: Wenn diese Glaubenshingabe hilft, tiefes Vertrauen zu erfahren, ist sie immer richtig. Denn Vertrauen muss man haben, wenn man solch heftige Ereignisse wie eine Krebsdiagnose auch nur irgendwie verarbeiten oder eine bevorstehende Operation durchstehen will, ohne größeren seelischen Schaden zu nehmen. Vertraue kann auch auf den Körper wirken.
Sodann sollte man das Bibelwort Jesu ernst nehmen, dass „Glaube Berge versetzen kann“. Sicher hat Jesus diesen Ausspruch im übertragenen Sinn gemeint. Er wollte damit aber zum Ausdruck bringen, dass dem, der unerschütterlich glaubt, alles möglich ist im Leben. Kann man also mit einem solch tiefen Glauben in Gott auch von einer Krebserkrankung geheilt werden – egal ob mit oder ohne die üblichen schulmedizinischen Maßnahmen? Ja, davon bin ich überzeugt. Denn Glauben bedeutet Vertrauen. Wenn jemand sich in seiner Not ganz Gott übergibt und ihn um Führung und Heilung bittet, dann erreicht dieses Vertrauen als wichtige emotionale Information auch sofort die Körperebene und kann dort den Schalter zur Gesundung umlegen – in jeder einzelnen Zelle, gerade auch in den Krebszellen. Wir Menschen sind eben ein untrennbares Einheitswesen aus Körper, Geist und Seele. Womöglich würden mir jetzt viele Schulmediziner, vor allem Urologen und Onkologen, widersprechen. Dass diese meine Ansicht aber nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, bestätigt u. a. auch die Ärztin Dr. Kelly A. Turner in ihrem aufsehenerregenden Buch „9 Wege in ein krebsfreies Leben. Wahre Geschichten von geheilten Menschen“, von dem ich zum Schluss berichten will.
Gelebte Spiritualität beeinflusst die Heilung positiv
Dr. Kelly A. Turner ist US-amerikanische Forscherin, Dozentin und Beraterin auf dem Gebiet der Integrativen Krebsforschung. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Radikalremission bei Krebs. Über 20 Jahre hinweg hat sie die Krebspatienten ausfindig gemacht und dann über lange Zeiträume begleitet, die eine sogenannte „Spontanremission“ erlebt haben, also eine aus Sicht der Schulmedizin angeblich sehr selten auftretende, unerklärliche Heilung. Frau Turner hat über 100 solche Patienten ausführlich interviewt. Sie wollte herausfinden, was diese gemacht haben, um schließlich vom Krebs geheilt zu werden.
Bei keinem der Patienten erfolgte die Heilung von selbst, wie die Schulmedizin Glauben machen möchte. Die an Krebs Erkrankten haben vielmehr alle ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um wieder gesund zu werden. Daher spricht Dr. Turner auch von „Radikalremission“. Insgesamt konnte sie bei ihren Interviewpartnern 75 verschiedene heilsame Faktoren eruieren. Davon traten neun Faktoren bei allen Patienten in gleicher oder ähnlicher Weise auf (Daher auch der Titel „9 Wege in ein krebsfreies Leben“). Die von ihr gefundenen Faktoren lauten wie folgt:
Die Ernährung radikal umstellen; die Kontrolle über die Gesundheit übernehmen; der eigenen Intuition folgen; Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel nehmen; unterdrückte Emotionen loslassen; positive Emotionen verstärken; soziale Unterstützung zulassen; starke Gründe für das Leben haben.
Der letzte Faktor lautet: „Die spirituelle Verbindung vertiefen“. Eine spirituelle Rückbindung der Patienten kann also einen entscheidenden Einfluss bei der Heilung von Krankheiten im Allgemeinen und von Krebs im Besonderen haben. Frau Turner führt in diesem Zusammenhang u. a. mehrere wissenschaftliche Untersuchungen an, die sich mit der gesundheitsfördernden Wirkung von Meditation auf den Körper von Patienten befassen. Und Meditation ist eine spirituelle Übung in allen großen Religionen.
Es existieren Studien, die den direkten Effekt von Meditation auf das Immunsystem untersucht haben. Das Ergebnis einer Untersuchung war, dass die Zahl der produzierten Virus-Antikörper ansteigt, je mehr man meditiert ... Bei einer anderen Studie zum Immunsystem konnte nachgewiesen werden, dass Meditation die Telomeraseaktivität in bestimmten Immunzellen erheblich steigert ... was in Anbetracht der Bekämpfung einer Krebserkrankung äußerst förderlich sein kann.
Und wie ging es mit Martin weiter? Die erste Bitte (erfolgreiche Operation) wurde bereits erfüllt. Die zweite Bitte (Gnade einer umfassenden Heilung) ereignet sich für ihn gerade. Dieser körperliche Heilungsprozess der Operationswunden, die wohl ein ganzes Jahr dauern wird, gibt Martin die Kraft, auch der dritten Bitte an die Göttliche Mutter zu vertrauen: der vollkommenen Heilung vom Krebs. Für Martin ist daher seine tiefe Verbindung mit dem Göttlichen wesentliche Grundlage seiner Heilung. Zumindest für ihn kann Glaube tatsächlich Berge versetzen ...
Peter Maier ist Lehrer für Physik und Spiritualität, Autor. Infos auf www.initiation-erwachsenwerden.de
Literatur des Autors im Verlag Epubli Berlin:
„Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band I: Übergangsrituale“, ISBN 978-3-86991-404-6
„Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band II: Heldenreisen.“, ISBN 978-3-86991-409-1
„Schule – Quo Vadis? Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“, ISBN: 978-3-95645-659-6
Bei Krebs ist die Schulmedizin oft machtlos
Dies ist erstaunlich, da doch die Schulmedizin gerade bei Krebserkrankungen mit ihren härtesten Waffen schießt: mit sehr eindringlichen Operationen, mit starken Körper und Gemüt verändernden Hormongaben, mit Bestrahlungen, bisweilen in hohen Dosen, und mit Chemotherapie. Dies geschieht alles, um die als „böse“ eingestuften Krebs-Wucher-Zellen zu töten und somit möglichst jeden Krebsherd im Körper zu vernichten. In vielen Fällen sind all diese einschneidenden Maßnahmen dennoch vergeblich. Die Todesrate beträgt etwa 50 Prozent.
Kritiker dieser rein technisch-mechanistisch und chemisch ausgerichteten Schulmedizin, die nur die Symptome behandelt, nie aber wirklich nach den eigentlichen Ursachen der Krebserkrankung fragt, meinen, dass die hohe Zahl von Krebstoten teilweise gerade dieser brutalen Art von Medizin und „Heilbehandlung“ geschuldet ist. Denn die Patienten werden irreversibel verstümmelt (durch Operationen), verbrannt (durch die Bestrahlungen) und vergiftet (durch die Chemotherapien); das Immunsystem wird zudem massiv geschwächt (durch alle diese Maßnahmen). Dabei bräuchte man zu einer wirklichen Selbstheilung des Körpers und zu einer grundlegenden Gesundung gerade ein starkes und widerstandsfähiges Abwehrsystem.
Viele Menschen vertrauen unserer Schulmedizin noch immer blind, die vorgibt, als einzige Instanz wirklich helfen zu können und das einzige Heilsystem zu sein, das ausschließlich mit wissenschaftlich anerkannten und damit auch von den Krankenkassen akzeptierten Methoden arbeitet.
Technische Geräte, vor allem bildgebende Verfahren wie zum Beispiel die Magnetresonanztherapie (MRT) oder die Computertomographie (CT) und Biopsien mit anschließender pathologischer Untersuchung stehen dabei in der Diagnosefindung im Mittelpunkt. Auch Operationen werden heute immer aufwendiger und technisch versierter durchgeführt. So hält etwa bei Prostata-Operationen in immer mehr Krankenhäusern die sogenannte „Da-Vinci-Methode“ Einzug: eine den Körper schonende Operation mit Hilfe eines Roboters.
Trotz all dieser sicher weit gediehenen technischen Verfahren sterben weiterhin viele Menschen an Krebs. Auch wenn dies die erfolgsorientierte Schulmedizin nie eingestehen will, muss man feststellen: Sie ist beim Thema Krebs letztlich machtlos. So viele Menschen, die unserer vorherrschenden (Schul-)Medizin vertraut haben, erliegen schließlich doch dem Krebs. Außerdem haben viele Patienten durch die schulmedizinischen Eingriffe und Behandlungen mit bleibenden Körperschäden und Problemen zu kämpfen, die die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Als Beispiele seien nur Inkontinenz und Impotenz bei vielen Männern nach einer Prostata-Operation genannt.
Wer oder was kann helfen?
Vor diesem Hintergrund wird manchem Patient womöglich zum ersten Mal bewusst, auf welch dünnem Eis er sich gerade bei einer Krebserkrankung bewegt. Denn hier kommt das Vertrauen in die Schulmedizin – in die Ärzteschaft im Allgemeinen und in die Onkologen im Besonderen – an seine harten Grenzen. Bei Krebs versagen die „Götter in Weiß“ mit all ihrem technischen Know-how so oft. Nun wäre es gut, wenn die Betroffenen noch eine andere – höhere – Instanz hätten, an die sie sich mit ihren Sorgen und Nöten und in ihrer (Todes-)Angst, Panik und Verzweiflung wenden könnten. Denn auch der Partner oder die Partnerin sind in der Regel völlig überfordert und können eine solche Instanz kaum sein, wenn es um Leben und Tod geht.
Für manche Patienten ist eine solche Instanz Gott, das Göttliche, eine höhere Macht, das Universum oder wie dieses „Höhere“ auch immer genannt wird. Manche bringen einen solchen Glauben und ein damit verbundenes Vertrauen schon in ihre Erkrankung mit und erfahren dadurch eine innere Stärkung, im besten Fall sogar eine Beruhigung ihres durch Diagnose und Operation aufgewühltes Gemüt. Andere finden erst in der Krankheit neu oder zum ersten Mal zu einem Glauben an eine höhere Macht, der sie all ihre Sorgen, Ängste und ihre Nöte anvertrauen können. Der Satz „Not lehrt Beten“ hat angesichts der hohen Krebs-Todesrate wohl seine tiefe Berechtigung. So erging es auch einem meiner besten Freunde – Martin, 65 Jahre alt (Name geändert). Sein Schicksal hat mich sehr berührt, sein tiefer Glaube auch ...
Der „Fall“ Martin
Nach vielen Jahren entschied sich Martin Anfang März 2019, bei seinem Hausarzt wieder eine Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Beim Bluttest ergab sich ein etwas erhöhter PSA-Wert, dem in der Urologie bevorzugten Marker, um über einen möglichen Prostatakrebs Auskunft zu bekommen.
Der Arzt riet ihm daher, bei Gelegenheit einen Urologen zur näheren Abklärung dieses Wertes aufzusuchen, was Martin gleich nach Ostern auch machte.
Nach einem kurzen Betasten des Intimbereichs sagte der erfahrene Urologe zu Martin: „Ihre Prostata ist nicht in Harmonie. In ihrer rechten Hälfte ist eine Verhärtung festzustellen.“ Noch dachte sich Martin nichts dabei.
Mit einer Überweisung in der Hand ging es bereits drei Tage später in die Radiologie für eine MRT. Der die Untersuchung begleitende Arzt stellte aufgrund der Bilder einen Knoten im rechten Prostata-Bereich fest und gab diesem die Kategorie „maligne, Stufe 4“. Ein Blick zu Hause in Wikipedia irritierte Martin zum ersten Mal etwas: „Maligne“ bedeutet bösartig, „Stufe 4“ bei Prostata zeigt eine Krebs-Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent an.
Der Urologe empfahl Martin daher sofort, zur genaueren Abklärung eine Biopsie zu machen, die einige Tage später bereits durchgeführt wurde. Das Laborergebnis war für Martin dann niederschmetternd: Krebs, nicht nur im bereits diagnostizierten Knoten, sondern weit darüber hinaus. Die ganze Prostata war bereits von Krebszellen befallen. Der Urologe empfahl Martin, sich ganz schnell operieren zu lassen, um einer möglichen Streuung von Krebszellen über die Lymphbahnen in Organe oder Knochen noch zuvorkommen zu können.
Diese Diagnose haute Martin um, die Mitteilung des Urologen war wie ein heftiger Schlag in die Magengrube. Nun endlich erreichte es Gemüt und Verstand, dass er Krebs hatte, Martin konnte diese Tatsache nicht mehr verdrängen. Schlagartig ergriff ihn jetzt die bereits erwähnte „kollektive Angst“, die in unserer Gesellschaft herrscht aufgrund der hohen Todesrate bei Krebs und der furchtbaren, körper-schädigenden schulmedizinischen Maßnahmen dagegen. Die Themen „Todesgefahr“ und „Körperverstümmelung im Intimbereich“ überschwemmten das Gemüt von Martin unkontrolliert, die bisher von ihm stets verdrängten Informationen zum Krebs überfluteten ihn nun heftig emotional: mit Angst, Panik, Angst ...
Was sollte er tun? Wo gab es Hilfe? An wen konnte er sich in seiner Not, die er vorübergehend als Todesnot erlebte, wenden? Der Urologe versuchte ihn zu beruhigen – ohne Erfolg. In gut drei Wochen sollte die Krebsoperation sein. Unmittelbar nach Verlassen der Arztpraxis setzte bei Martin ein inneres Greifen, ja ein Hilfeschrei nach dem Göttlichen ein, denn Martin ist gläubig und hat seit seiner Kindheit ein enges Vertrauensverhältnis zu Gott. Er fühlt sich einerseits in der Tradition bayrisch-katholischer Volksfrömmigkeit zu Hause, hat im Laufe seines Lebens aber zugleich eine ganz eigene spirituelle Haltung entwickelt. Das kam ihm jetzt zu Hilfe.
Heilige Mutter Maria – hilf!
Martin wusste jetzt, was er zu tun hatte. In der Nähe seines Wohnortes liegt ein kleiner Marien-Wallfahrtsort auf einem Berg: Maria Beinberg bei Schrobenhausen im westlichen Oberbayern. Die Kirche zeichnet sich durch ein großes, den ganzen Altarraum füllendes, eher naiv erscheinendes Mutter-Gottes-Bild aus. Maria hält das Jesuskind auf dem Arm, um sie herum ist ein wundervoller goldgelber Mantel gehüllt, der Rest des Bildes ist in beruhigende blaue Farbe getaucht, verziert mit vielen goldenen Ornamenten. Das Gesicht der Madonna strahlt Frieden, sowie eine fast unendlich wirkende Güte und Mitgefühl aus. Schon bei früheren Besuchen der Kirche spürte Martin, wie ihn dieses Madonnenbild magisch anzog.
Nun aber wurde die kleine, stille Kirche, in die sich während der Werktage nur selten einzelne Pilger verirren, zu einem Zufluchtsort für Martin. An einem der nächsten Nachmittage fuhr er ganz allein zu „seiner“ Göttlichen Mutter in Maria Beinberg, setzte sich in eine der vorderen Kirchenbänke und blickte das Altarbild zunächst still an. Doch dann brach es aus ihm heraus: Er klagte der Göttlichen Mutter, die er jetzt in dem Marienbild sah, all seine Verzweiflung, seine momentane innere Not und seine Ängste. Maria in dem Bild war für ihn ein Ort, an dem er in direktem Kontakt mit dem Göttlichen kommen konnte, ja die Madonna war nun der weibliche Aspekt des Göttlichen selbst für ihn, der man all seine Nöte hingeben konnte. Nach etwa einer Stunde bekam Martin immer mehr den Eindruck, dass ihn Maria verstand und ihm bei allem, was kommen würde, beistehen wollte. Er spürte ein tiefes Vertrauen zur Göttlichen Mutter in sich einströmen. Dann gab er bei ihr ganz offiziell folgende drei Bitten auf:
„Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade und den Segen, dass die Operation erfolgreich und gut verläuft.
Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade einer umfassenden Heilung aller inneren und äußeren Wunden nach der Operation.
Göttliche Mutter, bitte schenke mir die Gnade, dass der Krebs vollkommen verschwindet und dass ich komplett frei von allen Krebszellen werde. Danke, Amen!“
Martin empfand seine Bitten als ganz „realistisch“. Denn die beiden Seitenwände der Kirche von Maria Beinberg hängen von unten bis oben voll mit Votivtafeln, auf denen die Probleme der Gläubigen bildlich „geschildert“ werden. Darunter steht meist einer der beiden Sätze „Maria, bitte hilf!“ oder „Maria hat geholfen!“. Um seinen drei Bitten mehr Gewicht zu geben, schrieb sie Martin in das am Altar aufliegende „Pilger-Buch“; außerdem zündete er am Lichterbaum vor der Kirche drei Kerzen an und „besprach“ jede Kerze mit einer seiner Bitten. Innerlich viel ruhiger und gefestigter verließ Martin nach etwa zwei Stunden diesen spirituellen Ort, der schon von so vielen anderen Menschen energetisch aufgeladen war, weil sie hier seit mehreren Jahrhunderten inbrünstig flehten oder ebenso inbrünstig Danke sagten.
Glaube kann Berge versetzen
Nun kann man natürlich fragen: Ist das alles nur Budenzauber, Volksverdummung oder reine Autosuggestion, was ein Martin oder viele andere Menschen erleben, die sich in ihrer Not in ähnlicher Weise an Maria, an Gott, das Göttliche, die universelle Kraft oder an einen Heiligen wenden? Meine erste Antwort darauf ist: Wenn diese Glaubenshingabe hilft, tiefes Vertrauen zu erfahren, ist sie immer richtig. Denn Vertrauen muss man haben, wenn man solch heftige Ereignisse wie eine Krebsdiagnose auch nur irgendwie verarbeiten oder eine bevorstehende Operation durchstehen will, ohne größeren seelischen Schaden zu nehmen. Vertraue kann auch auf den Körper wirken.
Sodann sollte man das Bibelwort Jesu ernst nehmen, dass „Glaube Berge versetzen kann“. Sicher hat Jesus diesen Ausspruch im übertragenen Sinn gemeint. Er wollte damit aber zum Ausdruck bringen, dass dem, der unerschütterlich glaubt, alles möglich ist im Leben. Kann man also mit einem solch tiefen Glauben in Gott auch von einer Krebserkrankung geheilt werden – egal ob mit oder ohne die üblichen schulmedizinischen Maßnahmen? Ja, davon bin ich überzeugt. Denn Glauben bedeutet Vertrauen. Wenn jemand sich in seiner Not ganz Gott übergibt und ihn um Führung und Heilung bittet, dann erreicht dieses Vertrauen als wichtige emotionale Information auch sofort die Körperebene und kann dort den Schalter zur Gesundung umlegen – in jeder einzelnen Zelle, gerade auch in den Krebszellen. Wir Menschen sind eben ein untrennbares Einheitswesen aus Körper, Geist und Seele. Womöglich würden mir jetzt viele Schulmediziner, vor allem Urologen und Onkologen, widersprechen. Dass diese meine Ansicht aber nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, bestätigt u. a. auch die Ärztin Dr. Kelly A. Turner in ihrem aufsehenerregenden Buch „9 Wege in ein krebsfreies Leben. Wahre Geschichten von geheilten Menschen“, von dem ich zum Schluss berichten will.
Gelebte Spiritualität beeinflusst die Heilung positiv
Dr. Kelly A. Turner ist US-amerikanische Forscherin, Dozentin und Beraterin auf dem Gebiet der Integrativen Krebsforschung. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Radikalremission bei Krebs. Über 20 Jahre hinweg hat sie die Krebspatienten ausfindig gemacht und dann über lange Zeiträume begleitet, die eine sogenannte „Spontanremission“ erlebt haben, also eine aus Sicht der Schulmedizin angeblich sehr selten auftretende, unerklärliche Heilung. Frau Turner hat über 100 solche Patienten ausführlich interviewt. Sie wollte herausfinden, was diese gemacht haben, um schließlich vom Krebs geheilt zu werden.
Bei keinem der Patienten erfolgte die Heilung von selbst, wie die Schulmedizin Glauben machen möchte. Die an Krebs Erkrankten haben vielmehr alle ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um wieder gesund zu werden. Daher spricht Dr. Turner auch von „Radikalremission“. Insgesamt konnte sie bei ihren Interviewpartnern 75 verschiedene heilsame Faktoren eruieren. Davon traten neun Faktoren bei allen Patienten in gleicher oder ähnlicher Weise auf (Daher auch der Titel „9 Wege in ein krebsfreies Leben“). Die von ihr gefundenen Faktoren lauten wie folgt:
Die Ernährung radikal umstellen; die Kontrolle über die Gesundheit übernehmen; der eigenen Intuition folgen; Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel nehmen; unterdrückte Emotionen loslassen; positive Emotionen verstärken; soziale Unterstützung zulassen; starke Gründe für das Leben haben.
Der letzte Faktor lautet: „Die spirituelle Verbindung vertiefen“. Eine spirituelle Rückbindung der Patienten kann also einen entscheidenden Einfluss bei der Heilung von Krankheiten im Allgemeinen und von Krebs im Besonderen haben. Frau Turner führt in diesem Zusammenhang u. a. mehrere wissenschaftliche Untersuchungen an, die sich mit der gesundheitsfördernden Wirkung von Meditation auf den Körper von Patienten befassen. Und Meditation ist eine spirituelle Übung in allen großen Religionen.
Es existieren Studien, die den direkten Effekt von Meditation auf das Immunsystem untersucht haben. Das Ergebnis einer Untersuchung war, dass die Zahl der produzierten Virus-Antikörper ansteigt, je mehr man meditiert ... Bei einer anderen Studie zum Immunsystem konnte nachgewiesen werden, dass Meditation die Telomeraseaktivität in bestimmten Immunzellen erheblich steigert ... was in Anbetracht der Bekämpfung einer Krebserkrankung äußerst förderlich sein kann.
Und wie ging es mit Martin weiter? Die erste Bitte (erfolgreiche Operation) wurde bereits erfüllt. Die zweite Bitte (Gnade einer umfassenden Heilung) ereignet sich für ihn gerade. Dieser körperliche Heilungsprozess der Operationswunden, die wohl ein ganzes Jahr dauern wird, gibt Martin die Kraft, auch der dritten Bitte an die Göttliche Mutter zu vertrauen: der vollkommenen Heilung vom Krebs. Für Martin ist daher seine tiefe Verbindung mit dem Göttlichen wesentliche Grundlage seiner Heilung. Zumindest für ihn kann Glaube tatsächlich Berge versetzen ...
Peter Maier ist Lehrer für Physik und Spiritualität, Autor. Infos auf www.initiation-erwachsenwerden.de
Literatur des Autors im Verlag Epubli Berlin:
„Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band I: Übergangsrituale“, ISBN 978-3-86991-404-6
„Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band II: Heldenreisen.“, ISBN 978-3-86991-409-1
„Schule – Quo Vadis? Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“, ISBN: 978-3-95645-659-6
Sepia – die Tinte des Tintenfisches ... von Anreas Krüger
Beitragsreihe/Interview über wichtige homöopathische Heilmittel
H. Schäfer: Was ist unser heutiges Thema?
Andreas Krüger: Heute
möchte ich über das homöopathische Mittel Sepia sprechen und über einen
Aspekt, der mir immer deutlicher wird, weil er eine Dimension von Trauma
auftut, die meines Erachtens bisher zu wenig betrachtet wurde. Sepia
ist das Hauptmittel für die Verletzung der Würde, der Ehre, für die
Verletzung unserer körperlichen Integrität und Autonomie und damit ist
es das wichtigste Mittel für die Folgen von Missbrauch und Schändungen
in allen Arten und Intensitäten. Es gibt ja bei diesem Thema keine Skala
von „ein bisschen bis ganz viel“, sondern das Erlebnis von
Würdeverletzung ist etwas sehr individuelles. Das kann von einem Blick
oder einem Wort bis zu tagelangem Einschließen variieren und jedes
Erlebnis ist gleich bedeutend und gleich ernst zu nehmen. Ich durfte in
meiner Praxis schon vielen Menschen helfen – hauptsächlich Frauen, aber
auch Männern – dieses Trauma des Missbrauchs und damit der
Würdeverletzung so weit zu desensibilisieren, dass für sie wieder
liebevolle Beziehungen, Zärtlichkeit und sexuelle Nähe überhaupt möglich
wurden. Begleitend zu Sepia waren es auch Aufstellungen und
schamanische Interventionen wie Entsetzungen, manchmal auch
Traumatherapie nach Peter Levine. Im Grunde waren es oft viele Elemente,
die zusammenkamen, um wirklich hilfreich zu sein. Haben Sie einen konkreten Fall als Beispiel, bei dem Sepia nicht offensichtlich das Mittel der Wahl war?
Zu
mir kamen immer wieder Menschen, um über ihre Probleme mit Nähe und
Sexualität oder über ihre Ängste und Ekel vor männlicher Gewalt zu
sprechen und mich um Hilfe baten, aber ich fand trotz intensiver
Forschung keine Anhaltspunkte, wo dieses Trauma ihren Ursprung hatte.
Hellhörig bin ich geworden, als ich mit einer Frau sprach, die in einer
liebevollen Beziehung lebte, in der aber für sie keinerlei Sexualität
möglich war, weil der Anblick ihres unbekleideten Mannes in ihr
unerklärliche Ängste bis hin zu Ekel weckte. Die Mittel, die ich ihr
gab, bewirkten keine Besserung und dann empfahl ich ihr doch Sepia. Und
an dem Abend, an dem sie das Mittel nahm, rief ihre Mutter an und sagte:
„Kind, ich habe nie davon gesprochen, aber heute habe ich das Gefühl,
ich muss es dir sagen: Ich bin als Kind über Jahre von meinem Onkel
missbraucht worden, immer mit der Drohung, wenn ich es jemandem erzählen
würde, täte er das auch meinem kleinen Bruder an. Deshalb habe ich das
mit großer Verzweiflung und großem Selbstekel über mich ergehen lassen.
Ich weiß nicht, warum, aber heute musste ich dir das erzählen.“ Auf
einmal war klar, dass sie die Last der Mutter trug – wie wir es ja aus
Aufstellungen kennen – und ich habe ihr noch einmal Sepia gegeben und
ihr noch zu einer Aufstellung mit ihrer Mutter geraten, um ihr alles
zurückzugeben. Wir haben auch schamanisch gearbeitet und ich durfte das Wunder erleben, dass diese Frau ein halbes Jahr später zu mir kam und sagte: „Lieber Andreas, ich führe zum ersten Mal in meinem Leben eine angstfreie, eine ekelfreie und sogar eine lustvolle Liebesbeziehung.“ Später kam die Mutter zu mir, die ja nachvollziehbar keine lustvolle Sinnlichkeit erlebt hatte und als ich sie mit Sepia behandelte, verlor sie ihre Myome und Polypen und hat im zarten Alter von 75 Jahren eine liebevolle und zärtliche Liebesbeziehung mit einem Mitbewohner ihrer Altersresidenz begonnen. Als ich mit der Mutter arbeitete, kam heraus, dass in der Linie der Mutter alle Frauen schweren Missbrauch erlebt hatten. Das hat sich energetisch bis zu dem Leben der Tochter fortgepflanzt, obwohl in ihrem eigenen Leben nie etwas Derartiges passiert war.
Ich weiß, dass es solche systemischen Phänomene gibt, aber …
…
es ist unvorstellbar, dass eine Tochter, eine Mutter, eine Großmutter
und eine Urgroßmutter immer mit 30 Jahren einen Tumor des
Gebärmuttermundes entwickelt haben, um sich mit dem Leiden zu
solidarisieren und ihren Ahnen zu folgen. Hellinger beschreibt in einem
seiner Bücher die Geschichte eines jungen Mannes, in deren Krankenakte
er las, dass sich die Männer in seiner Linie immer mit 28 Jahren
suizidiert haben und an dem Tag, an dem er in der Akte las, bemerkte er,
dass der Mann heute seinen 28. Geburtstag hatte. Daraufhin setzte er
sich ins Auto, fuhr zu dem Mann hin und … die Pistole lag schon auf dem
Tisch. Er konnte verhindern, dass dieser Mann seinen männlichen
Verwandten in den Suizid folgte. Was kann man als Einzelner machen?
Wenn
wir den Sepiagedanken noch einmal aufgreifen, dass wir in einer
Gesellschaft leben, wo seit 5.000 Jahren oder seit Einführung des
Patriarchats Vergewaltigung gesellschaftlich toleriert wird – es ist
noch nicht lange her, dass Vergewaltigung in der Ehe überhaupt strafbar
war, und es gibt andere Länder, wo Frauen von ihren Familien verstoßen
werden, wenn sie Gewalt thematisieren – dann wird deutlich, dass selbst,
wenn wir selber nichts Traumatisches erlebt haben, trotzdem Probleme
bestehen, die in unser Leben hineinwirken und unser Leben bestimmen.
Darum möchte ich alle Menschen, die diesen Artikel lesen, ermutigen,
solche systemischen Zusammenhänge eventuell untersuchen zu lassen. Haben Sie auch persönlich mit dem Thema Missbrauch zu tun gehabt?
Ich
bin als junger Mensch mit 28 Jahren in meiner Praxis sehr stark mit dem
Thema Missbrauch konfrontiert worden – wobei mir das selbst noch nie
passiert ist und ich auch nicht in diesem Sinne gehandelt habe – und
trotzdem kam von Anfang an das Thema Missbrauch in meine Praxis. Am
Anfang habe ich versucht, mit der Homöopathie zu helfen, aber irgendwann
war ich überfordert mit all dem Leid! In diesem Zustand habe ich von meinem Homöopathen „Sepia“ bekommen. Und dann hatte ich einen Traum: Ich träumte, dass drei Tanten von mir in diesen Raum kamen mit einem Kind, das furchtbar zugerichtet war, legten es hier auf das Bett, sagten: „Kümmere dich darum“ und dann gingen sie wieder. Ich stand vor diesem Kind, war völlig überfordert und wusste nicht, was ich tun sollte. Als ich aufwachte, rief ich meine Mutter an und fragte, ob sie etwas darüber wüsste. Meine Mutter find an zu weinen und sagte, dass es ein Geheimnis in der Familie sei: „Auf der Flucht waren alle diese drei Tanten mit deiner Großmutter von der roten Armee eingeholt und drei Tage in Scheunen gesteckt worden. Die an Typhus erkrankte Großmutter haben sie mit den Kindern in eine andere Scheune gesteckt. Die Tanten sind zum Glück nicht erschossen worden, sondern lebend aus der Scheune herausgekommen und konnten weiterziehen, haben aber nie darüber geredet. Alle drei sind später mit Ende 50 Jahren an Krebs gestorben.
Für mich war dann klar, dass ich einen systemischen Auftrag hatte, mich darum zu kümmern. In einer Aufstellung habe ich dann gesagt, dass ich es gerne für sie gemacht habe, aber dass ich das nicht ewig machen kann, und habe ihnen einen Großteil des Auftrags zurückgegeben.
Fazit?
Wenn
es systemische Übertragungen gibt, lasst systemisch testen, welche
Methoden es gibt, aus diesen Teufelskreisen auszusteigen, und denkt
immer an Sepia, eines der größten Mittel, auch wenn man selbst nie
persönlich betroffen war.Andreas Krüger ist Heilpraktiker, Schulleiter und Dozent an der
Samuel-Hahnemann-Schule in Berlin für Prozessorientierte Homöopathie,
Leibarbeit, Ikonographie & schamanische Heilkunst. Mehr über ihn
unter: andreaskruegerberlin.de
Buchtipp:
Heiler und Heiler werden
Andreas Krüger / Haidrun Schäfer
Klappenbroschur, 144 Seiten
ISBN 978-3-922389-99-6, EUR 14,80
edition herzschlag im Simon+Leutner Verlag
Andreas Krüger / Haidrun Schäfer
Klappenbroschur, 144 Seiten
ISBN 978-3-922389-99-6, EUR 14,80
edition herzschlag im Simon+Leutner Verlag
Mit Mut und ätherischen Ölen durch Veränderungen ... von Christina Weber
Eine Krisensituation stellt viele vor große Herausforderungen und Ängste. Die Zukunft ist ungewiss. Das ist sie immer. Aber meistens haben wir das Gefühl, alles im Griff zu haben. In Ausnahmesituationen kann aber ein solchens Sicherheitsgefühl abhanden gekommen. Die bewährten Strategien, Ablenkung oder Kopf in den Sand stecken, funktionieren nicht mehr. Veränderung ist angesagt. Ich glaube, den meisten Menschen ist das klar. Nur wie gehe ich Veränderungen an, wenn ich vor Angst und Mutlosigkeit nicht klar denken kann?
Die Aromatherapie mit besonderen ätherischen Ölen kann einen wertvollen Beitrag leisten, den Körper wieder in die innere ausgeglichene Balance zu bringen.
Thymian (Thymus vulgaris Chemotyp Linalool) ist ein wunderbarer Mutmacher, er lässt die Gedanken zur Ruhe kommen, so dass die innere Kraft spürbar wird. Zuversicht kehrt zurück und damit auch der Mut, notwendige Veränderungen (im Innern oder im Außen) anzugehen.
Eine weitere heilende Essenz ware Petitgrain (Citrus aurantium var. amara), der Duft der Blätter des Bitterorangenbaums. Wie eine frische Brise weht Petitgrain durch unsere Gedanken, räumt auf und lässt Klarheit zurück. Es lenkt die Konzentration auf unser Innenleben, es zentriert uns. Aus dieser Perspektive kannst du alles mit Abstand betrachten und dich auf Visionssuche begeben. Die beruhigenden und stärkenden Wirkungen auf das Nervensystem geben dir die nötige Gelassenheit.
Desweiteren ist Rosmarin (Rosmarinus officinalis Chemotyp Cineol) ein Unterstützer in Veränderungsprozessen. Es ist ein freundlicher Duft. Er nimmt dich an die Hand, wenn du Angst vor Veränderung hast oder dir die Kraft dafür fehlt. Rosmarin zeigt dir, welche Entscheidungen notwendig sind und erinnert dich an deinen eigenen wahren Weg. Diese heilende Essenz gibt dir Kraft und Entschlossenheit und hilft dir, unrealistische Vorstellungen zu erkennen und loszulassen.
Diese drei ätherischen Öle sind wunderbare Begleiter in unruhigen Zeiten. Man kann sie einzeln oder in einer Mischung verwenden. Eine gute Möglichkeit, diesen Duft immer bei sich zu tragen, ist ein Riechsalz. Hierfür nimmt man eine kleine Dose oder Salbenkruke, füllt etwas Meersalz hinein (bitte kein jodiertes Salz verwenden) und fügt 1 bis 3 Tropfen ätherischen Öls hinzu. Wenn du die Dose öffnest und bewusst den Duft einatmest, spürst du wie sich seine Wirkung entfaltet. Um die Wirkung zu verstärken, kannst du dir eine Affirmation suchen und diese beim Einatmen aufsagen. Viel Erfolg!
Christina Weber ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Kräuterfrau mit „Diploma of Aromatherapy (Sydney, Australian)”. Ätherische Öle begleiten sie nun schon seit fast 20 Jahren. Sie bietet Ausbildungen, Kurse, Workshops, Kräuterwanderungen und Wilde-Kräuter-Kochkurse in Berlin an. Weitere Infos und Kontaktdaten auf www.christinaweber.berlin sowie auf Instagram: aromatherapieberlin oder wilde_kraeuterfee_berlin
Diese drei ätherischen Öle sind wunderbare Begleiter in unruhigen Zeiten. Man kann sie einzeln oder in einer Mischung verwenden. Eine gute Möglichkeit, diesen Duft immer bei sich zu tragen, ist ein Riechsalz. Hierfür nimmt man eine kleine Dose oder Salbenkruke, füllt etwas Meersalz hinein (bitte kein jodiertes Salz verwenden) und fügt 1 bis 3 Tropfen ätherischen Öls hinzu. Wenn du die Dose öffnest und bewusst den Duft einatmest, spürst du wie sich seine Wirkung entfaltet. Um die Wirkung zu verstärken, kannst du dir eine Affirmation suchen und diese beim Einatmen aufsagen. Viel Erfolg!
Christina Weber ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Kräuterfrau mit „Diploma of Aromatherapy (Sydney, Australian)”. Ätherische Öle begleiten sie nun schon seit fast 20 Jahren. Sie bietet Ausbildungen, Kurse, Workshops, Kräuterwanderungen und Wilde-Kräuter-Kochkurse in Berlin an. Weitere Infos und Kontaktdaten auf www.christinaweber.berlin sowie auf Instagram: aromatherapieberlin oder wilde_kraeuterfee_berlin