Artikel aus der Ausgabe 9/10-2023 - KGS Berlin - Körper Geist Seele

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Artikel aus der Ausgabe 9/10-2023

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Ich bin ein Alien ... von Wolf Sugata Schneider


Ich bin das schwarze Schaf, der Außenseiter. Wegen irgendeines Makels, den sie an mir gefunden oder mir angedichtet haben, wollen die braven Schafe der Herde mich nicht dabei haben. Dieses Gefühl kennt wohl jeder. Wahrscheinlich kennt auch jeder den Gegenpol: Ich bin nicht wie die Doofen dort drüben, wie sie da blind in eine Richtung rennen, in ihr Verderben. Ich bin anders, ich rage heraus: I am outstanding. Ich bin was Besonderes. Ihr Schlafschafe, Mitläufer oder sonst wie nützlichen Idioten da drüben habt das nur noch nicht gecheckt.
Genauer besehen, bin ich in der einen Hinsicht ein Ausreißer nach unten, in einer anderen nach oben. Bin ein schwarzes, weißes, pinkes oder buntes Schaf, je nachdem.
Solche Ich-Positionierungen gegenüber "den Anderen" werden vielfach Ego genannt. Das ist das lateinische Wort für Ich. Allerdings wird heutzutage, vor allem in spirituellen Kreisen, diese Art von Ich keineswegs mehr für gut befunden. Ein Ich zu haben oder zu sein, das ist wohl unvermeidlich. Ein Ego zu haben aber, das ist nicht gut. Es hat Ellbogen, mit denen setzt es sich gegenüber anderen durch. Es hat keine oder viel zu wenig Empathie. Das Ego ist ein Irrweg, das weiß doch jede, die mal an Meditation, Yoga oder sonst einer spirituellen Praxis geschnuppert hat! Allerdings, auch das wissen alle, die diesen Weg ein bisschen weiter gegangen sind: Auch das Ego-Bashing, das Verdammen des Ego ist ein Irrweg. Denn es ist immer ein Ego, welches das Ego verdammt. Diese Tür führt also nicht ins Freie.

Wir Menschen mögen Fiktionen
Die soziale Ich-Identität ist eine Fiktion, das ist die zentrale Aussage des Gautama Buddha. Und eine weitere: Der Weg zur Freiheit von Leiden besteht darin, dieses Ich als Fiktion zu erkennen. Wir Menschen mögen jedoch Fiktionen! In den diversen Welten von Ich und Du, Wir und den Anderen leben wir in fiktiven Welten. Wir leben in Wirklichkeiten, die nur bestehen, weil wir uns einander erzählen, dass sie wahr seien und uns darin gegenseitig bestätigen. Dazu gehört auch die Fiktion, dass gewisse Papierscheine Geld bedeuten und als solches einen Tauschwert haben. Bezüglich des Tauschwerts eines Geldscheins - alias den Zahlen eines Kontostands - besteht unter so vielen Menschen Einigkeit, dass wir uns darauf verlassen können, dass wir gegen einen solchen Schein auch tatsächlich etwas eintauschen können. Für andere Erzählungen, die wir uns von uns selbst und der Welt machen, etwa wo ein Land endet und ein anderes beginnt, oder ob dieser Gegenstand mir gehört oder dir, oder wie Gott heißt und was er oder sie von uns Menschen will, gibt es diese Einigkeit nicht. Dann gibt es Konflikte.

Ich und Du
In spirituellen Kreisen wird die Fiktion eines Ich Ego genannt und nicht für gut befunden. Wenn spirituelle Menschen in sich ein Ego entdecken, streben sie danach, es zu überwinden, um zu Liebe, Empathie, Glück und Erleuchtung zu finden bzw. Gott zu gefallen. Leider funktioniert das jedoch nicht so. Wir brauchen das Ich und Du für unsere Liebesbeziehungen. Es ist ja nicht egal, ob ich dich liebe oder irgendwen. Dir ist es nicht egal, und mir auch nicht, ob ich da gemeint bin oder jemand anders. Und doch gibt es eine Liebe hinter der persönlichen Liebe. So wie es hinter den Wolken einen Himmel gibt, der grenzenlos ist und durch keine Wolke getrübt wird. Die irdische Liebe sagt: Du bist einzigartig, dich meine ich, nicht irgendwen! Die himmlische Liebe sagt: Du bist alles! In dir erkenne ich Jesus, Buddha, Gott, die Göttin, Shiva, Shakti … wie auch immer wir diese Stellvertreter für das Ganze nennen wollen. In dir erkenne ich das Ganze. In dir löse ich mich auf. In deiner Einzigartigkeit erkenne ich das Ganze und löse mich auf wie ein Tropfen im Ozean. Oder wie ein Tropfen in einem anderen - das Eintauchen im Ozean holt uns dann schon noch rechtzeitig ein, haha, mit dem Tod. Oder schon vorher, wenn auch das Paar-Ego sich in der Meditation im Ganzen auflöst.

Wege ins Freie
Wie kommen wir nun dahin, dieses himmlische Gefühl der Allverbundenheit zu spüren? Es sogar in dir und mir zu spüren, inmitten unseres Ich und Du? Es gibt viele Wege, die dorthin führen. Meditation, Yoga, Beziehungsarbeit. Im Grunde beanspruchen ja alle spirituellen Wege, dort hinzuführen. Vier solche Wege möchte ich hier nennen, die mir besonders am Herzen liegen. Als Erstes: Sinnlichkeit. Sehen, Hören, Fühlen mit der Haut, Riechen und Schmecken. Über die Sinne in die Gegenwart eintauchen, ganz da sein mit dieser Erfahrung, unmittelbar. Ohne darüber nachzudenken. Einfach den sinnlichen Eindruck spüren. Weiter nichts. Das ist Mystik. Sinnlichkeit ist Mystik. Die Ich/Selbst-Aufstellung von Siegfried Essen. Bei der steht das sich separat und autonom wähnende Ich auf der einen Seite dem allverbundenen Selbst auf der anderen Seite gegenüber. Beide Seiten sind für uns Menschen wichtig und uns vertraut. Sie lassen sich ausbalancieren. Systemische Aufstellungen ganz allgemein, wie sie seit den 90er Jahren üblich sind. Neuerdings werden auch Aufstellungen mit Pferden gemacht, und es zeigen sich dabei Heilerfolge. Erstaunlich? Vielleicht auch nicht, denn bei Pferden ist noch viel mehr als bei uns der Körper das Signal, nicht das Wort. Humor als spiritueller Weg. Das ist seit etwa 15 Jahren für mich unter den Befreiungswegen der Favorit, denn Humor kann mit allem umgehen, mit jeder Situation und jeder Art von "Ich bin"-Sturheit. Humor lockert festgefahrene Ich-Identitäten, ohne sie zu verdammen.

Das schwarze Schaf
Wie findet das schwarze Schaf nun zurück in die Herde? In der Bibel gibt es dazu die Geschichte vom verlorenen - Sohn? Um niemanden auszuschließen, muss diese Geschichte heute politisch korrekt re-interpretiert werden als Geschichte vom verlorenen non-binären, pan-sexuellen Transmenschen. Allen Ernstes? Nein. Mit diesem Spott über den aktuellen Transhype will ich die bisher zu wenig gewürdigten Randgruppen nicht diskreditieren, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass "trans" noch viel weiter und heilsamer verwendbar ist, wenn dieses Präfix auf die Enge jedweder Ich-Identität hinweist, nicht nur auf soziale Zuweisungen von Genderrollen. Zurück zum Schaf, das sich da ein schwarzes Fell angezogen hat. Oder wurde es ihm übergestülpt? Ich glaube, das Schaf kann zum Chamäleon werden, dann kann es mal ein Insider sein, mal ein Outsider und so zum Joker werden. Der ist im Spiel die Trumpfkarte, weil er jede Position einnehmen kann.

Black ist in
Außerdem ist Black in - nicht nur, weil wir alle aus Afrika stammen, auch wenn das bei den meisten von uns lange her ist - sondern weil Schwarz schön ist, in der Kleidung, aber auch als Hautfarbe.

In Seminaren verwende ich für die Erfahrung des Draußen-seins/Drinnen-seins gerne die folgende Übung. Die Gruppe teilt sich in Fünfergruppen auf (notfalls geht es auch mit Vierern). Dann ist da im Wechsel jeweils eine der Fünfergruppen draußen und wird von den Insidern körpersprachlich und per Gibberish (emotionales Brabbeln) als zutiefst falsch, abnorm und daneben dargestellt. Die Insider bekommen so das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Sie haben Recht. Die Gruppe da draußen hingegen ist das schwarze Schaf. Sie hat sich gegen die Norm benommen und muss dafür nun durch Exkommunikation büßen. Sie hingegen hat die Wahl: Sie kann auf ihr Außenseiterdasein stolz sein oder sich dafür schämen. Psychotechnisch ist beides nur eine Sache des Framings; nach innen hin ist es jedoch eine Sache der Selbstliebe und Selbstwertschätzung. Die ist nicht jeder und jedem von uns in die Wiege gelegt ist. Das war die schlechte Nachricht. Nun die gute: Selbstliebe ist erlernbar. Bin ich ein schwarzes Schaf? Meine Antwort darauf: Black ist in!


Wolf Sugata Schneider, Jg. 52., 1985–2015 Hrsg. d. Zeitschrift Connection. Autor v. »Sei dir selbst ein Witz« (2022). www.connection.de | www.bewusstseinserheiterung.info | www.bachelor-of-being.de

Hinweis zum Artikelbild: © Chris - AdobeStock



Das „Schwarze Schaf“ in der Familie – eine (r)evolutionäre Aufgabe ... von Bianka Maria Seidl


In vielen Familien gibt es ein "Schwarzes Schaf" - dasjenige, das außerhalb der harmonischen Norm zu sein scheint. Durch ständige Ausgrenzung und Ablehnung entwickelt es als Kind einen tiefen Mangel, geprägt von dem schmerzhaften Gefühl, nicht erkannt und gesehen zu werden. Oft erhält es wenig Wertschätzung und Liebe und fühlt sich im Schatten der Familie. Dabei sehnt es sich nach Akzeptanz und Zugehörigkeit.

Das "Schwarze Schaf" unterscheidet sich von den anderen Familienmitgliedern. Oft wird es als Außenseiter betrachtet, dabei erfüllt es indirekt eine wichtige evolutionäre Aufgabe innerhalb der Sippe, ist sich dessen aber lange Zeit nicht bewusst. Es bringt seelische Qualitäten mit, die sich erst im Laufe seiner Entwicklung eben durch diese Rolle entwickeln und entfalten. Dies wird ihm später im Leben bewusst, und es erkennt den wertvollen Beitrag, den es geleistet hat. Das "Schwarze Schaf" stellt die Konventionen in Frage und bringt neue Ideen und Sichtweisen mit sich, was Veränderungen im genetischen Erbe der Familie bewirkt. Trotz der großen Herausforderungen hält das Leben eine außergewöhnliche Chance für diese (r)evolutionäre Rolle bereit. In der Lebensmitte kann das "Schwarze Schaf" zu einem erstaunlichen Neuanfang gelangen. Es befreit sich von der Konditionierung seiner Herkunft und entfaltet seine Potenziale. Der Weg zur inneren Fülle und Erfüllung liegt vor ihm.

Die großen Herausforderungen eines "Schwarzen Schafs"
Diese Rolle ist nicht einfach, besonders in jungen Jahren. In der Kindheit und Jugend fühlt sich das "Schwarze Schaf" häufig unverstanden und abgelehnt. Es hat das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und möchte von der Familie akzeptiert werden. Doch stattdessen wird es oft kritisiert, abgelehnt und ausgegrenzt. Die verschiedenen Interessen und Ansichten führen zu Konflikten, die das "Schwarze Schaf" isolieren. Diese Situation kann zu starken emotionalen Belastungen führen, die sich tief ins Unterbewusstsein einprägen.

Ablehnung und Ausgrenzung
Das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, hat tiefgreifende Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden. Je früher sich diese Erfahrungen in einem Kind einprägen, desto tiefer sind sie ins Unterbewusstsein abgedrängt worden. Das Fehlen sozialer Unterstützung verstärkt das Bedrohlichkeitsgefühl und erschwert das Bewältigen der Situation. Auch in modernen Zeiten wirkt das Gefühl der Ausgrenzung so bedrohlich, weil es in unseren evolutionären Instinkten und sozialen Bedürfnissen verankert ist. Es beeinflusst unsere psychische Gesundheit und kann starke negative Emotionen hervorrufen.

Mangel
Das "Schwarze Schaf" entwickelt oft ein tiefes Mangelbewusstsein an Akzeptanz und Anerkennung. Die Ausgrenzung und Ablehnung führen dazu, dass es sich nicht wertgeschätzt und geliebt fühlt. Dieses Gefühl des Mangels kann zu einem geringen Selbstwertgefühl und einem ständigen Streben nach Bestätigung führen. In späteren Jahren kann sich dieses Mangelbewusstsein auf verschiedene Weisen in verschiedensten Lebensbereichen manifestieren.

Verdrängte Potenziale und Talente
Wenn das "Schwarze Schaf" in der Familie das Gefühl hat, nicht akzeptiert und abgelehnt zu werden, beginnt es seine einzigartigen Talente und Fähigkeiten nicht zu achten. Der Druck, sich anzupassen, führt dazu, dass es seine Authentizität zurückhält und versucht, den Erwartungen der Familie zu entsprechen. Dieser innere Konflikt führt dann dazu, dass das Kind seine eigenen Potenziale nicht erkennt und seine Leidenschaften und Interessen unterdrückt. Der Schmerz über die Nichtakzeptanz lastet wie ein dunkler, schwerer Schleier auf dem Kind. Doch im Laufe der Zeit und besonders in der Lebensmitte treten diese verletzten und verdrängten Anteile des "Schwarzen Schafs" immer stärker in Erscheinung. Gefühle der Unzufriedenheit, der Lustlosigkeit und des Energiemangels machen sich bemerkbar und der Schmerz und die Wut über die frühere Ausgrenzung drängen ans Licht und können zu emotionalen Herausforderungen führen. Dies ist eine Chance, bei der der alte Schutzpanzer Risse bekommt und das Leben mit seiner Lebendigkeit wieder spürbar wird.

Die verborgenen seelischen Qualitäten des "Schwarzen Schafs"
Viele Jahre bleiben die seelischen Qualitäten, die das "Schwarze Schaf" in sich trägt, unbemerkt. Oftmals ist es empathisch und sensibel gegenüber den anderen Familienmitgliedern. Es kann sich gut in die Lage der anderen versetzen und ihnen helfen, ihre Probleme besser zu verstehen. Diese Empathie ist ein wertvolles Gut für das Familiengefüge. Darüber hinaus bringt das "Schwarze Schaf" Kreativität und neue Perspektiven in die Familie ein. Es denkt anders und hinterfragt bestehende Strukturen, was die Familie dazu zwingt, aus ihrer Komfortzone herauszutreten und sich weiterzuentwickeln. Dieses Anderssein und Andersdenken beeinflusst das Familiensystem und führt langfristig zu positiven Veränderungen. Die Ausdauer und Resilienz des "Schwarzen Schafs" sind ebenfalls bemerkenswert. Trotz der Herausforderungen, mit denen es konfrontiert wird, bleibt es oft hartnäckig, lässt sich nicht entmutigen und entwickelt im Laufe der Zeit große Stärke. Diese Eigenschaften sind essenziell für das Überwinden von Hindernissen und das Erlangen von persönlichem Wachstum auf lange Sicht.

Neustart in der Lebensmitte - Entdeckung und Entfaltung von schlummernden Potenzialen
In der Krise um die Lebensmitte herum, bietet sich eine wunderbare Chance: die Möglichkeit, die verletzten Anteile zu integrieren, sich mit der Herkunftsfamilie auszusöhnen und die noch schlummernden Potenziale zu entdecken. Es ist eine Zeit der Selbstreflexion und des inneren Wachstums.
Das "Schwarze Schaf" mag in jungen Jahren durch Ablehnung und Ausgrenzung geprägt worden sein, aber letztendlich kann die Erfahrung des "Schwarzen Schafs" in der Familie zu einer wertvollen Lektion und zur seelischen Reife führen. Indem dieser Mensch lernt, dass sein Wert nicht von der Anerkennung oder Ablehnung der Familie abhängt, kann er seine Einzigartigkeit umarmen und die Kraft finden, seine eigenen Träume trotz aller Widrigkeiten zu verwirklichen. Die Herausforderungen, die das Mangelbewusstsein mit sich bringt, bieten ebenfalls eine Gelegenheit für Wachstum und Entwicklung. Indem das "Schwarze Schaf" seine tiefsten Verletzungen und Ängste annimmt, stärkt es seine Selbstakzeptanz und wertschätzt sich selbst. Es lernt, dass seine Einzigartigkeit und Talente wertvoll sind, unabhängig von der Anerkennung und Aufmerksamkeit anderer.
Es erkennt auch die Bedeutung von Selbstliebe und Selbstfürsorge. Es lernt sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, sich um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern und sich nicht mehr von der Meinung anderer abhängig zu machen. Das "Schwarze Schaf" erkennt auf diesem Weg auch, dass wahre Fülle nicht durch äußere Anerkennung und Aufmerksamkeit entsteht, sondern durch das Erkennen und Leben seiner inneren Werte und Talente. Die Herausforderungen des "Schwarzen Schafs" bergen große Chancen für sein persönliches Wachstum und zur Entfaltung eines Lebens, das aus der eigenen inneren Fülle schöpft. Es kann sich von den Fesseln der Vergangenheit befreien und seinen eigenen Weg einschlagen, unabhängig von den Erwartungen der Familie. So wird die Lebensmitte zu einer Zeit des Neustarts und der Neuentdeckung.

Integration und Heilung
Dies ist ein Prozess der Integration und inneren Heilung, der es dem "Schwarzen Schaf" ermöglicht, in der zweiten Lebenshälfte nochmals so richtig durchzustarten und ein erfülltes Leben zu führen. Indem es seine Einzigartigkeit endlich schätzt und seine entwickelten Stärken und Talente lebt, kann es mit zunehmendem Alter und Lebenserfahrung auch den wertvollen Beitrag erkennen, den es für die Wandlung innerhalb seiner Familie und der gesamten Sippe geleistet hat. Die Lektionen des Lebens haben es gelehrt, dass seine Andersartigkeit und Individualität ein Geschenk waren. Die Erfahrungen haben es gestärkt und geformt, sodass es seine einzigartigen Qualitäten zu schätzen lernte. Zugleich steht der gemachte Erfahrungsschatz auch dem ganzen Feld seiner Ahnenreihe für die nächsten sieben Generationen zur Verfügung. Welch ein erfüllender Ausblick.

Das "Schwarze Schaf" in einem größeren Kontext gesehen
Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Es braucht einen weitreichenden und tiefen Blick, um den größeren Kontext zu erkennen, innerhalb dessen sich menschliche Entwicklung auf den drei Ebenen Körper, Geist und Seele individuell und im Kollektiv abspielt. Jedes Familienmitglied hat eine einzigartige Rolle zu erfüllen. Nur durch Akzeptanz und Wertschätzung der individuellen Stärken und Beiträge können eine Familie und die Ahnenreihe der letzten sieben Generationen zu einem lebendigen, harmonischen und friedvollen Organismus werden, der zugleich auch auf das gesamte Kollektiv der Menschheit einwirkt. In diesem Licht gesehen, hat das "Schwarze Schaf" eine evolutionäre Rolle in seinem Sippenverbund. Es ist wie ein Samenkorn, das Unkraut zwischen den vorbestimmten Blumenbeeten säht. Durch seine Andersartigkeit fordert es die Familie dazu auf, über den Tellerrand hinauszublicken, alte Denkmuster zu überdenken und neue Wege zu finden. Es stellt Fragen, die sonst vielleicht nicht gestellt worden wären, und bringt damit das System zum Wachstum. Die vermeintlichen Schwächen des "Schwarzen Schafs" erweisen sich im Laufe der Zeit oft als Stärken. Die Herausforderungen, die es bewältigen muss, entwickeln eine innere Kraft und Widerstandsfähigkeit, die es befähigt, in schwierigen Zeiten standhaft zu bleiben. Die Empathie, die es aufgrund seiner eigenen Erfahrungen entwickelt hat, ermöglicht es ihm, sich in andere hineinzuversetzen und sie zu unterstützen. Die Entfaltung der Potenziale des "Schwarzen Schafs" bringt nicht nur für die individuelle Entwicklung, sondern auch für das Familiensystem und die gesamte Gemeinschaft Vorteile mit sich. Wenn das "Schwarze Schaf" seine Einzigartigkeit annimmt und in die Welt trägt, inspiriert es andere, ebenfalls mutig zu sein und ihre eigenen Wege zu gehen. Seine Authentizität ermutigt andere, sich von gesellschaftlichen Normen zu lösen und nach ihren eigenen Werten zu leben.

Die Dunkelheit als Weg zum Licht
Die Dunkelheit, die das "Schwarze Schaf" in seinen jungen Jahren erlebt hat, wird im Laufe der Zeit zu einem Katalysator für seine Transformation. Die Wunden, die es erlitten hat, können geheilt werden, indem es sich ihnen stellt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Die Narben der Vergangenheit werden zu einem Teil seiner Geschichte, der es geformt und gestärkt hat. Der Weg zur Heilung mag nicht immer einfach sein, aber er führt zu einem tieferen Verständnis von sich selbst und zu einem größeren Mitgefühl für andere. Die Dunkelheit, die das "Schwarze Schaf" erlebt hat, wird schließlich zum Motor für sein inneres Wachstum und seine Selbstverwirklichung. Es wird zur Quelle seiner Stärke und Resilienz, aus der es schöpfen kann, um die Herausforderungen des Lebens zu meistern.


Die (r)evolutionäre Aufgabe des "Schwarzen Schafs"
Das "Schwarze Schaf" in der Familie ist mehr als nur ein Außenseiter oder ein Unruhestifter. Es erfüllt eine (r)evolutionäre Aufgabe, die weit über die Familie hinausreicht. Durch seine Rolle als Fragesteller, Veränderer und Katalysator trägt es dazu bei, das Familiensystem und die gesamte Gemeinschaft zu fördern und voranzutreiben. Die Herausforderungen, die das "Schwarze Schaf" auf seinem Weg durchlebt, sind nicht einfach, aber sie bergen die Chance für tiefgreifende persönliche Entwicklung und inneres Erblühen. Die vermeintlichen Schwächen werden zu Stärken, die Dunkelheit wird zum Weg zum Licht, und die Vergangenheit wird zur Quelle der Weisheit. Die Reise des "Schwarzen Schafs" ist eine Inspiration für uns alle. Sie erinnert uns daran, dass wir nicht nur von unseren Erfolgen und Stärken definiert werden, sondern auch von unseren Herausforderungen und Verletzungen. Indem wir diese annehmen und uns ihnen stellen, können wir uns selbst transformieren und zu einem leuchtenden Beispiel für andere werden. In der Dunkelheit der Ausgrenzung und Ablehnung liegt die Möglichkeit zur Veränderung und zur Entfaltung unserer wahren Potenziale. Das "Schwarze Schaf" zeigt uns, dass wir unser eigenes Licht finden können, selbst wenn es in den dunkelsten Zeiten zu leuchten beginnt. Und so wird die Rolle des "Schwarzen Schafs" zu einer (r)evolutionären Aufgabe, die uns alle dazu inspiriert, unser volles Potenzial auszuschöpfen und unser Leben in tiefer Fülle und Erfüllung zu leben.


Bianka Maria Seidl ist spirituelle Mentorin mit schamanischen Wurzeln, Expertin für Ahnenarbeit, Potenzial und Berufung, Seminarleiterin und Autorin und seit über 30 Jahren als selbstständige Chitektin im Bereich der energetischen Architektur sowie als Dozentin an der IHK, HWK und der TÜV-Akademie Süddeutschland tätig.
Seit 2012 führt sie eine eigene Beratungspraxis im Klosterdorf Windberg, in der sie diverse Mentoring-Programme und auch eine Ausbildung in schamanischer Ahnenarbeit anbietet. Sie hilft Menschen 40+ ihre Wurzeln zu klären und zu stärken und den Weg zu ihrer Berufung frei zu machen – für ein authentisches, freies und selbstbestimmtes Leben und Menschsein. Webseite: www.biankaseidl.de


Hinweis zum Artikelbild: © Bianka Maria Seidl



WalkAway – Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst ... von Peter Maier


Gefährlicher gesellschaftlicher Irrtum
Wie können Jugendliche heute erwachsen werden? Wer kann ihnen dabei helfen? Und was bedeutet es in unserer modernen Gesellschaft überhaupt, erwachsen zu sein? Diese Fragen sind entscheidend, werden aber in unserer Gesellschaft gar nicht gestellt. Fälschlicherweise besteht die Meinung, dass Jugendliche mit ihrem 18. Geburtstag gleichsam über Nacht erwachsen sind. Welch großer Irrtum! Denn dieses Datum markiert nur den rechtlichen Aspekt des Erwachsenseins - die Volljährigkeit. Aber sind unsere Heranwachsenden mit 18 Jahren dann auch psychisch, mental und charakterlich wirklich schon zu selbstverantwortlichen und selbständigen Erwachsenen geworden?
Für einen kleinen Teil von ihnen mag dies zutreffen. Viele von ihnen, die noch lange Ausbildungen oder ein Studium vor sich haben, verdienen noch nicht ihr eigenes Geld. Nicht wenige, besonders junge Männer, wohnen immer noch in der bequemen "Pension Mama", selbst wenn sie schon 30 oder gar 35 Jahre alt geworden sind. Nur den Führerschein oder einen höheren Schulabschluss zu haben, ist noch keine Garantie für ein wirkliches Erwachsensein. Hier besteht in unserer Gesellschaft ein großes Unwissen und zudem ein bizarrer Widerspruch: Niemand sagt unseren jungen Leuten, was das Erwachsensein bedeutet und wie das Erwachsenwerden gehen soll. Beginnen sie aber nach Lehre oder Studium ihren Beruf, erwarten alle, dass sie dann erwachsen sind.
Das Erwachsenwerden geht aber nicht von selbst, es ist vielmehr ein jahrelanger, bisweilen auch gefährlicher Prozess, der die Jugendlichen in den Raum der Erwachsenen führen soll. Alle indigenen Völker wie etwa afrikanische Stämme, die Indianer Nord- und Südamerikas oder die Aborigines in Australien und Neuseeland wussten über diesen fundamental wichtigen Prozess Bescheid und führten für ihrer Heranwachsenden in der Natur rechtzeitig geeignete Initiationsrituale - sogenannte "rites of passage" - durch, bei denen die Jugendlichen bereits ansatzweise erleben konnten, was das Erwachsensein bedeutet: Alleinsein können, Ängste und Entbehrungen aushalten, sich wichtigen Fragen nach dem Woher und dem Wohin in ihrem Leben stellen, über die eigenen Stärken und Schwächen Bescheid wissen, in das eigene Innere der Persönlichkeit schauen, Verantwortung übernehmen können usw.

Initiationsrituale - bedeutsamer Schatz indigener Völker an uns "Westler"
Die indigenen Völker wollten es nicht dem Zufall überlassen, dass ihre Jugendlichen durch langwierige eigene Erfahrungen, also durch "trial and error", vielleicht mit der Zeit von selbst erwachsen werden würden. Dies hätte den Stamm gefährdet, der unbedingt kraftvolle und verantwortliche junge Leute für das Fortbestehen seiner Gemeinschaft brauchte - und nicht "Zwischenwesen", die jahrelang weder Fisch noch Fleisch waren, zwar keine Kinder mehr, aber eben auch noch keine Erwachsenen.
Daher wurden Älteste aus der Gemeinschaft bestimmt, die für die Jugendlichen rechtzeitig herausfordernde Übergangsrituale organisierten, bei denen diese beweisen mussten, dass sie in der Lage waren, für eine bestimmte Zeit ganz alleine zu sein und für sich selbst zu sorgen. Nach einer gründlichen Vorbereitung in einem Jungen- oder Mädchen-Camp wurden die Initianden alleine und ohne Nahrung für mehrere Tage in die Wildnis hinaus geschickt. In dieser Zeit galten sie für alle Menschen als unsichtbar und durchlebten in der "Anderswelt" der Natur eine Transformation: Durch eine Art von "psychischer Häutung" wurde das alte, bisherige Kleid der Kindheit abgeworfen und das neue Gewand des Erwachsenen angezogen. Wenn sie dann nach dieser "Solozeit" wieder zur Gemeinschaft zurückkehrten, wurde ein großes Dorffest veranstaltet, bei dem die Initianden für ihren Mut gewürdigt und gefeiert und anschließend von den Ältesten zu erwachsenen jungen Männern und Frauen erklärt wurden. Ab dann galten sie als Erwachsene mit allen Rechten und Pflichten.
In unserer modernen, informationstechnischen, rational und wissenschaftlich orientierten und auf Effektivität, Erfolg und Konsum gedrillten Gesellschaft besteht die irrige Meinung, dass solche Initiationsrituale heute völlig unnötig und nur etwas für die "Wilden", also für indigene Stammeskulturen seien, die sowieso vom Aussterben bedroht sind. Zudem meint man, dass durch die beständige Erreichbarkeit über das Smartphone keine weiteren "Maßnahmen der Selbsterfahrung" mehr nötig seien. Welch großer Irrtum! Welch grobe Fehleinschätzung! Dies kann ein Blick auf die heutige Lage der Jugendlichen in unseren westlichen Ländern sofort deutlich machen.

Gefährliche Ersatzrituale junger Menschen heute
Denn vor diesem Hintergrund der Initiations-Thematik werden manche Jugendphänomene wie gefährliche wilde Autofahrten auf Landstraßen oder gar in Städten, das berüchtigte Komasaufen, Schlägereien oder extremes Sportverhalten endlich verständlich: Gerade die starken und "wilden" Jugendlichen, in denen seit der Pubertät eine überschäumende, kaum zu bändigende Kraft erwacht ist, wollen durch solche Aktionen auf sich aufmerksam machen und zeigen, dass sie nun eben keine "kleinen braven Kinder" mehr, sondern Energie-geladene Erwachsene geworden sind. Es handelt sich also bei diesen Phänomenen bei rechter Betrachtung besonders bei jungen Männern um den verzweifelten Versuch, eigene Initiationsrituale zu setzen, um damit die in ihnen erwachte Männlichkeit zu zeigen, zu beweisen und ihnen Ausdruck zu verleihen. Sie wollen nun auch zu den Erwachsenen dazugehören!
Leider gehen solche Aktionen nicht selten schief: Manche von den jungen Leuten holen sich bei übermäßigem Alkoholkonsum, bei Schlägereien, mit Extremsportarten oder bei gefährlichen Auto- oder Motorradfahrten bleibende und nachhaltige Verletzungen, manche bezahlen diese "Selbstversuche der Initiation" sogar mit ihrem Leben, nicht wenige gefährden mit ihren unverantwortlichen und waghalsigen Taten auch noch andere. Wir als Gesellschaft müssen uns daher zurecht vorwerfen, warum wir unseren Heranwachsenden auch weiterhin keine geeigneten Übergangsrituale ins Erwachsensein anbieten, sondern die Jugendlichen bei diesem so elementaren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und Initiation vollkommen sich selbst überlassen. Unverantwortlich!
Ein anderes Phänomen ist sogar noch häufiger festzustellen, weil Übergangsrituale fehlen: Viele Jugendliche und junge Volljährige kommen jahrelang nicht in die Puschen, sind ewig mit Ausbildungen beschäftigt, hängen lustlos und sinnlos herum, versacken im Drogensumpf oder in der Computersucht und geraten nicht selten in eine Lebensdepression. Sie wissen nicht, wer sie eigentlich sind und was sie tun sollen. Die Lockdowns während der Corona-Krise haben diese schon vorher existierende Tendenz nur noch verstärkt und schonungslos ans Licht gebracht. Hier könnte ein angemessenes Initiationsritual Wunder bewirken. Denn durch den Aufenthalt in der Natur mit herausfordernden, aber eben von verantwortlichen Leitern kontrollierten Mutproben werden die jungen Leute von ihrem Computer oder von ihrem Smartphone weggeholt, mit denen heute viele gleichsam ihr Leben (nur noch virtuell!) verbringen. In der Gemeinschaft von gleichgesinnten Initianden und in der Schönheit der Natur werden sie mit dem realen Sein des Lebens konfrontiert und wesentliche Entwicklungsprozesse in ihnen angefacht. Sie haben die Chance, endlich zu sich selbst zu kommen.
Unsere Jugendlichen heute haben solche von Mentoren geleiteten Zeremonien, durch die sie die Kindheit verlassen und in die neue Lebensphase des Erwachsenen eintreten können, bitter nötig. In Europa aber hat man das Wissen um Initiation und um Initiationsrituale hinein in die nächste Lebensphase des Erwachsenseins verloren, von einigen Handwerkern einmal abgesehen, die nach Abschluss ihrer Lehre für drei Jahre und einen Tag lang "auf die Walz gehen". In dieser Zeit dürfen sie sich ihrem Heimatort nicht mehr als 50 Kilometer näheren. Viele von ihnen verbinden diese "Walz-Zeit" mit einer Reise in europäische Nachbarländer, manche sogar bis nach Kanada oder Australien. Wenn sie dann nach drei Jahren zurückkehren, sind sie erwachsen geworden. Denn sie haben meist Ängste und Phasen des Alleinseins ausgestanden, sie mussten alleine bei dem jeweiligen Arbeitgeber zurechtkommen, neue Freunde finden, allein für sich sorgen usw.

Das naturpädagogische Übergangsritual des WalkAway
Diese Möglichkeit des Auf-die-Walz-Gehens betrifft jedoch nur noch einen sehr kleinen Kreis junger Leute, von den immer beliebter werdenden Work-and-Travel-Reisen abgesehen, die aber meist erst nach dem Abitur stattfinden und die Volljährigkeit voraussetzen. Welche anderen Möglichkeiten gibt es, die man den Jugendlichen heute anbieten könnte, gerade wenn sie noch in die Schule gehen, um ihren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung anzufachen, zu begleiten und zu bestätigen? Für diesen Prozess hat sich das naturpädagogische Übergangsritual des "WalkAway" hervorragend bewährt, durch das 14- bis 18-jährige Jugendliche entscheidende Impulse zu mehr Selbstvertrauen, Selbständigkeit und Selbstverantwortung auf ihrem Weg hin zum Erwachsenwerden bekommen können.
WalkAway bedeutet: Gehe deinen Weg allein hinaus in die Natur, konfrontiere dich mit dir selbst und finde heraus, wer du bist und was du tun willst! Der WalkAway ist ein viertägiges Ritual mit drei Phasen. In der ersten zweitägigen Phase, die der Vorbereitung dient, werden die Jugendlichen täglich mehrmals mit konkreten Naturaufgaben allein in den Wald geschickt, um sie mit dem Ritual-Raum vertraut zu machen, vor allem aber, um sie auf die zweite Phase, die eigentliche Kernphase des WalkAway, einzustimmen: auf die sogenannte "Solozeit".
Dazu wird jeder Junge und jedes Mädchen am Morgen des dritten Tages einzeln von den Ritualleitern in einer kleinen Zeremonie verabschiedet und anschließend allein in den Wald geschickt - ohne Essen, ohne Zelt und vor allem ohne Smartphone. Für 24 Stunden gelten die Initianden jetzt als unsichtbar und vermeiden daher jeden Kontakt mit Menschen. Mit dabei haben sie nur fünf Liter Wasser, eine Regenplane, eine Matte, einen Schlafsack, einen kleinen Rucksack mit Wechselwäsche und ein Tagebuch, um sich alle Gedanken und Gefühle während dieser "Auszeit in der Natur" notieren zu können. In dieser "Anderswelt" der Natur und des Alleinseins sind die Jugendlichen nun sich selbst und den Wesen der Natur ausgesetzt: den eigenen Dämonen, Ängsten, Gedanken und Gefühlen ebenso wie Wind, Wetter, Hitze und Kälte sowie den Tieren, Pflanzen und Landschaftsformationen, denen sie nun begegnen können.
Jetzt sind sie ganz auf sich gestellt und mit sich allein - Chance und Risiko zugleich, in jedem Fall aber eine sehr ungewohnte Lebenssituation wie noch nie zuvor. Dadurch werden bei vielen der Teilnehmer in der Regel wesentliche Grundfragen unseres Menschseins ausgelöst: Wer bin ich? Woher komme ich? Was soll ich tun? Welche Stärken und Schwächen habe ich? Wie kann ich der Gemeinschaft dienen? Welchen Beruf soll ich einmal ergreifen?
Am Morgen des dritten Tages beginnt dann die dritte Phase: die "Rückkehr und Wiedereingliederung in die Gemeinschaft", wenn die Jugendlichen im Beisein der angereisten Eltern, Geschwister und Angehörigen aus dem Wald getrommelt und anschließend rituell wieder sichtbar gemacht werden. Nach dem Fastenbrechen mit einer Breze und einer Tasse Kräutertee wandern alle zum nahegelegenen Seminarzentrum, um von den jungen Initianden nacheinander die Geschichten "von allein da draußen im Wald" zu hören. Stundenlang kann man jetzt eine Stecknadel fallen hören, weil alle gespannt diesen Erlebnissen der jungen Leute, sowie dem anschließenden bestärkenden Feedback von Leitern und Eltern lauschen.
Als Leiter wird man jetzt Zeuge, wie sich in den Familien ein fundamentaler Schritt ereignet: Wenn im Beisein der Eltern und mit deren ausdrücklicher Zustimmung bei den jungen Initianden soeben ein Stück Kindheit stirbt und ein wesentlicher Schritt zu mehr Selbständigkeit und Selbstverantwortung hin zum Erwachsenen geschieht. Dieser Vorgang ist so ergreifend, dass nicht wenige Eltern vor allen zu weinen beginnen, denn sie wissen um die Bedeutung dieses Initiationsvorgangs bei ihren Kindern, die ab jetzt nicht mehr dieselben sind wie die, von denen sie sich vier Tage zuvor verabschiedet hatten. Etwas Wesentliches hat sich in ihren groß gewordenen Kinder verändert.
Sind alle Geschichten erzählt und "gespiegelt", endet das ganze WalkAway-Seminar mit einem feierlichen und fröhlichen Essen, das die Eltern mitgebracht haben. Mir als WalkAway-Leiter bleibt nur noch, meinen großen Respekt zu bekunden vor allen Jugendlichen, die bei den jahrelangen WalkAway-Seminaren den Mut hatten, sich dieser elementaren Zeremonie in der Natur zu stellen und so einen großen Gewinn für ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung auf dem Weg zu sich selbst zu erringen. Chapeau!


Peter Maier ist Gymnasiallehrer, Initiations-Mentor und Autor. Autor von: „WalkAway – Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst. Epubli Berlin 2023, Softcover 16,99 Euro, e-Bock 9,99 Euro. Weitere Bücher: „Heilung – Die befreiende Kraft schamanischer Rituale“ Epubli Berlin 2022, Softcover 16,99 Euro, eBook 10,99 Euro. | „Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin“, Epubli Berlin 2020, 1. Auflage, Softcover: 18,99 Euro, eBook: 12,99 Euro und „Heilung – Initiation ins Göttliche“, Epubli Berlin 2020, 2. Auflage, Softcover 18,99 Euro, eBook 11,99 Euro. Infos / Buchbezug unter www.alternative-heilungswege.de und www.initiation-erwachsenwerden.de

Hinweis zum Artikelbild: © Drobot Dean - AdobeStock



Wer hat Angst vorm schwarzen Schaf? ... von Birge Funke


Wusstest du, dass eine Herde Schafe besser geschützt ist, wenn sie ein paar schwarze Schafe in ihrer Mitte hat? Spannend, oder? Es liegt daran, dass, wenn zum Beispiel ein Wildschwein auftaucht, die Herde schon an den Anblick eines schwarzen Tieres gewöhnt ist und deswegen nicht so schnell in Panik gerät. So kann der vermeintliche Außenseiter (die Gefahr) sehr heilsam für eine Gruppe sein, denn ihr Fluchtreflex und somit die Verletzungsgefahr reduziert sich. Witziger Weise ist ein Wildschwein übrigens gar keine wirkliche Gefahr für ein Schaf.

In unseren Ausbildungen gibt es immer mindestens eine Person, eine Art "Schwarzes Schaf" in Form als jemand, der anstrengende Fragen stellt, vielleicht unbequem ist und Dinge kritisiert. Da liegen die Matten im Raum nicht richtig, die Pausenzeiten sind falsch, Informationen wurden nicht korrekt weitergegeben und überhaupt ist die Lehrkraft XY eine Zumutung, weil man sie so gar nicht verstehen kann. Alle anderen im Raum finden alles toll oder können zumindest darüber hinwegsehen, dass natürlicher Weise nicht alles für jeden 100%ig stimmig ist und setzen den Fokus eben auf das, was gut ist und rund läuft.
Wir Lehrkräfte kennen das schon - es gehört anscheinend irgendwie dazu, ein schwarzes Schaf in jeder Gruppe zu haben. Und im Nachgang denken wir oft, trotz aller Anstrengungen, die uns solche Personen verursachen, liebevoll über sie, denn sie haben den Jahrgang auch irgendwie besonders bunt und unvergesslich gemacht. Im besten Fall haben sie uns sogar bereichert, denn diese vermeintlichen Hürden, die uns zuerst nerven, sind Herausforderungen, denen wir uns stellen dürfen und an denen wir wachsen können.
Da predigen wir in den Ausbildungen Offenheit, Nächstenliebe, praktizieren und lehren Bhakti (Mitgefühl und Hingabe), Meditation und Achtsamkeit, und im konkreten Moment fällt es uns dennoch oft sehr schwer, mit Offenheit und Mitgefühl zu reagieren. Die erste Reaktion ist oft Verteidigung, gefolgt von Verurteilung. Erst, wenn wir das Thema sacken lassen, können wir es mit dem so wichtigen Abstand betrachten und uns vielleicht insgeheim eingestehen, dass das schwarze Schaf doch eigentlich - wenn auch vielleicht nicht besonders freundlich - die Wahrheit gesagt hat. Nun können wir handeln, ins Gespräch gehen, Lösungen und Kompromisse finden, um die betreffende Situation gezielt anzugehen und zu verbessern.

"Super, jetzt ist ja alles gut." denkt man da, und prompt kommt das nächste Problem - wieder vom schwarzen Schaf der Gruppe angestoßen oder angesprochen. Die anderen weißen Schafe sind ebenfalls bereits genervt. Die Gruppendynamik führt nicht selten dazu, dass das schwarze Schaf zum Sündenbock gemacht wird. Aber auch diese Gruppe darf nun wachsen, dafür benötigt sie aber eine starke und offenherzige Führung, die diese Probleme loyal anspricht. "Bockig sein" hilft dann ebenso wenig wie den Bock zum Gärtner zu machen.

Auch wir Ausbilder und Lehrkräfte sind nur Menschen, auch wir können wie alle weißen und schwarzen Schafe, Mittel benutzen, die uns helfen, die Situation und die gefallenen Worte sanftmütiger und liebevoller zu betrachten. Dabei hilft eine regelmäßige Yogapraxis sowie Meditation und nach meiner Empfehlung vor allem eine Bhakti Yogapraxis.

Die vermeintlich anstrengende Gemeinschaft kann dann zur eigenen Weiterentwicklung und Heilung beitragen. In Gemeinschaft zu singen, zu atmen, zu schwitzen schafft Kohärenz. Kohärenz verbindet uns mit der Gruppe - sie bewirkt, dass Einzelheiten als zusammengehörig empfunden werden. Sie ist ein lebensnotwendiger Baustein für jeden Menschen, denn wir Menschen sind soziale Wesen und darauf angewiesen, Teil einer Gemeinschaft zu sein.
Durch eine regelmäßige Yogapraxis kann selbst beim widerspenstigsten Menschen etwas mehr Ruhe und Sanftmut einkehren. Im Wort Sanftmut steckt "Mut", denn es ist mutig, zugeben zu können, einen Fehler gemacht zu haben, nicht perfekt zu sein, zu schnell verurteilt zu haben, überhitzt reagiert zu haben.
Yoga verhilft uns, in Ruhe über die Dinge nachzudenken und die berühmte Nacht drüber zu schlafen, um gute Worte zu finden, die aus dem Herzen kommen. Nicht selten ist dann auch ein schwarzes Schaf davon berührt, fühlt sich gesehen und ist dadurch geneigter, den so lieb gewonnenen Kampf (jetzt fällt mir das Wort "Bockmist" ein) aufzugeben.

Nicht immer ist mir das als Ausbildungsleiterin zu 100 % gelungen, weil ich selber nicht die Ruhe und die Kraft hatte, die nötig gewesen wäre. Da haben dann teilweise meine Teilnehmer besonnen reagiert, mich unterstützt und die Situation gerettet. Selten kommt es aber auch vor, dass offene Ohren und Kompromisse nicht helfen. In solchen Fällen verlässt auch schon mal ein scharfes Schaf die Gruppe. Manchmal muss ein schwarzes Schaf auch selber schauen, wann und wodurch das innere Kind da so gekränkt wurde, dass es so oft nach "Aufmerksamkeit" schreit, denn alle Kritik - sei sie berechtigt oder nicht - ist auch oft der Wunsch nach Gesehen werden. Dann ist eine Ausbildungsstelle keine Plattform mehr, in der man solche Dinge aufarbeiten kann.

Ich möchte euch "SanftMUT" ans Herz legen und euch bitten, den schwarzen Schafen zuerst gut zuzuhören, vielleicht auch erst einmal eine Nacht drüber schlafen, nutze Yogapraktiken, und dann lass dein Herz sprechen. Auch wenn ihre Kritik und ihr Anderssein oft schwer zu ertragen ist, sind ihre Worte und Taten oft wahr und zeigen dir Dinge auf, die du verändern und verbessern kannst. Versuche, diese Kritik als Chance zu sehen.


Kleine Übung gegen ein "Schwarzes Schaf Trigger":

1. Sag dem schwarzen Schaf ganz ruhig, dass du über seine Worte (bzw. Taten) nachdenken möchtest und dich später (morgen.) dazu äußerst.
2. Ziehe dich wenn möglich zurück, oder lass das Thema notfalls einfach erstmal ruhen.
3. Sag dir im Geiste, dass nichts gegen dich persönlich gerichtet ist.
4. Schlafe eine Nacht drüber und meditiere am nächsten Morgen 20 Minuten, indem du deine Atemzüge zählst (Einatmen: 1, Ausatmen: 2, Einatmen 3 etc. bis du bei 8 bist, und dann beginnst du von vorne). Natürlich kannst du auch deine eigene Meditationspraxis nutzen.
5. Frage dich dann ganz ruhig, warum dich das schwarze Schaf so getriggert hat.
6. Sei ehrlich zu dir und gestehe dir ein, wenn du Fehler gemacht hast. Sei stolz auf dich selbst, das erkennen zu können.
7. Sprich mit dem Schaf über deine Gefühle und Fehler.
8. Frag das Schaf, was es sich wünscht und zeige ihm dadurch, dass es dir wichtig ist.
9. Versuche, die Wünsche des Schafes zu verstehen - zumindest kognitiv!
10. Eventuell wiederhole jetzt die Schritte 1-9, lass dich nicht hetzen, bleib in deiner Ruhe.
11. Nimm die Andersartigkeit des schwarzen Schafs als Vielfalt an und freue dich darüber, dass jeder Mensch anders und dadurch auch wichtig ist.

Nach meiner Erfahrung wird sich dann eine gute Lösung finden. In diesem Sinne: "Null Bock" hilft niemandem.


Birge Funke ist Yogalehrer-Ausbilderin. Die nächste Ausbildung bei Bamboo Yoga startet am 26. Januar 2024. Weitere Infos unter www.bamboo-yoga.de

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Alleingeborener Zwilling – Wie fühlt es sich an, für zwei leben zu müssen? ... von Deva Burgdorf


Wer einen Zwilling im Mutterleib verloren hat, lebt häufig gefühlt für zwei Menschen, erlebt für zwei Menschen, fühlt für zwei Menschen. Mitunter hat er das Gefühl, er müsste für zwei Menschen Erfahrungen sammeln, Arbeitsplätze ausprobieren oder einen künstlerischen Ausdruck finden.

Diese zwei Menschen, können unter Umständen unterschiedlichen Geschlechts sein, was dazu führen kann, dass ein allein geborener Mann eine ungewöhnlich ausgeprägte weibliche Seite entwickelt hat, oder eine Frau eine ungewöhnlich starke männliche Seite in sich trägt. Nicht jeder Mensch, der solche Anteile in sich fühlt, erfährt diese Erfahrung aufgrund einer Zwillingsschwangerschaft im Mutterbauch. Wer für sich jedoch schon herausgefunden hat, dass er auf diese Weise ein Mitglied des anderen Geschlechts verloren hat, der versteht unter Umständen einige Begebenheiten, die sich in seinem Leben bereits zugetragen haben.

Der feminine Mann
So gibt es Männer die das Bedürfnis haben "nur so zum Spaß" einmal einen Rock zu tragen, Lippenstift aufzutragen oder sich die Nägel machen zu lassen. Und sei es auch nur für einen kurzen Moment oder für einen begrenzten Zeitraum, bis dieses Bedürfnis in ihm vielleicht schon nach sehr kurzer Zeit wieder gestillt ist - dem Verlangen des Zwillings genüge getan wurde. Andere Männer spüren in sich vielleicht das Bedürfnis kitschige Liebesromane oder romantische Liebesfilme zu schauen, deren Konsum zumindest einem Klischee entsprechend eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben wird.

Die maskuline Frau
Auf der anderen Seite gibt es Frauen, die an sich eine stark ausgeprägte männliche Seite erleben, unabhängig davon von welchem Geschlecht sie sich angezogen fühlen. In ihnen schlägt das zweite Herz, eines männlichen Zwillings, dass sich auch in körperlicher Form als Mann erleben will. Das kann beispielsweise ein sportlicher Ausdruck sein, oder auch eine Veränderung des Äußeren hin zu einem männlichen anmutenden Auftreten. Mitunter nur auf Zeit. Vielleicht so lange, bis dieser Aspekt einmal gelebt, das innere Bedürfnis einmal befriedigt ist. Das Verlangen kann schon nach kürzester Zeit befriedigt sein oder auch zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal auftreten. Es will gelebt werden. Dem Ausdruck will genüge getan werden. Die einfachste Art diese Anteile für sich zu integrieren liegt darin, den inneren Impulsen Ausdruck zu verleihen, sie nicht zu unterdrücken. Sich nicht davor zu fürchten oder zu hinterfragen, was auch immer dies nun bedeuten mag.

Zwei Herzen schlagen in meiner Brust
Mitunter ist der Ausdruck dieser zweiten Seele, die in der eigenen Brust schlägt nicht so eindeutig geschlechtsspezifisch ausgeprägt. Zum einen ist jeder Mensch anders und somit auch sein Ausdruck. Deshalb ist der Ausdruck einer Seele - egal, ob als eigenständige Person oder energetisch im Herzen eines allein geborenen Zwillings lebend - ebenso individuell und einmalig. Somit können die Gefühle, Bedürfnisse und Erfahrungswünsche so unterschiedliche Facetten haben, wie es Leben auf dem Planeten gibt. Zusätzlich kann ein verlorener Zwilling natürlich auch das gleiche Geschlecht haben, wie der alleingeborene Zwilling, was eine Identifikation der personenbezogenen Impulse für den alleingeborenen Zwilling eventuell noch schwieriger werden lässt. Im Allgemeinen glauben wir, dass wir uns kennen und wundern uns vielleicht mitunter, dass wir einmal den Impuls verspüren, etwas zu tun, was sonst gar nicht unserem Wesen entspricht.

Vielleicht äußert sich ein solcher Impuls darin, dass wir eine Tätigkeit, die wir immer schon mit unserer dominanten Hand ausführen wollten, mit einem Mal die andere Hand übernimmt. Oder es gibt einen unheimlichen Appetit auf eine Speise, die normalerweise gar nicht unseren Vorlieben entspricht. Das kann genauso gut eine Süßigkeit sein, wie jedes andere Lebensmittel auch. Oder es gibt den Wunsch, ein Buch zu lesen, einen Film zu sehen, eine Musikrichtung zu hören, nach der wir uns normalerweise gar nicht sehnen oder mit der wir uns normalerweise so gar nicht identifizieren.

Die Identitätsfindung
Diese Impulse und Eingaben können zusammengefasst beschrieben werden als so etwas wie eine Identitätsfindung. Wer für sich schon herausgefunden hat, dass er ein alleingeborener Zwilling ist und dieser Phase für sich bereits durchlaufen hat, oder sich aktuell darin befindet, erkennt vielleicht einige der beschriebenen Symptome für sich wieder. Mitunter kann es einige Jahre dauern für den Alleingeborenen, um alle diese Eindrücke und Empfindungen für sich zu sortieren. Wer im Mutterleib mehr als ein Geschwister verloren hat, hat unter Umständen noch mehr Sortierungsarbeit zu leisten als ein Zwilling, da er eventuell die Gefühlsleben mehrerer Seelen in sich trägt, die wahrgenommen, gefühlt und zugeordnet werden wollen.
Je besser ein alleingeborener Zwilling lernt, diese Gefühle zu sortieren und sich selbst darin zu definieren, desto leichter wird es ihm auch fallen, als er selbst zu leben und eine stärkere Ich-Identifikation zu erfahren. Je mehr er bei sich selbst ankommt, desto weniger wird er sich in Situationen finden, in denen er sich in einem anderen oder in einer Menschenmasse verliert. Weil er eine immer klarere Grenze für sich findet, wo er selbst aufhört und sein Gegenüber beginnt.

Zwei Identitäten
Die Vermischung dieser zwei Identitäten innerhalb eines Menschen kann so prägend sein, kann so tief auf Seelenebene verankert sein, dass der überlebende Zwilling unter Umständen einen entsprechend großen Zeitraum benötigt, diese Gefühle in seinen tiefsten Schichten zu durchdringen und zu erleben. Doch dieses tiefe Forschen lohnt sich in jedem Fall, weil es in jedem Stadium, dass er während des Identitätsprozesses durchläuft, immer weiter und immer tiefer das Licht und die Kraft seiner eigenen Persönlichkeit freilegt, die vielleicht schon viel zu lange in diesem Identitäts-Gefühls-Chaos vergraben gewesen ist.
Um das nochmal ganz klar zu sagen. Wenn man sich die energetische Grundlage ansieht, auf der eine Zwillingsschwangerschaft beruht, ist dieser Heilprozess nichts außergewöhnliches, sondern ein ganz natürlicher Heilprozess, den jeder überlebende Zwilling für sich durchleben darf, um daraus gestärkt und in sich stabilisiert hervor zu gehen.

Wie sich lebende Zwillinge fühlen
Wenn wir beispielsweise Geschichten hören von lebenden Zwillingen, die, auch wenn sie hunderte Kilometerweit voneinander entfernt leben, jederzeit genau wissen, was im Leben des anderen geschieht, weil sie ihn so tief fühlen, weil sie so tief mit ihm verbunden sind, dass eine Zwillingsschwester beispielsweise die Morgenübelkeit der anderen durchlebt, ohne zu wissen, dass diese schwanger ist. Oder, dass eine Schwester die Schrecken des Krieges mit durchfühlt oder eine Schusswunde miterlebt, wenn ihr Bruder als Soldat am anderen Ende der Erde ins Gefecht zieht und angeschossen wird. Diese Beispielgeschichten spiegeln wieder, wie tief die Verbindung bei lebenden Zwillingen angelegt ist und erklären uns gleichzeitig, weshalb diese Veranlagungen auch in Alleingeborenen dermaßen tief verankert sind, dass ihre tiefe Heilung jede Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen darf.

Ich hoffe ich konnte Dir bei Deiner Selbstfindung vielleicht den ein oder anderen wertvollen Impuls mit auf Deinen Weg geben. Herzlich, Deva


Deva Burgdorf ist ein schamanischer Heiler und Lehrer, Musiker und Autor. Er lebt in Berlin. Hier bietet er schamanische Einzelsitzungen, Kakaozeremonien, Seminare und mehr an. Weitere Informationen unter: www.shamanic-berlin.de

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Alt und dement oder alt und weise? ... von Regina Weiser


"Ich freue mich schon auf mein Rentenalter." So kann man gestresste Berufstätige oftmals hören. An Geburtstagen wünscht man sich gegenseitig ein langes Leben. Aber ist das wirklich so erstrebenswert, wenn wir im Verlauf des Älter-Werdens immer hinfälliger, schwächer und hilfsbedürftiger werden? Studien sprechen davon, dass ab einem bestimmten Alter ein Drittel der Menschen dement ist. Zum Glück gibt es jedoch auch immer mehr Untersuchungsergebnisse, die Wege aufzeigen, wie wir diese Zeit zu einer erfüllenden Zeit werden lassen können: Sodass der letzte Lebensabschnitt vielleicht sogar zum Höhepunkt unseres bisherigen Lebenslaufs werden kann? Hier sind wir endlich unser eigener Chef! Im Prozess des Älter- und Altwerdens begegnen uns Gefahren und Chancen.
Heute erreicht die Generation der Kriegs- und Nachkriegskinder das durchschnittliche Lebensalter. Viele haben in ihrer Kindheit noch Krieg, Flucht, und entweder traumatisierte/seelisch verletzte oder abwesende Soldatenväter und überforderte Mütter erleben müssen. Für seelische Verarbeitungsprozesse war damals keine Zeit, denn es musste ja schließlich Deutschland wiederaufgebaut werden. Und: Wer wollte sich schon all die schrecklichen Geschichten von Leichenbergen usw. anhören? Wer noch vor kurzem von Hitler begeistert war, musste dies nun sorgfältig verheimlichen. Hatten deutsche Soldaten angesichts der Tatsache, dass sie zum Tätervolk gehörten, das Recht, über Kriegsverletzungen sich zu beklagen? Gefühle wie Wut und Trauer mussten also ins Unbewusste verschoben werden.
Nun treten heute viele Zeitgenossen ins Rentenalter ein und haben plötzlich mehr Zeit, es gibt weniger Ablenkungen. Es ist bekannt, dass Abwehrmechanismen - die Fähigkeit, Unangenehmes einfach gedanklich wegzuschieben - im Alter brüchiger werden. Das Kurzzeitgedächtnis nimmt ab, das Langzeitgedächtnis nimmt zu. Alte unverarbeitete Erinnerungen steigen auf. Unverdaute Verletzungen hinterlassen Spuren im Körper, wie Joachim Bauer in seinem Buch Das Gedächtnis des Körpers oder Bessel van der Kolk in Verkörperter Schrecken nachweist.
Das zuvor beschriebene Verdrängen war damals wichtig und verlangt daher zuerst Dank und Würdigung, bevor es als heute nicht mehr nötig erkannt und losgelassen werden kann. Ein historisch anerkennender und würdigender Blick auf diese Generation lässt erkennen, dass diese heutigen Alter auch den Samen für unsere Leistungsgesellschaft gelegt haben, sie sind gewohnt, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie verfügen daher häufig über eine erstaunlich kreative Konfliktbewältigungskompetenz, die Kindern aus einem wohlbehüteten Elternhaus manchmal fehlt.
Alt werden hat einen schlechten Ruf. Welches Bild entsteht in Innern, wenn eine gute Freundin von einem/einer Bekannten berichtet: "Frau/Herr XY ist aber alt geworden"? Vermutlich kein warmes schönes Gefühl. Wenn wir hören: "Du siehst für Dein Alter aber noch sehr gut aus!" fühlen wir uns geschmeichelt. Aber das ist gefährlich, denn das Wörtchen "noch" drückt aus, dass es bald nicht mehr so sein wird; bald werde auch ich "alt und hässlich" sein. Solche unausgesprochenen Vorstellungen sind festgefahrene Denkschablonen, die wie sich selbst erfüllende Prophezeiungen wirken.
Das eigene Alt-Werden wird gerne verdrängt. Die schlichte Erkenntnis: Ja, auch ich bin jetzt alt geworden, kann der Ausgangspunkt für einen Transformationsprozess sein, der nur für uns Menschen möglich ist. Auch Pflanzen und Tiere sterben, aber es gibt für den Menschen z.B. die Möglichkeit, diesen Prozess achtsam zu begleiten und so auch etwas gestalten zu können.
Es ist mir ein inneres Anliegen, die positiven Möglichkeiten und Chancen des Älter- und Altwerdens mehr ins Bewusstsein zu bringen. Ich bin in der Nachkriegszeit bei meinen Großeltern aufgewachsen und bin ihnen noch heute dankbar für diese fünf Jahre. Sie strahlten eine gütige Wärme und ruhige Herzlichkeit aus, auch heute noch ziehen mich ältere Menschen an, die diese Qualitäten ausstrahlen. Die Altersforscherin Prof. Ursula Staudinger hat in einer internationalen Studie festgestellt, dass es Fähigkeiten gibt, die im Alter noch zunehmen - allerdings nur, wenn sie gepflegt werden. Es gilt hier wie so oft im Leben: Use it or loose it - benutze es oder verliere es. Sie hat ihre Forschungsergebnisse mit einer Empfehlung an die Politik und Wirtschaft abgeschlossen, zusammenarbeitende Teams aus jungen und alten Menschen zusammenzusetzen. Während Jüngere besser Multitasking können und eine schnellere Auffassungsgabe haben, fällt älteren Menschen ein ruhiger Abstand leichter, der hilft das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Erfahrungs-Schatz kann - wenn dieser nicht zu Starre und Unflexibilität führt - auch ein Schatz sein.
Wir leben in einem materialistischen Zeitalter, in dem schneller, höher, weiter wichtig ist. Die große Gefahr im Prozess des Älterwerdens ist, sich zu sehr mit unserem physischen, aus Materie bestehenden Körper und seinem Dahinwelken zu identifizieren. Die Fähigkeiten, die im Alter noch zunehmen können (wenn sie gepflegt werden), gehören nicht ins materialistische Bewertungsmuster. Im langsamen Verlust unserer körperlichen Kräfte können unsere seelisch geistigen Qualitäten wachsen. Die bedeutendsten Werke der Weltliteratur wurden im fortgeschrittenen Alter geschrieben.
Viktor Frankl hat uns - als Jude im KZ - noch den schönen Satz hinterlassen: "Meine äußere Freiheit könnt Ihr mir nehmen, aber wie ich darauf reagiere, das ist meine Freiheit, die Ihr mir nicht nehmen könnt." Die indische Bevölkerung war gegenüber der britischen Kolonialherrschaft machtlos, sie hat die Entwicklung von Gewaltfreiheit und mitmenschlicher Verbundenheit weiterentwickelt. Wir können das Altwerden und Sterben nicht verhindern, aber wir können unser biographisches Geprägt-Sein reflektieren und erkennen, wie unsere Persönlichkeit durch ein individuelles (Eltern, Ahnen) und kollektives Schicksal (Krieg, Flucht, Hitler) beeinflusst wurde. Und wir können uns entscheiden, welches seelisch-geistige Erbe wir unseren Nachkommen und Freunden hinterlassen wollen. Von dem Hirnforscher Gerald Hüther stammt der Satz: Begeisterungsfähigkeit ist Dünger fürs Gehirn. Solange wir noch eine positive Beziehung zur Welt haben - sei es zur Natur, zur Kunst oder einem/mehreren Menschen - solange leben wir. Wenn uns Alles nur gleichgültig ist, sind wir schon halb gestorben. Das seelische Herz wird nicht dement, solange es noch in Verbundenheit schlagen kann, leben wir.
Wie können wir mit den oben erwähnten aufsteigenden unangenehmen Erinnerungen an schreckliche Ereignisse umgehen? Meine aus Erfahrungen gewonnene These ist: Kollektive Traumata wie z.B. Krieg oder Flucht brauchen eine kollektive Aufarbeitung: In einer gut vorbereiteten meditativen Grundhaltung laden wir unsere Vorfahren und alle damals wichtigen Akteure ein, sich in einen imaginären Kreis zu begeben. In der Mitte brennt eine Kerze oder steht ein anderes Symbol für Versöhnung. Damals Mitwirkende dürfen ihren Standpunkt, bzw. (einseitigen) Blickwinkel, ausführen und die Gruppe hört - ohne Bewertung - zu. In der Regel führt die kollektive Intelligenz zu einem inneren Bild der Aussöhnung.
In einer Gruppe, die das Zuhören mit dem Herzen pflegt, kann jeder leichter wahrnehmen, welche - auch positiven - Änderungen sich in dem langsamen Transformationsprozess des Älterwerdens vollziehen. Oftmals wird festgestellt, dass die Fähigkeit zum liebevollen Verständnis anderer Menschen und die Gelassenheit im Umgang mit eigenen oder fremden Fehlern zunehmen. Im Nachlassen der körperlichen Kräfte werden wir langsamer, was einen inneren Abstand zu den alltäglichen Notwendigkeiten begünstigt. Ich bin der Überzeugung, dass eine Wertschätzung der Qualitäten des Alters einen friedensstiftenden Gegenpol darstellen kann angesichts der heute überall herrschenden Kriege, Zerstörungen (nicht nur die Umwelt), Polarisierungen und Diskriminierungen andersdenkender oder andersfühlender Menschen.


Regina Weiser (78 Jahre) ist Psycho- und Traumatherapeutin. Sie lädt in Workshops dazu ein, das zurzeit herrschende Bild des Altwerdens zu hinterfragen. Weitere Infos unter www.achtsam-alt-werden.de

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Was sind Die Grundlagen des geistigen Weges und die der Esoterik? ... von Carola Hempel


Mystik, verborgene Lehren, eingeweihtes Wissen, Menschen mit besonderen magischen Fähigkeiten - das alles sind Begriffe, die uns auf dem Weg zur Erkenntnis immer wieder begegnen. Nach unterschiedlichem Wissensstand, der in diesen Bereichen Lehrenden, erfahren wir, dass es sich um in der Regel "in sich geschlossene Lehren" handelt, die zum Ziel wahrer Erkenntnis führen sollen. Wenn dem so ist, ergibt sich daraus zwangsläufig die Frage: Auf welcher Grundlage, welchen möglichen "gemeinsamen, ursprünglichen Nenner" bauen die verschiedenen Lehren auf?

Ein Blick in das alte Wissen unserer jüngeren Evolution zeigt uns: Die heiligen Feuerlehren der Parsen, die hohen kosmischen Lehren des Thoht, die historischen Sammlungen des pragmatischen Brahmanismus, die Erfahrungen des Buddha und die wunderschönen Gleichnisse des Jesus - sind alle diese Wissensebenen bereits in sich geschlossene Lehren? Sie alle scheinen in ihrem Kern auf einen gemeinsamen Konsens aufzubauen. Sind denn diese alten Originallehren in "neue Gewänder" zu packen, wenn sie doch alle der einen Urlehre entsprechen? Sinn der Vielfältigkeit der verschiedenen Lehransätze machen diese Gedanken doch nur, wenn es statt "der einen geschlossenen Urlehre" darüber hinaus Wissensgrundlagen gibt, aus der auch diese Urlehre einst entwickelt wurde.
Wie wir an der Evolution der Natur und des Menschen bis heute sehen, sind alle Ergebnisse stets das Resultat aus ursprünglich einfachen Erkenntnissen, die über lange Zeiten der Entwicklung sich zu einem komplexeren Ganzen herauskristallisierten! Sicher wird dieser Weg der Erkenntnis, insbesondere der "des Geistigen-Wissen-schaffens", woraus der Begriff Wissenschaft wurde, auch so begonnen haben.

In alten Quellen finden sich Hinweise grundlegender Prinzipien, aus denen sich das eben genannte Ursprüngliche ergab. Diese Grundlagen stellen die Ethik der Evolution dar und sind in den wohl ältesten eingeweihten Quellen zusammengefasst worden, die in unserer heutigen Zeit als "die Richtlinien der rechten Lebensführung" bezeichnet werden.

Die Richtlinien der rechten Lebensführung / Für Neophyten auf dem Weg ...

1. Sei dir beständig bewusst, dass du zur vollen Darstellung Gottes hinstrebst. Diesem Ziel gib dich hin mit deinem ganzen Sein und Dienen, wie es das Erste Gebot so schön ausdrückt.
2. Lerne die Lektion der Gewaltlosigkeit, der Harmlosigkeit. Mit keinem Wort, keinem Gedanken und keinem Gefühl füge je einem Lebensteil Leid zu. Wisse, dass demgegenüber das sichtbare, gewaltsame Handeln eine geringere Sünde ist.
3. Beunruhige nie eines Bruders Gemüt, weder gedankenlos noch absichtlich. Wisse: Den Sturm, den du der anderen Seele verursachst, wird früher oder später die Ufer deines eigenen Lebensstromes überfluten. Bringe vielmehr Ruhe und Frieden in alles Leben und sei: "Öl für die aufgewühlten Wasser".
4. Trenne dich von deinen persönlichen Wahnbildern und Täuschungen. Gib nie durch eigene Rechtfertigung kund, dass du dich selber mehr liebst als die Harmonie des Universums. Wenn du im Recht bist, brauchst du es nicht zu verkünden. Bist du im Unrecht, so bitte und bete inständig um Vergebung. Wenn du dich selbst überwachst, merkst du ein etwa aufkommendes Entrüstet- oder Verletzt-sein - diese mehr verborgenen Schatten auf dem Pfade des Rechten - dann erkennst du sofort jede Selbstgerechtigkeit, die nie Gottes ist.
5. Wandle in Güte durch die Welt in dem Wissen, dass dein Körper ein Tempel ist, in welchem der Heilige Geist Gottes wohnt, der überall Frieden und Erleuchtung in alles Leben bringt. Halte deinen Tempel stets in verehrungsvoller Reinheit, wie es sich ziemt für die Wohnstatt des Geistes der Wahrheit. Achte und ehre mit gütiger Würde auch alle anderen Tempel und wisse, dass unter manch rauer oder unscheinbarer Hülle oft ein großes Licht brennt!
6. Nimm in der Gegenwart der Natur die Schönheiten und Gaben ihres Reiches liebevoll und dankbar in dich auf. Entheilige sie nicht durch niedriges Denken oder Fühlen oder durch Handlungen, die sie ihrer jungfräulichen Schönheit berauben.
7. Bilde dir keine Meinung, wenn du nicht dazu aufgefordert bist, und auch dann nur nach einem Gebet und stillen Anruf um Führung.
8. Sprich, sobald Gott durch dich etwas sagen will; sonst aber bleibe friedevoll im Schweigen.
9. Lass das Ritual deines Lebens, dein Befolgen der Göttlichen Gebote so unauffällig sein, dass niemand dein Streben zur Göttlichkeit merkt. Sonst könnte sich fremde Willenskraft gegen dich wenden oder dein eigener Stolz dein Dienen vergiften.
10. Lass dein Herz Dank singen, dass der Allerhöchste dir den Lebensgeist in Obhut gab, damit Er die Grenzen Seines Reiches durch dich erweitere.
11. Sei wachsam! Benutze die dir vom Vater allen Lebens geliehenen Fähigkeiten und Gaben immer nur so, dass Sein Reich ausgedehnt wird.
12. Beanspruche nichts für dich selber, weder Kräfte noch Herrschaft, ebenso wenig wie du die Luft, die du atmest, oder die Sonne, die du frei nutzest, als dein eigen ansehen kannst. Erkenne alles als nur Gott gehörend an.
13. In Worten und Taten sei gütig, doch stets in der Würde, die immer in Gottes lebendiger Gegenwart herrscht, die in deinem Tempel ist.
14. Lege fortwährend alles Können deines Wesens und jede innere Entfaltung deiner eigenen Natur zu Füßen der Gottesmacht und bemühe dich stets, in einem Leidenden Vollkommenheit zu schaffen.
15. Deine Losung sei: Güte, Demut und Liebendes Dienen. Nie aber lass deine Demut irrtümlich als Schläfrigkeit wirken. Ein Diener des Herrn ist ewig wachsam, wie die Sonne am Himmel, und strömt beständig die Gaben aus, die ihm individuell anvertraut sind.

Wir finden diese Lehrinhalte auch in den meist verdeckten Kernlehren der zuvor genannten Religionen der Welt wieder. Allein das Umsetzen dieser Punkte im täglichen Leben führt uns völlig religionsunabhängig in die Grundlagen des geistigen Erkennens und Wissens! Auf diesen Wissensgrundlagen der alten Zeiten entstanden dann die ethischen Prinzipien des Lebens, die wir alle in unserem täglichen Dasein im Beruf wie auch im Privaten verwirklichen sollen. Erst durch Bemühen und Umsetzen dieser Lehren, betreten wir ethisch den alten Weg der geistigen Wissenschaften, der auch heute noch in den Bereich der Esoterik umzusetzen ist.

Teilauszüge des Textes aus dem Werk "Die Quelle der Spiritualität" mit freundlicher Genehmigung des Verlages Silberschnur und der Autorin.


Carola Hempel wirkt im Studienkreis für Empirische Evolutionsforschung, der 1952 gegründet wurde, u. a. im Fachbereich Geisteswissenschaft. Der Studienkreis veranstaltet zudem offene wie auch geschlossene Vorträge, in denen die Erkenntnisse der Naturwissenschaft und ihr Vergleich mit den ethischen Philosophien bekannt gemacht werden. Weitere Infos unter www.evolutionskreis.de

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Salbei – Arzneipflanze des Jahres 2023 ... von Barbara Simonsohn


"Salbei wird schon seit Jahrtausenden als ‚Kraut der Unsterblichkeit' verehrt und als Allheilmittel eingesetzt. Heute zählt er zu den vielseitigsten und am besten erforschten Heilpflanzen überhaupt! Er gilt als polyphenolreichste Pflanze Europas; Polyphenole sind kraftvolle Antioxidantien, die freien Radikalen den Garaus machen, damit Krankheiten den Boden entziehen und verfrühten Alterungsprozessen vorbeugen."

Barbara Simonsohn, Autorin des Kompakt-Ratgebers "Salbei - Mutter aller Heilpflanzen", sieht in dem aromatischen Heilkraut - geehrt als "Arzneipflanze des Jahres ´23" - eine großartige Möglichkeit, schweren Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Alzheimer vorzubeugen und gleichzeitig viel Gutes für die "Schönheit von innen und außen" zu tun.

In Ihrem neuesten Ratgeber stellen Sie eine der vielseitigsten und am besten erforschten Heilpflanzen vor. Warum gilt Salbei schon seit der Antike als "Allheilmittel" oder "Königin der Heilpflanzen"?

Barbara Simonsohn: Salbei gehört tatsächlich zu den ältesten Heilpflanzen der Welt. Die Referenzliste von Kaisern, Ärzten und Gelehrten - mit ehrenvollen Bezeichnungen wie "Mutter aller Kräuter", "Königin der Heilpflanzen", "Götterspeise", "Kraut der Unsterblichkeit", "Ambrosia der Götter" oder "Heiliges Kraut" - ist länger als für jedes andere Heilkraut. Bereits rund 6000 Jahre vor Christus verewigten die Ägypter das Bild einer Salbeipflanze in Stein, und unfruchtbaren Frauen gab man Salbeisaft zu trinken. Der chinesische Kaiser Shen-Nun empfahl in seiner "Materia Medica" vor mehr als 5000 Jahren die Wurzeln des Rotwurzelsalbeis als Medizin gegen Altersleiden. Hippokrates verwendete um 400 vor Christus Salbei für vielerlei Beschwerden, ebenso wie Plinius der Ältere, Dioskurides und Galen. Das Spektrum der Heilwirkungen des Salbeis ist spektakulär, wie schon unsere Vorfahren wussten. Kaiser Karl der Große verordnete um 800 den Salbeianbau in ganz Europa. Paracelsus nannte die Pflanze "Kraut der Unsterblichkeit". Im Spätmittelalter galt Salbei als "Panacea", als Allheilmittel. Heute weiß die moderne Wissenschaft, dass es sich um die polyphenolreichste Pflanze Europas handelt, Polyphenole als kraftvolle Antioxidantien freien Radikalen den Garaus machen, damit Krankheiten den Boden entziehen und verfrühten Alterungsprozessen vorbeugen - doch das war erstaunlicherweise den Heilkundigen schon seit Jahrtausenden klar.

Als Mittel bei Halsschmerzen ist Salbei wohl den meisten bekannt, dabei kann die Pflanze so viel mehr. Bei welchen Krankheiten und Beschwerden kommt Salbei noch zum Einsatz?

Barbara Simonsohn: Das Wirkspektrum ist sehr breit, und dies ist auch der Grund, warum Salbei zur "Arzneipflanze des Jahres" gekürt wurde. Als Anti-oxidantien-Star schützt uns Salbei vor freien Radikalen, wirkt stark gegen Pilze, Viren und Bakterien jeder Art, bremst Entzündungen aus, hilft bei Diabetes, schützt Nerven und Gehirn vor degenerativen Prozessen, hemmt eine zu starke Schweißbildung, entspannt Magen und Darm, gleicht den Blutdruck aus und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ob Lippenherpes, Mundgeruch, Stress oder Wechseljahresbeschwerden: Für eine Vielzahl von Krankheiten ist dieses eine Kraut gewachsen!

Zahlreiche Studien bestätigen inzwischen die seit Jahrtausenden bekannten Wirkungen, und unglaubliche 160 medizinisch wirksame Inhaltsstoffe sind identifiziert. Welche sind dies beispielsweise, und wie wirken diese sich auf Gesundheit und Wohlbefinden aus?

Barbara Simonsohn: Bisher wurden tatsächlich mehr als 160 medizinisch wirksame Inhaltsstoffen im Salbei identifiziert, die allermeisten davon gehören zu den bioaktiven Substanzen, den Polyphenolen. Salbeitee hat das Doppelte an antioxidativem Potenzial wie Grüntee und das Dreifache wie Schwarztee. In der Pflanze finden sich wertvolle Mineralstoffe wie Magnesium, Eisen, Zink und Mangan, welche das Immunsystem sowie das Herz stärken. An Polyphenolen sind zu nennen: Rosmarinsäure, Carnosolsäure, Kaffeesäure und Cirsimaritin. Diese Polyphenole beugen nachweislich Krebs vor, unterdrücken das Wachstum von krankmachenden Bakterien, Viren und Pilzen, verhindern die Oxidation von Fetten und Cholesterin im Körper, beugen Blutgerinnseln vor, stärken das Immunsystem, hemmen Entzündungen, regulieren den Blutdruck und normalisieren den Blutzuckerspiegel.

Salbei soll sogar als Krebsheilpflanze untersucht worden sein und wurde nicht zuletzt aufgrund der vorbeugenden Wirkung gegen Demenz und Alzheimer als "Arzneipflanze des Jahres 2023" ausgezeichnet. Was macht Salbei so wertvoll im Kampf gegen diese Krankheiten, und wie wird er therapeutisch verwendet?

Barbara Simonsohn: Das Flavonoid Quercetin schützt am stärksten vor Krebs, aber auch die Phytoöstrogene in Salbei halten Tumorwachstum in Grenzen und beugen gleichzeitig hormonell bedingten Krankheiten wie Brust-, Gebärmutter- und Prostatakrebs vor. Ebenso hemmen die Triterpene in Salbei wie Ursolsäure und Oleanolsäure die Tumorentwicklung. Die Ballaststoffe im Salbei beugen vor allem Dickdarmkrebs vor. Die Anti-Krebs-Wirkung von Salbei beruht außerdem darauf, dass Salbei direkt die DNA von Krebszellen schädigt. Salbei-Extrakte wirken zelltoxisch selektiv auf Krebszellen: Diese können sich nicht mehr vermehren, und die Apoptose der Krebszelle - das Selbstzerstörungsprogramm - wird gefördert, ohne gesunde Zellen zu beeinträchtigen. Polyphenole wie Carnosol und Luteolin aktivieren die Natürlichen Killerzellen NKZ, welche eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Krebszellen spielen, und behindern die Migration der Letztgenannten, damit also die Metastasierung. Ich würde zur Krebsprophylaxe täglich auf Salbeiprodukte wie Tee, Salbeiöl oder Salbeiextrakte zurückgreifen, die man selbst herstellen kann, die aber auch von vielen Firmen angeboten werden.

Sie schreiben in ihrem Buch, dass Salbei von innen und außen schön macht und ganzheitlich auf Körper, Geist und Seele wirkt. Wie ist das zu verstehen?

Barbara Simonsohn: Salbei verbessert das Gedächtnis und die Konzentration und beugt degenerativen Gehirnerkrankungen wie Demenz und Alzheimer vor, wie Studien bestätigen. Das ätherische Öl des Muskatellersalbeis wirkt stimmungsaufhellend und wird bei leichten bis mittleren Depressionen eigesetzt. Naturkosmetik auf Salbeibasis verschönt die Haut, lässt das Haar glänzen und hilft auch bei Hautproblemen wie Akne, bei Fußpilz und bei Insektenstichen.

Salbei wird nicht nur als Gewürz, in Kosmetika und als Duftöl oder als Arznei verwendet, sondern kommt sogar bei der Konservierung von Lebensmitteln oder in der nachhaltigen Landwirtschaft zum Einsatz. Welche Rolle spielt Salbei hier, und welche Bedeutung kann diese Allzweck-Arzneipflanze in der Zukunft noch gewinnen?

Barbara Simonsohn: Schon die alten Römer haben Fleisch und Fisch in Salbeiblätter gewickelt, um sie länger haltbar zu machen. Chemische Konservierungsmittel können zwar Lebensmittel länger haltbar machen, sind aber ungesund. Hier, so vermuten die Forscher, werden Salbeiextrakte künftig eine größere Rolle spielen, weil immer mehr Verbraucher auf ihre Gesundheit achten. In der Landwirtschaft sind Agrargifte wie Insektizide, Herbizide und Fungizide ein großes Problem. Sie tragen maßgeblich zum Artensterben bei, gefährden unsere Gesundheit, führen zu Resistenzen und schädigen Bodenlebewesen wie Regenwürmer und Springschwänze. Salbeiextrakte haben sich im Gartenbau und in der Landwirtschaft zur Vorbeugung von Insektenfraß und zur Eindämmung von Pilzkrankheiten bewährt. Ich bin mir sicher, dass Salbeipräparate in Kürze auch in der Regenerativen Landwirtschaft einen festen Platz einnehmen werden.

Salbei stammt zwar aus dem Mittelmeerraum, doch findet er sich heute in fast jedem Garten Europas. Was sollte man beim Selbstanbau und bei der Anwendung von Salbei für Körper und Küche beachten?

Barbara Simonsohn: Die Sorte mit dem größten Heilwert - der Echte Salbei, Salvia officinalis, auch Gartensalbei genannt - ist Gott sei Dank frosthart bis minus 18 Grad und daher heute auch in Süd-Skandinavien und Irland zu finden. Die Salbeipflanze besitzt eine große ökologische Anpassungsfähigkeit, stellt keine hohen Ansprüche an den Boden und gehört zu den Klimagewinnern. Mit Trockenperioden und Hitze kommt die Pflanze aufgrund der wachsartigen Beschichtung der Blätter bestens klar. Andere Salbeisorten, wie Ananassalbei, Spanischer Salbei, Muskatellersalbei und viele Zierformen des Gartensalbeis, sind allerdings nur bedingt winterhart. Daher sollte man beim Kauf danach fragen, ob die Salbeisorte frostresistent ist. Nach dem vierten Jahr nimmt der Gehalt an ätherischen Ölen und weiteren wertvollen Inhaltsstoffen wie Polyphenolen ab; man sollte daher die Mutterpflanze durch Stecklinge vermehren und durch Jungpflanzen ersetzen. Summa summarum: Der Gartensalbei ist eine sehr pflegeleichte Pflanze.


Barbara Simonsohn (geb. 1954) ist Ernährungsberaterin und Reiki-Lehrerin. Seit 1982 gibt sie Seminare im In- und Ausland, vor allem über das authentische Reiki mit sieben Graden, aber auch in Azidose-Therapie und -Massagen nach Dr. Renate Collier sowie in Yoga. Darüber hinaus befasst sie sich intensiv mit dem Thema „gesunde Ernährung“ und gilt als Expertin für „Superfoods“. Regelmäßig reist die Hamburgerin nach Indien, wo sie meditiert und ehrenamtlich als Englischlehrerin für Waisenkinder arbeitet; außerdem fördert sie Moringa-Projekte und hat im Rahmen ihrer Entwicklungsarbeit auf Haiti Fruchtbäume gepflanzt und Bio-Gärten angelegt. Seit 1995 hat Barbara Simonsohn zahlreiche Ratgeber im Bereich der ganzheitlichen Gesundheit veröffentlicht; die Gesamtauflage ihrer Bücher beläuft sich auf etwa 580.000 Exemplare.

Hinweis zum Artikelbild: © Marek Gottschalk - AdobeStock


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