Artikel aus der Ausgabe 11/12-2024
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ARTIKEL aus der Ausgabe November/Dezember 2024
- Vom Opfer zum Schöpfer … von Wolf Sugata Schneider
- Frühkindliche Traumawunden und Wege zu ihrer Heilung … von Peter Maier
- Die Wunden des Verrats … von Peter A. Levine
- Die ohne Liebe sind … von Barbara Kiesling
- Was gibt es Neues in der Traumawelt? … von Pia Baerwald und Dr. med. Dietrich Sternberg
- Tod und Auferstehung im Licht-Bewusstsein … von Karin Karina Gerlach
- Für alle die den Tod fürchten … Franz Baake
- Die Magie und Kraft der Runen … Katharina Kaja Wewior
- Heilpflanzentipp: Bockshornklee … von Barbara Simonsohn
Vom Opfer zum Schöpfer raus aus der Traumafalle ... von Wolf Sugata Schneider
Trauma und Traumatisierung ist in aller Munde, im Privaten wie in der Politik. Ein Hype, der jetzt alle beschäftigt, die auf den Wellen des Zeitgeistes surfen wollen. Wenn dann die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird, ist es vielleicht vorbei mit dem, was jetzt noch als tiefe Erkenntnis gilt. Andererseits kann das Verständnis von Trauma unser Privatleben fundamental verbessern, einst Unheilbares heilen und auch in der Politik das Schlimmste verhindern. Traumabewusstsein kann Gewaltspiralen beenden in allen Bereichen des Lebens. Deshalb möchte ich mit dem folgenden Text Hoffnung machen, dass Trauma nicht nur ein Trend für Zeitgeistsurfer ist.
Zunächst zu dem, was Trauma eigentlich bedeutet. Die Wikipedia schreibt hierzu: "Als psychisches, seelisches oder mentales Trauma (altgriechisch ‚Wunde') wird in der Psychologie analog zum Trauma in der Medizin eine seelische Verletzung bezeichnet, die mit einer starken psychischen Erschütterung einhergeht und durch sehr verschiedene Erlebnisse hervorgerufen werden kann."
Bekannt wurde der Begriff Trauma zunächst im Kontext von PTBS, der Posttraumatischen Belastungsstörung. Als Veteranen aus dem Vietnamkrieg in die USA zurückkehrten und dort nicht mehr mit ihren vorigen Leben zurechtkamen, diagnostizierte man bei ihnen PTBS. 1980, fünf Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs, enthielt das offizielle Nachschlagewerk für die Klassifizierung psychischer Krankheiten, das auch bei uns verwendet wird, in seiner dritten Ausgabe (DSM III) zum ersten Mal PTBS.
Mehr Suizide durch PTBS als Kriegstote
Das Bekanntwerden solcher Störungen nahm in den Folgejahren noch zu, auch nach dem Irakkrieg. Für viele der Veteranen waren die Symptome so schlimm, dass sie ihr Leben freiwillig zu beenden suchten. So schrieb die österreichische Tageszeitung "Die Presse" im Oktober 2007: "Nach dem Vietnamkrieg begingen mehr US-Veteranen Selbstmord als im Krieg starben. Alarmierende Zahlen auch bei Soldaten, die im Irak und in Afghanistan dienten", und nannte die Zahl von mehr als 58.000 Toten durch Suizid allein unter den Vietnamkriegsveteranen. Nicht mitgezählt sind dabei die, denen der Selbstmord nicht gelang oder die aus religiösen Gründen nicht aus dem Leben scheiden wollten, obwohl es für sie zur Hölle geworden war.
Vom Pathos des guten Kriegs zum folgenden Absturz
Lassen sich diese Zahlen auch auf andere Kriege anwenden, etwa die Weltkriege und die aktuellen Kriege in Afrika, Myanmar, in der Ukraine und im Nahen Osten? Oder ist der Unterschied zwischen dem Ethos, mit dem die US-Soldaten in Vietnam, in Afghanistan und im Irak angetreten waren als vermeintliche Retter der Unterdrückten und dem. was sie dort im Land erlebten besonders hoch? Das Pathos mit dem die USA seit der Landung in der Normandie im Juni 1944 glauben, generell gute Kriege zu führen, wo auch immer sie auftreten, muss ja für die Psyche der Einzelnen, die dann die Realität erleben, früher oder später zu Selbstzweifeln führen. Offenbar oft genug auch zum Kollaps des Selbstbildes und ihrem Bild der Nation, für die sie gekämpft hatten.
Missbrauch im Intimsten
In den Jahren nach den Indochina-Kriegen, nach 9/11 (in 2001) und den Kriegen in Afghanistan und dem Irak breitete sich das Wissen um Traumatisierung auch in privaten und religiösen Kontexten immer mehr aus. Gewalttaten in Familien und durch religiöse Würdenträger wurden bekannter und umfassten sowohl körperliche wie psychische Gewalt. Der Missbrauch in diesen Bereichen hat deshalb für die Opfer besonders schlimme Auswirkungen, weil hier das Vertrauen in die ihnen am nächsten Stehenden und das ihnen Allerheiligste verloren ging. Das wirkt auf die Betroffenen oft schlimmer als eine Bedrohung oder Vergewaltigung durch Fremde.
Geht es uns wirklich so schlecht?
Oft frage ich mich beim Lesen solcher Berichte: Ist es heute wirklich schlimmer als früher, wo das Risiko Gewalt zu erleben statistisch viel größer war? Oder sind wir einfach nur empfindlicher geworden und manchmal vielleicht auch ein bisschen zu wehleidig? Gewiss ist die Scham, sich selbst und anderen eine psychische Störung einzugestehen, heute viel geringer als in den Zeiten vor Sigmund Freud. Heute ist es normal, eine Therapie zu machen, sich coachen zu lassen und sich hin zu mehr Liebe und Achtsamkeit entwickeln zu wollen. Es ist auch normaler geworden, sich auf diesen Gebieten Defizite einzugestehen. Dabei entdeckt man früher oder später auch in sich selbst das eine oder andere Trauma.
Viktor Frankl als Beispiel für Resilienz
Der KZ-Überlebende Viktor Frankl allerdings war ein Mensch, der das Schlimmste erfahren hat und das psychisch offenbar gut überstand. Er war insgesamt fast zweieinhalb Jahre in Konzentrationslagern interniert. Seine Frau wurde im KZ Bergen Belsen ermordet, seine Mutter und sein Bruder in Auschwitz. Seine Erfahrungen im KZ verarbeitete er in dem Buch "Trotzdem Ja zum Leben sagen". Wie hat er das nur geschafft? Eine seiner Antworten ist: Im Leben einen Sinn zu sehen hilft, auch das Schlimmste zu überleben. Jedenfalls war Frankl nach der Zeit im KZ ebenso kreativ und sozial hilfreich wie davor und anscheinend ein glücklicher Mensch.
Vom Rad der Wiederkehr zur Spirale
Ich meine, dass es hilft, auch bei den schlimmsten Erfahrungen sich nicht nur als Opfer zu sehen. Auch wenn die Zuweisung von "A ist der Täter und B das Opfer" im Rechtlichen, Sozialen und der Ethik sinnvoll ist, können wir innere Ruhe, Versöhnung und Frieden nur im Absoluten finden. Der Sufi-Mystiker Rumi nannte es so: "Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns." Die Zuweisung einer Täterschaft ist immer nur relativ. Auch alle Täter haben ihre Opfergeschichte. Meist sind es gerade die Traumatisierten, die wieder andere traumatisieren. Wenn Opfer zu Tätern werden, dreht sich das Rad des Samsara weiter.
Weil wir die Tendenz haben, das uns selbst Angetane als sehr schlimm zu empfinden und das, was wir anderen antun, als nicht so schlimm, eskaliert die Dynamik der Vergeltung, und das Rad wird zur Spirale. Die Gewalteskalation zwischen Völkern, Ethnien, Nationen und Individuen unterliegt dabei ähnlichen Dynamiken wie die im Privaten.
Teil sein von einem größeren Ganzen
Solchen Eskalationen können wir nur durch Mitgefühl entkommen. Das beginnt zunächst als Selbstliebe, neuerdings oft auch Selbstmitgefühl genannt. Gemeint ist die Fähigkeit sich selbst als liebenswert und wertvoll zu empfinden. Sich dabei einzugestehen, dass das höchste Maß an Liebe und Lebensglück nur im Miteinander erfahrbar ist und zu wissen, dass ich Teil eines größeren Ganzen bin, dem ich angehöre. In diesem größeren Ganzen wirkt von mir ausgehende Gewalt ebenso auf mich zurück wie von mir ausgehende Liebe. Diesem größeren Ganzen bin ich keineswegs egal, sondern unabdingbar wichtig. Etwa so wie die Zelle in einem Organismus; ihre semipermeable Membran lässt nicht alles durch, sondern genau das Richtige und ist so für den Organismus, dem sie angehört, unverzichtbar.
Auch bei größter Einschränkung von Freiheit, wie Viktor Frankl sie in Auschwitz erfuhr und Jacques Lusseyrand in Dachau, kann man den eigenen Freiraum nutzen um für andere da zu sein als Mut und Trost Spendender. Den Freiraum zu nutzen, wie gering auch immer er ist, das ist auch Nelson Mandela gelungen in den 27 Jahren seiner Gefangenschaft. Diesen Freiraum zu erkennen und zu nutzen gibt uns Menschen Würde.
Mitläufer in einer traumatisierten Gesellschaft
Meine große Hoffnung ist, dass das Bewusstsein von Traumatisierung und der Möglichkeit seiner Heilung sich auch im Kollektiven entfaltet und so Kriege und Völkermord vermieden werden können. Deshalb verweise ich hier auf Gabor Matés geniales Buch "Vom Mythos des Normalen". 1944 in Ungarn geboren, entkam er wundersam dem Holocaust, wurde dann erst stalinistisch konditioniert, später in Kanada westlich. Er durchschaute beides und diagnostiziert heute die ganze Gesellschaft als traumatisiert.
Wolf Sugata Schneider, Jg. 52. 1985-2015. Hrsg. der Zeitschrift Connection. Autor von »Sei dir selbst ein Witz« (2022). www.connection.de, www.bewusstseinserheiterung.info, www.ankommen.website
Hinweis zum Artikelbild: © Nina_AdobeStock
Frühkindliche TraumaWunden und Wege zu ihrer Heilung ... von Peter Maier
Viele chronische Leiden wie Krebs, undefinierbare Rückenschmerzen, Multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis haben ihre Ursachen in der Kindheit: in unbewältigten Traumata, in unerlösten, toxisch gewordenen Emotionen, in schädlichen Einprägungen im Sozialisationsprozess und in krankmachenden Bewältigungsstrategien. Auch wenn solche Ereignisse schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegen, verursachen sie einen seelischen Stress, der sich später bei vielen Menschen auch physisch niederschlagen kann - in körperlichen Symptomen, in chronischen Krankheiten. Dazu schreibt Dr. Gabor Maté, einer der bedeutendsten Trauma-Forscher unserer Zeit ganz allgemein:
"Die biologischen Voraussetzungen möglicher Erkrankungen entstehen früh im Leben. Die Stressreaktionsmechanismen des Gehirns werden durch Erfahrungen, beginnend in der frühen Kindheit, programmiert. Ebenso wie die unausgesprochenen, unbewussten Erinnerungen, die unsere Einstellung und unser Verhalten uns selbst, anderen und der Welt gegenüber bestimmen." Gerade die oben erwähnten chronischen Erkrankungen "... sind keine schlagartig eintretenden Neuentwicklungen im Erwachsenenalter, sondern Gipfelpunkte lebenslanger Prozesse. Die menschlichen Interaktionen und biologischen Prägungen, die diese Prozesse geformt haben, fanden in Lebensabschnitten statt, an die wir uns vermutlich nicht bewusst erinnern können." (1)
Tiefere Hintergründe von chronischen Krankheiten
Kein Wunder, dass gerade bei chronischen Krankheiten unsere herkömmliche (Schul-)Medizin in so vielen Fällen machtlos ist. Denn sie blickt nur auf die körperlichen Symptome im Hier und Jetzt und lässt in der Regel psychologische Faktoren außer Acht, die für die Entstehung der Krankheit mit- oder sogar hauptverantwortlich sind: seelische Schocks in der Kindheit, verdrängte, ins Unbewusste verschobene Emotionen, erlittene schädliche Prägungen durch die wichtigsten Erziehungspersonen u.s.w.
Gerade Traumata sind oftmals tief ins Vergessen abgesunken, weil es damals für das Kind keine Möglichkeiten ihrer Bewältigung gab. Es ist daher ein Überlebensmechanismus und zunächst ein vielleicht kluger Schachzug der Seele, gerade schlimme Erlebnisse und Ereignisse zu verdrängen. Aber die damit verbundenen Emotionen sind nicht einfach weg, sie schlummern vielmehr in unserem Schattenbereich und fangen dann oft viele Jahre später an, seelisch zu "eitern": toxisch zu werden und immer mehr zu rumoren.
Da die Seele damals bei dem schlimmen Ereignis oder Trauma verwundet wurde, durch das Verdrängen und Vergessen aber auch später keinerlei Abhilfe bekam, greift sie zu einem starken "Mittel", um sich endlich Gehör zu verschaffen: Sie verschiebt ihre alte Verletzung auf die körperliche Ebene und zeigt sich dort als hartnäckiges körperliches Symptom. Gerade chronische Krankheiten sind daher vor diesem Hintergrund als "Schrei der Seele" und oftmals als ihr letzter Ausweg anzusehen, um sich uns Menschen mitzuteilen. Damit dienen sie im Grunde den Betroffenen, um prinzipiell den psychischen Ausgleich wieder herstellen zu können. Vor dem Hintergrund dieser Auffassung ist es daher falsch, diesen Symptomen nur den Krieg zu erklären und sie etwa mit starken Medikamenten zu bekämpfen, um sie so unter allen Umständen möglichst schnell wieder weg zu haben.
Viele Betroffene wollen auch nichts mit dem "Psychischen" zu tun haben. Daher gehen sie eine unheilvolle Allianz mit den sie behandelnden Ärzten ein, die "nur" auf die Symptome selbst schauen, aber keine Zeit und meist auch kein Interesse daran haben, tiefer zu blicken: auf die wahren und eigentlichen Ursachen hinter der Krankheit. Operationen und die Gabe starker Medikamente können das Leiden vielleicht lindern, sie oft aber aus den genannten Gründen nicht wirklich beseitigen. Zudem haben viele Medikamente unvermeidliche Nebenwirkungen, die den Organismus auf Dauer belasten können.
Wie aber kann dann eine Heilung von Traumata und eingeprägten toxisch gewordenen Emotionen erfolgen? Ein erster wichtiger Schritt ist das Aufsuchen der emotionalen Ursachen hinter den Symptomen. Werden die Gründe bewusst, die für die Krankheit wahrscheinlich verantwortlich sind, kann dies in nicht wenigen Fällen bereits dazu führen, dass die Symptome wieder verschwinden. Denn dann wurde ja der "Schrei der Seele" gehört, der sich hinter vielen vor allem chronischen Krankheiten verbirgt, und die Seele kann das bekommen, was ihr fehlte und warum sie das Symptom überhaupt gezeigt hat: zum Beispiel eine wesentliche "Ent-Stressung" durch ein grundlegendes Überdenken der bisherigen Lebenseinstellung.
Oft reicht dieses Bewusstwerdens der Ursachen jedoch noch nicht aus, um wieder gesund zu werden. Dann braucht es noch den zweiten Schritt eines offensiven Handels. Wie dieses aussehen kann, soll im Folgenden exemplarisch an Hand von drei Wegen zur Heilung von Traumata und von negativen Emotionen aufgezeigt werden.
Weg 1: Wallfahrten
Vielen Menschen hilft es, zu einem ihnen vertrauten Wallfahrtsort zu gehen, um dort der "Mutter Gottes", dem Göttlichen oder einem Heiligen, der dort verehrt wird, ihre Anliegen vorzutragen und die Sorgen, Nöte und Ängste abzugeben. Diese innere, psychologisch-spirituelle Bewegung ist dann umso erfolgreicher, wenn die Betroffenen mit dem Abgeben ihrer negativen Emotionen zugleich ihre Opferrolle losgelassen und den möglichen "Tätern" verzeihen, falls es sich um ein mitmenschlich verursachtes Problem handelt. Wie stark ein Wallfahrtsort wirken kann, habe ich selbst in der berühmten Gnadenkapelle in Altötting erlebt:
"Vor einigen Jahren machte ich eine ganz persönliche Wallfahrt zur ‚Schwarzen Madonna' in Altötting, die seit 800 Jahren in der kleinen Gnadenkapelle verehrt wird. Dieser Ort erscheint mir als der größte ‚spirituelle Staubsauger' Bayerns, der jährlich von über einer Million Gläubigen besucht wird. Denn viele von ihnen tragen ihre Sorgen und psychischen Lasten dorthin und werfen sie vor der Madonna ab.
Die Gnadenkapelle ist ganz in schwarz gehalten, nur der Altar mit der mit wundervollen Kleidern versehenen Mutter-Gottes-Figur ist angeleuchtet. Auch brennen stets einige Kerzen in dem Altarraum, in dem sich nur etwa zehn Sitzbänke befinden. In der Regel herrschen hier vollkommene Stille und Andacht. Ich saß einige Stunden dort, um der ‚Holy Mary' auch meine Anliegen vorzutragen und mich von dem spirituellen Ort aufladen zu lassen. Was ich aber dann gesehen habe, werde ich nie mehr vergessen. Denn eine Frau mittleren Alters kam herein, blickte zur Maria, warf sich dann vor dem Madonnen-Alter auf den Boden und blieb so mehrere Minuten lang liegen.
Für mich schien, die Zeit stehen zu bleiben. Ich konnte als Beobachter in unmittelbarer Nähe dieser Frau förmlich spüren, wie ihre Sorgen aus ihr heraus- und in die schwarze Madonna hineinströmten. Es fand also in dieser Phase vollkommener Hingabe der Frau eine ebensolche vollkommene Aufnahme ihrer sie belastenden Energien durch die schwarze Madonna statt. ‚Schwarze' (negative) Gefühle wurden aus der Psyche der Frau abgesaugt und von der ‚schwarzen' Maria aufgenommen, die in diesem Moment zu einem Auffangbecken für toxische, ‚schwarze' Emotionen wurde.
Nach einer mir als sehr lange empfundene Zeit stand die Frau wieder auf, verbeugte sich noch einmal tief vor der Marienfigur und verließ anschließend die Kapelle durch den engen Seitenausgang. Die Frau hatte einen entspannten, fast entrückten Gesichtsausdruck. Offensichtlich hatte sie selbst das tiefe Gefühl, dass die Heilige Maria sie im Innersten verstanden und ihr die schwere Last abgenommen hatte, mit der sie gekommen war. Nun war sie mit ihren Sorgen nicht mehr allein. Sie wirkte sehr erleichtert und gefasst.
Ich weiß natürlich nicht, was die konkreten Sorgen oder Anliegen dieser Frau waren. Ich wusste aber nun umso mehr, dass die Schwarze Madonna auch meine Ängste aufnehmen würde, die aus traumatischen frühkindlichen Erlebnissen herrührten."
Weg 2: Die Dispenza-Methode
Dr. Joe Dispenza hat sich sehr mit Hirnforschung und mit der Einwirkung von Emotionen auf das Gehirn beschäftigt. Schon im Vorwort seines Buches "Ein neues Ich" heißt es ganz allgemeinen:
"Wenn Ihr Gehirn richtig funktioniert, funktionieren auch Sie richtig; und hat Ihr Gehirn Probleme, haben höchstwahrscheinlich auch Sie Probleme. Ein gesünderes Gehirn führt zu mehr Glück, physischer Gesundheit, Wohlstand und Weisheit … Ist das Gehirn aus irgendeinem Grund nicht gesund - beispielsweise aufgrund einer Kopfverletzung oder eines emotionalen Traumas aus der Vergangenheit, sind die betroffenen Menschen trauriger, kränker und ärmer, weniger weise und weniger erfolgreich.
Dass ein Trauma Verletzungen im Gehirn bewirken kann, ist leicht einsichtig; doch wie wir aus der wissenschaftlichen Forschung wissen, können auch negatives Denken und eine schlechte Programmierung infolge vergangener Erfahrungen das Gehirn beeinträchtigen … So gut wie jeder hat die eine oder andere Art Trauma erlitten und trägt die dabei entstandenen Narben mit sich herum. Das Gehirn von diesen Erfahrungen, die Teil der Struktur geworden sind, zu säubern, ist unglaublich heilsam … Doch daneben üben die ständig ablaufenden Gedanken einen äußerst heilsamen Effekt auf das Gehirn aus oder sie können es schädigen. Das gilt auch für Erfahrungen aus der Vergangenheit; sie können sich im Gehirn sozusagen festsetzen und ‚verdrahten'." (2)
Der Ansatz von Dr. Dispenza ist es nun, das Gehirn durch neue positive, heilende Gedanken umzuprogrammieren. Dabei nimmt er die Erkenntnisse der heutigen Quantenphysik hinzu. Im Quantenfeld des Universums sind nahezu unendlich viele Möglichkeiten gespeichert - auch die Möglichkeit für den einzelnen Patienten, wieder vollkommen gesund zu werden und dann auch gesund zu bleiben. Damit jedoch aus dem vorhandenen Potential im Quantenfeld die reale Möglichkeit zu einer Heilung im Leben des Betroffenen wird, müssen zwei Dinge unbedingt miteinander verbunden werden:
- eine klare Intention, also eine gedanklich möglichst genaue Vorstellung und dann auch ausgesprochene Formulierung des gewünschten geheilten Zustandes;
- eine positive Emotion, die mit diesem neuen Heils-Zustand von Anfang an verbunden wird.
Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass sich jemand mit chronischen Rückenschmerzen vorstellt, wie er sich voll Freude (!) und Leichtigkeit bei Sonnenschein auf einer Wiese oder wandernd in einem Frühlingswald bewegt.
Damit so etwas auch wirklich gelingt, fordert Dr. Dispenza seine Leser und Hörer dazu auf, zuerst in einer geführten Meditation schöpferisch ein neues Ich zu erschaffen, sich also eine neue, gesunde Persönlichkeit vorzustellen, diese von Anfang an mit einer freudigen Emotion zu verbinden und sie dann im Alltag umzusetzen:
"Indem Sie also diese veränderte geistige und körperliche Verfassung den ganzen Tag aufrecht erhalten, sollte sich in Ihrem Leben etwas Neues ergeben." (3)
In dieser geführten Dispenza-Meditationen werden auch alte toxische Emotionen zunächst als solche benannt, dann sehr bewusst und offensiv aus dem geistigen Haus geworfen, sie dem Universum übergeben und schließlich durch neue, freudige und glückliche Emotionen ersetzt.
Im Gegensatz zu Menschen, die ihre Sorgen und Probleme letztlich passiv an einen Wallfahrtsort bringen und sie dort mit der Bitte um Heilung an das Göttliche übergeben (s. Weg 1), will Dr. Dispenza seine Zuhörer und Leser zu einer noch aktiveren Haltung motivieren. Er macht ihnen bewusst, dass sie aufgrund ihres göttlichen Wesens selbst zu Schöpfern ihres Lebens berufen sind. Denn das bedeutet in Wahrheit das Menschsein: Teil der göttlichen Schöpfung zu werden, selbst schöpferisch zu sein und sein Schicksal und seine Gesundheit in die eigenen Hände nehmen. Indem neue geistige Ziele mit wunderbaren Gefühlen verbunden und beide anschließend mental-emotional ins göttliche Quantenfeld gesandt werden, kann dies ganz praktisch erreicht werden. Da in diesem morphogenetischen Feld letztlich alles möglich ist, sollte sich der "Auftraggeber" beim Universum sofort für das Erfüllt-Werden seiner Bitten bedanken.
Diese Dispenza-Methode kann sehr gut auch auf frühkindliche Traumata und toxisch gewordene, unverdaute Emotionen aus dieser Zeit angewandt werden. Indem neue, gesunde Muster mental eingeübt und mit freudigen Gefühlen verbunden werden, ist eine geistige, emotionale und körperliche Gesundung durchaus im Bereich des Möglichen.
Weg 3: Geistig-schamanische Heilungsbilder
Dieser Weg stellt ein großes Feld dar. Da es in diesem Bereich nicht "den" Schamanismus und "die" Geistheilung gibt, sondern sehr viele unterschiedliche Vorstellungen, Methoden und Vorgehensweisen, möchte ich mich bei diesem dritten Weg zu Heilung auf ein sehr konkretes Beispiel beschränken: auf die Situation von Robert (62 Jahre). Seit vielen Jahren war er von schlimmen Symptomen heimgesucht - von Tinnitus, von einem beständig verkrampften Rücken, von einer Krebserkrankung (Prostatakrebs), von einer unerklärlichen inneren Unruhe und Anspannung u. v. m.
Es dauerte viele Jahre, bis er sich den emotionalen Hintergründen und Ursachen bewusst wurde, die wohl hinter all diesen Symptomen standen: das grundlegende Abgelehnt-Werden schon als Baby und als kleines Kind. Diese Erfahrung mit seinen Eltern hatte schon sehr früh existentielle Ängste bei ihm ausgelöst. Er geriet in tiefe, ohnmächtige Verzweiflung, später in einen beständigen "Kampf- und Flucht-Modus", fürchtete um sein Leben und hatte daher einen grundlegenden Lebens-Stress in sich. Dieser war keine bloße Einbildung, sondern damals wohl sehr real. Denn durch eine langjährige Psychotherapie, sowie durch intensive Nachforschungen in seiner Herkunftsfamilie wurde ihm klar, dass seine Mutter mehrfach versucht hatte, ihn abzutreiben. Nach seiner Geburt erlebte er hauptsächlich Aggression und physische Gewalt durch sie. Er war nicht erwünscht auf der Welt. Daher seine Ur-Angst, die ihn so stresste und die Symptome erzeugte, obwohl die Gefahr ja real schon lange nicht mehr existent war.
Diese Überlebensangst hatte sich offenbar ins Hirn-, Hormon-, Nerven- und Immunsystem festgesetzt und ihn seither nicht mehr losgelassen. Wie aber sollte er sich von diesen traumatischen embryonalen und frühkindlichen Erlebnissen befreien? Nachfolgend sein Bericht über eine Heilsitzung bei einem einfühlsamen Heilpraktiker: von einer geistig-schamanischen Reise, die er unter seiner Anleitung unternahm:
"Ich sah mich als Embryo im Bauch meiner Mutter. Ich wusste, dass sie mich abtreiben und damit umbringen wollte. Das bewirkte eine beständige Todesangst in mir. Doch nun sah ich mich gleichzeitig in drei Personen: als hilfloses Embryo, als ‚Mann Gottes' und als ‚Göttliche Mutter'. Der mich bergende kraftvolle Mann Gottes und die liebende Göttliche Mutter legten sich nun im Bauch der Mutter um mich als Embryo, hüllten mich rundum ein mit ihren beiden Körpern und vermittelten mir glaubhaft, dass ich ab jetzt vollkommen ‚save' sei und mich nicht mehr vor meiner Mutter fürchten musste.
Dies war ein wunderbares Gefühl, das ich so noch nie erlebt hatte. Nun begann ich mich vollkommen zu entspannen und mich auf das Leben zu freuen. Als meine Mutter dann den nächsten Abtreibungsversuch unternahm, spürte ich kaum mehr etwas davon.
Meine beiden göttlichen Helfer, die ich aber selbst war, hielten Wache und diese Todesschwingung vollkommen von mir fern. So kam ich gut durch die Schwangerschaft und wurde als wunderbares Kind geboren - angenommen und geliebt vom Göttlichen selbst."
Bleibt noch zu erwähnen, dass Robert solche geistigen Reisen noch öfter unternahm, dabei nochmals zu allen ihm bewussten traumatischen Lebenssituationen hinging und sie im Beisein seiner göttlichen Führer (s.o.) vollkommen veränderte: raus aus der Panik und hinein ins göttliche Geborgen-Sein. Dies führte dazu, dass sich seine Grund-Angst deutlich verringerte und seine Stress-Symptome immer schwächer wurden oder sich ganz in Luft auflösten.
[Literaturhinweise: Gabor Maté: Wenn der Körper nein sagt. Wie verborgener Stress krank macht - und was Sie dagegen tun können. Kandern, Auflage 2023, S. 207 f. (1) | Dr. Joe Dispenza: Ein neues Ich. Wie Sie Ihre gewohnte Persönlichkeit in vier Wochen wandeln können. Dorfen, Auflage 2021, S. 11 f. (2), und S. 353 (3).]
Peter Maier (Lebensberatung, Supervision, Initiations-Mentoring, Autoren-Tätigkeit)
Bücher von Peter Maier:
WalkAway – Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst. Epubli Berlin 2023
Heilung – Die befreiende Kraft schamanischer Rituale. Epubli Berlin 2022
Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin. Epubli Berlin 2020
Heilung – Initiation ins Göttliche. Epubli Berlin 2020
Infos/Buchbezug unter www.alternative-heilungswege.de und www.initiation-erwachsenwerden.de
Hinweis zum Artikelbild: © furyon_AdobeStock
Die Wunden des Verrats ... Aus dem Buch von Peter A. Levine: Lernen, den Tiger zu reiten
"Ich verstehe den Schmerz. Der Schmerz hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Aber Schmerz ist nichts im Vergleich zum Verrat. Und Verrat ist nichts im Vergleich zu dem Wissen, dass der Speer, der in deinen Rücken gerammt wurde, von der einzigen Person in deinem Leben stammt, der du wirklich vertraut hast." (Brad Meltzer, The Book of Lies)
Als ich ungefähr acht Jahre alt war, nahm mich mein Onkel Jack (der jüngere Bruder meiner Mutter und eine wichtige Bezugsperson in meinem Leben) in einen Elektrofachmarkt mit, der einem Cousin gehörte. Als wir durch die engen Gänge des Depots gingen, fiel mein Blick auf einen Behälter mit elektrischen Türklingeln und Drucktastenschaltern. Ich erfand eine Ausrede, um allein in den Gang zurückzukehren; dort holte ich tief Luft, schnappte mir eine Klingel und einen Schalter aus dem Regal und stopfte sie in meine Hosentaschen, die sich dabei ordentlich ausbeulten. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Vor lauter Angst, erwischt zu werden, war ich innerlich wie erstarrt, bis wir die Wohnung meiner Familie in der Bronx erreichten. Dort angekommen, lief ich in den Keller, wo ich einen großen Pappkarton in Besitz genommen hatte, in dem sich vorher ein brandneues Fernsehgerät aus den 1940er-Jahren befunden hatte.
Ich lief mit dem leeren Karton auf dem Arm in unsere Wohnung zurück. Mit einer Schere, die ich mir in der Küche besorgte, schnitt ich eine Tür und ein kleines Fenster in den Karton. Dann befestigte ich den Schalter und die Klingel an der Tür meines geheimen Clubhauses. Nachdem ich die Klingel an die Steckdose angeschlossen hatte, freute ich mich unbändig über den lauten kratzenden Ton.
Noch größer war meine Freude angesichts der Vorstellung, dass alle, die zu mir wollten, klingeln und um Einlass bitten mussten, um mein Geheimversteck, meinen sicheren Hafen, mein Refugium betreten zu dürfen. Damit hatte ich die Möglichkeit geschaffen, eine zuverlässige und schützende "akustische Grenze" zu setzen. Ich hatte, nebenbei bemerkt, großes Glück, einem tödlichen Stromschlag zu entgehen, denn die Klingel war. wie ich später feststellte, auf einen 24-Volt-Transformator und nicht auf eine Steckdose mit 120 Volt ausgelegt.
Meine Eltern waren auf den lauten Klingelton aufmerksam geworden und hatten sich ausgerechnet, woher er kam. Und wahrscheinlich errieten sie ebenso schnell, dass ich die Bauteile aus der Lagerhalle herausgeschmuggelt hatte. Gemeinsam drangen sie in mein Zimmer ein, packten mich an den Armen und zerrten mich aus meinem vermeintlich sicheren Hafen. Nachdem sie mich durch den Flur ins Wohnzimmer geschleift hatten, überzogen sie mich mit einem Sperrfeuer von Fragen und Anschuldigungen, auf die ich mit beharrlichem Leugnen reagierte. Dann verpassten sie mir eine Ohrfeige nach der anderen, sie wechselten sich dabei ab. Sie setzten ihre Verhörmethoden nach Stasi-Manier fort, vermutlich nur mehrere Minuten, aber sie kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Schließlich brach ich schluchzend zusammen und gestand. Meine Willenskraft war gebrochen. Am Boden zerstört schlich ich in mein Bett, wo ich leise vor mich hin weinte und schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Als ich aufwachte, war die Welt eine andere geworden.
Ich kenne viele Leute, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich, die eine von Gewalt, Misshandlung oder Missbrauch und Vernachlässigung geprägte Kindheit durchstehen mussten. Im Vergleich dazu empfinde ich die Bürde der eigenen Gewalterfahrungen, die ich mit mir herumtrug, als unerheblich. Nachdem ich fast ein halbes Jahrhundert lang mit traumatisierten Menschen gearbeitet habe, bin ich jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass man Traumata nicht miteinander vergleichen sollte. Wenn ich daraus etwas gelernt habe, dann das: Ein Trauma ist ein Trauma, ungeachtet des Auslösers! Fortwährende Gewalt und Misshandlung oder Missbrauch während der Kindheit können zu emotionaler Einengung, Dissoziation und physischen Schmerzen führen, aber wenn primäre Bezugspersonen daran beteiligt sind, auf deren Fürsorge, Liebe und Schutz wir vertraut haben, hinterlässt dieser Verrat zusätzliche seelische Verletzungen. Nach einem solchen Verrat gerät die Welt aus den Fugen, und nichts scheint mehr einen Sinn zu ergeben.
(...)
Um auf das gewalttätige Verhör und den Verrat meiner Eltern zurückzukommen - diese Erfahrung führte dazu, dass ich innerlich versteinerte. Ich war überzeugt, dass ich Strafe verdient hatte, dass ich tief in meinem Herzen böse und kriminell war.
Später, noch als Erwachsener, lebte ich in der ständigen Angst, als arglistiger Betrüger und Hochstapler entlarvt zu werden. Es schien, als wäre ich dazu verdammt, diese Schande bis in alle Ewigkeit mit mir herumzutragen. Sie verfolgte mich einen Großteil meines Lebens, und es bedurfte jahrelanger innerer Arbeit, um die Bürde dieser Selbstwahrnehmung abzulegen. Bis dahin beeinträchtigte sie mich und untergrub meine Fähigkeit, erfolgreich zu sein und in meinem Leben das zu erreichen, wonach ich mich sehnte. Nach eingehenden Überlegungen und der Entwicklung von mehr Selbstempathie begriff ich, dass es ausreichend gewesen wäre, wenn meine Eltern gesagt hätten: "Peter, es ist für ein Kind in deinem Alter erstaunlich, dass du es geschafft hast, die Klingel anzubringen, mit der Steckdose zu verbinden und sie zum Laufen zu bringen. Aber es ist nicht in Ordnung, sie einfach mitzunehmen, ohne zu fragen. Wir gehen gemeinsam zurück, dort kannst du dich entschuldigen und die Klingel bezahlen. Und wenn du uns gefragt hättest, Peter, hätten wir sie dir gern gekauft! Wenn du dir etwas wünschst, musst du darum bitten." Das würde mein erwachsenes Selbst zu einem fehlgeleiteten Kind sagen. Und genau das waren die Worte, die während einer "Therapiesitzung" mit dem imaginären Albert Einstein auftauchten. Er sprach mit meinen Eltern, in einem entschiedenen, aber einfühlsamen Ton und richtete diese unterstützenden, heilenden Worte an mich - ein weiteres Zeichen dafür, das er mein spiritueller Wegbegleiter und Beschützer war.
Mit Anfang vierzig erkundigte ich mich während eines Besuchs bei meinen Eltern, ob sie sich an diese gewalttätige Begebenheit erinnerten. "Nein", erwiderte mein Vater mit Nachdruck. "Das bildest du dir ein, das ist nie passiert." Doch noch während er sprach, wurden die Augen meiner Mutter tieftraurig, und sie unterbrach ihn: "Doch, Morris, es ist sehr wohl passiert. Wir machten uns Sorgen. Wir hätten uns niemals so verhalten dürfen. Es war falsch, es war schmerzhaft - wir haben ihn verletzt. Wir waren im Unrecht." Obwohl seit jenem Furcht einflößenden Tag etliche Jahrzehnte vergangen waren, war es irgendwie eine Erleichterung, zu hören, dass meine Mutter diesen Vorfall, wenn auch verspätet, zur Kenntnis nahm und die Misshandlung eingestand. Emotionale Heilung, wie ich sie heute verstehe, ist so unabdingbar!
So schmerzhaft diese Verletzung auch war, ich erfuhr später, dass es sich um den zweiten Verrat in meiner Kindheit handelte, der seine Spuren hinterließ. Die erste seelische Verletzung erwies sich als noch tiefer und folgenreicher. Sie fand statt, als ich knapp sechs Monate alt war. Sie wurde zu meiner Kernverletzung und zum primären Verrat. Es war eine Verlusterfahrung, die meine psychische Widerstandskraft, meine Resilienz, untergrub und ein brüchiges Fundament hinterließ, auf dem ich mein Leben aufbauen musste. Spätere Vertrauensbrüche und seelische Verletzungen trugen dazu bei, die unterschwellige Zerbrechlichkeit und das Angstbesetzte in der Bindung an meine Eltern noch zu verstärken.
Dieses traumatische Ereignis trug sich 1942 zu, als sich Amerika anschickte, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Meine Eltern machten sich Sorgen, dass mein Vater eingezogen und nach Europa an die Front geschickt werden könnte. Angesichts der ungewissen und unheilvollen Aussichten trafen sie in aller Eile die Entscheidung, noch einmal drei Wochen gemeinsam Urlaub zu machen. Ohne Vorwarnung luden sie mich bei meinen Großeltern mütterlicherseits ab, die zwar nett, aber nahezu Fremde für mich waren. Es gibt keine Worte, um die zutiefst verstörende Auswirkung der Trennung in diesem frühen Kindesalter und das Gefühl der Verlassenheit zu beschreiben.
In einem psychologischen Experiment zur Erforschung der Entwicklung im Kindesalter wurde ein kleiner Junge, noch im Babyalter, von seiner Mutter in einen ihm fremden Raum gebracht und dort mit einer unbekannten Forscherin allein gelassen. Zunächst war er untröstlich und weinte, danach erlitt er einen Wutanfall und brüllte wie am Spieß. Er ließ sich nicht beruhigen, obwohl sich die Forscherin liebevoll um ihn kümmerte und ihn zu trösten versuchte. Kurze Zeit danach schien sich der Kleine innerlich abzuschotten, schien in eine Haltung der Hilflosigkeit und Resignation zu verfallen. In diesem Zustand verharrte er, stumm und wie erstarrt, war nicht mehr ansprechbar und spielte nur noch allein mit einigen Bauklötzen. Als die Mutter ein paar Minuten später den Raum betrat, nahm er keinerlei Notiz von ihr, als würde er sie nicht mehr kennen. Er starrte ausdruckslos ins Leere. Er reagierte kaum auf das Wiedersehen, nicht einmal dann, als sie ihn vom Boden aufhob und auf den Arm nahm.
Als ich mir das Video zum ersten Mal ansah, war ich entsetzt. Mir wurde bewusst, dass diese Verlusterfahrung verheerende Auswirkungen auf den kleinen Jungen gehabt hatte. Die Trennung von der Mutter dauerte nur wenige Minuten, aber sie müssen ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen sein. Ich nehme an, dass meine Betroffenheit auch eine unbewusste Reaktion auf die drei Wochen war, in denen meine Eltern mich unverhofft allein gelassen hatten. Besonders besorgniserregend war für mich der nachhaltige Effekt, den die Trennung auf den kleinen Jungen - und auf mich - gehabt hatte! Wenige Jahre später wurde er, inzwischen im Kleinkindalter, noch einmal in denselben Raum gebracht. Obwohl er sich dieses Mal auf dem Arm seiner Mutter und in Sicherheit befand, ließ er Anzeichen von akutem Stress und Beunruhigung erkennen. Die Auswirkungen der Trennung, die kaum mehr als ein paar Minuten betragen hatte, waren ohne jeden Zweifel langwierig und möglicherweise erheblich.
Welche Folgewirkungen mochte dann eine dreiwöchige Trennung auf ein kleines Kind haben - ein Kind, das von Anfang an nicht sicher gebunden war? Die Antwort: starke Verlustängste, verbunden mit tiefster, absoluter Hilflosigkeit und dem Gefühl einer drohenden Vernichtung. Dieses Bild der Trennung, das sich in mir festsetzte, gleicht nicht einmal entfernt einer bewussten Erinnerung. Es war vielmehr das Gefühl der Verlassenheit in den Tiefen meiner Psyche, eine akute Krisensituation, die sich in meinem "Körpergedächtnis" abgespeichert hatte. Es sollte viel Arbeit und eine gelegentliche Synchronizität der Ereignisse erfordern, um es aufzuspüren und bewusst zu machen. Wie schwierig diese Aufgabe sein kann, veranschaulicht das folgende Beispiel. Während eines Besuchs bei meinen Eltern vor ungefähr dreißig Jahren legte meine Mutter unangekündigt den Arm um meine Schultern. Ich versteifte mich instinktiv und forderte sie auf, den Arm wegzunehmen. Kurz danach bat ich eine meiner Praktikantinnen, mir dabei zu helfen, diese Angst in Zusammenhang mit meiner Mutter anzugehen, die sich vermutlich auch in einigen meiner zerbrochenen Beziehungen manifestiert hatte. Die Angst macht sich auf der Körperebene als Krampf in meinen Eingeweiden und als ein Gefühl bemerkbar, als läge mir ein schwerer Stein im Magen. Ich spürte, wie Panik und das nackte Grauen in mir aufstiegen, ich rang nach Luft, fürchtete zu ersticken. Dank der behutsamen Anleitung meiner Praktikantin gelang es mir, wieder ruhig und gleichmäßig zu atmen - und dann merkte ich, dass meine Arme plötzlich steif wurden. Bei genauerer Erkundung stellte ich fest, dass sie völlig verspannt waren, wenn ich sie ausstreckte, als versuchten sie, Unheil von mir abzuwehren. Ich hatte das Gefühl einer drohenden Vernichtung.
Mir fehlen die Worte, um dieses Schreckensszenario, dieses Grauen, zu beschreiben. Ich konnte diese abgrundtiefe Angst und das Versteifen meiner Arme damals nicht zuordnen. Ich befürchtete, innerlich zerrissen zu werden, wenn ich die Anspannung losließ. Der nächste Schritt war, noch einmal mit meiner Mutter zu sprechen, und es gelang mir, ihr mein Herz zu öffnen. Sie schien den Tränen nahe, als sie mir erzählte, dass ich nach besagter dreiwöchiger Trennung jedes Mal, wenn wir meine Großeltern mütterlicherseits besuchten, die Arme abwehrend ausstreckte und mich weigerte, ihre Wohnung zu betreten. Ich klammerte mich mit beiden Händen am Rahmen der Eingangstür fest, während ich in großer Panik schrie. Meine Mutter und ich wussten, was dieses Verhalten zu bedeuten hatte - und es muss ungeheuer schwierig für sie gewesen sein, mitzuerleben, wie katastrophal und nachhaltig die Wunden des Verlassen-werdens für mich waren. Vermutlich litt sie unter schwerwiegenden Schuldgefühlen, weil sie für diese Tortur und ihre Folgewirkungen verantwortlich war. (Später nutzte ich eine Reihe psychedelischer Substanzen, um mich von diesem "eingefrorenen" Entsetzen und den Panikgefühlen zu lösen, so tief und lebensbedrohlich war die Verletzung.)
Um einen Sinn hinter einem so tiefgreifenden Verrat zu entdecken, können wir natürlich versuchen, dem Elternteil, der ihn begangen hat, zwei einander entgegengesetzte Persönlichkeitsanteile zuzuweisen: Der eine Teil ist fürsorglich, unterstützend und schützend, der andere bedrohlich. Dann aber sehen wir uns der quälenden Frage gegenüber, wie sich die beiden Anteile der seismischen Zersplitterung zusammenfügen lassen, ohne dass unsere eigene Persönlichkeit dabei zerbricht. Dieser Balanceakt ist bestenfalls eine Aufgabe, die uns entmutigt. In Wirklichkeit verfügen aber die meisten Eltern über eine Mischung aus guten und schlechten Eigenschaften. Um an dieser Herausforderung zu wachsen, müssen wir lernen, die beiden gegensätzlichen Pole in eine zusammenhängende Erzählung einzubetten und auf diese Weise den Sinn in unserer Reise durch das Leben zu finden. In meinem Fall könnte diese innere Zersplitterung zu der Neigung geführt haben, meine Beziehungen mental mit dem Etikett "ausnahmslos gut" oder "ausnahmslos schlecht" zu versehen. Keine tragfähige oder realistische Lösung, gelinde gesagt!
Als ich darüber nachsann, wie diese erste Trennung in der frühen Kindheit meine Beziehungen als Erwachsener untergraben haben könnte, wurde mir klar, warum ich oft unerklärlicherweise Panikgefühle verspürte, wenn meine jeweilige Freundin auf Distanz zu gehen schien. Bisweilen sabotierte ich eine Beziehung, indem ich mich abrupt entzog, bevor sie auf die Idee kam, mich zu verlassen. Oder ich hielt im Gegensatz dazu viel zu lange an einer Beziehung fest - vielleicht aufgrund meiner Angst vor dem Alleinsein. Manchmal hatte ich mit Unsicherheit zu kämpfen, warum ich eine Beziehung beenden wollte. Wollte ich mich vorsorglich davor schützen, verlassen zu werden, oder war es tatsächlich der richtige Zeitpunkt, meine Zelte abzubrechen? Und wie konnte ich den Unterschied erkennen? Bei dieser Frage erinnere ich mich an das bekannte Gelassenheitsgebet des Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftlers Reinhold Niebuhr, in dem es heißt: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." Es sind dieser Mut und die Weisheit, die ich in mein Leben bringen möchte. Was Beziehungen gleich welcher Art betrifft, so hoffe ich zutiefst, dass wir viel über Liebe, Respekt, gesunde Grenzen und uneingeschränkte Freundlichkeit lernen, unabhängig davon, ob wir zusammenbleiben oder nicht.
Mit großer Dankbarkeit gegenüber meinen früheren Partnerinnen und dem Wunsch nach einer dauerhaften, gesunden Beziehung lerne ich nun jeden Tag aufs Neue, auf mein inneres Wohlbefinden zu achten. Diese Transformation wurde von einem Gefühl der Freude und der Fähigkeit begleitet, auch einmal spontan über mich selbst zu lachen. Ich habe eine innere Verwandlung erlebt, als ich das leise Bedürfnis in mir wahrnahm, kostbare Momente mit anderen zu teilen. Mit diesem Ziel im Hinterkopf erinnere ich mich an einen Song der Eagles, in dem es um inneren Frieden, Wachstum und ein starkes Fundament geht, das wir uns selbst schaffen, erreichbare Ziele, wenn man mit beiden Füßen fest auf der Erde steht: "And I got a peaceful, easy feelin. And I know you won't let me down. 'Cause lm already standin' on the ground." (The Eagels, Asylm Records 1972). 0bwohl es ein langer, mühsamer Weg war, habe ich heute das Gefühl, mit beiden Füßen meistens fest auf der Erde zu stehen und sicheren Schrittes auf einer fantastischen Reise zu mir selbst und anderen unterwegs zu sein. Durch diese zweifache Aufgabe lerne ich, das Potenzial meines lebendigen, fühlenden, wissenden Körpers besser auszuschöpfen. Wie in dem Eagles-Song verspüre ich keinen Anflug von Panik mehr bei dem Gedanken, enttäuscht oder im Stich gelassen zu werden, sondern habe ein Gefühl des inneren Friedens und der Leichtigkeit, weil ich heute gut geerdet bin.
Dr. Peter A. Levine, geboren 1942, Biologe, Physiker und Psychologe, ist einer der international anerkanntesten Trauma-Therapeuten. Sein Lebenswerk Somatic Experiencing® – ein ganzheitlicher Ansatz zur Trauma-Heilung – unterrichten weltweit zahlreiche von ihm inspirierte Lehrkräfte. Webpräsenz: www.somaticexperiencing.com
Buchtipp: Peter A. Levine: Lernen, den Tiger zu reiten. Die Autobiographie des wegweisenden Trauma-Experten. Kösel 8.2024, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten, ISBN: 978-3-466-34827-5, 24 Euro
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Die ohne Liebe sind. Vom Trauma der Liebe – und der Notwendigkeit der Heilung ... Aus dem Buch von Dr. Barbara Kiesling
Die Biologie des Traumas
Für den amerikanischen Biophysiker und Psychotraumatologen Peter Levine entsteht ein Trauma nicht in erster Linie durch das traumatische Ereignis selbst, sondern durch die körperliche Reaktion auf dieses Trauma. Da sich das gesamte traumatische Geschehen im Nervensystem niederschlägt, sei die Grundlage eines Traumas in erster Linie physiologischer Natur.
Da Kinder weder flüchten noch kämpfen können, kann deren mobilisierte Energie nicht in Handeln umgesetzt werden. Sie bleibt im Nervensystem gebunden. Anders ist es bei Tieren: Wie Beobachtungen zeigen, schütteln diese nach einer Gefahr die überschüssige Energie, die nicht durch Flucht oder Kampf abgebaut worden ist, durch heftiges Zittern wieder ab. Kinder hingegen erstarren von vornherein in bedrohlichen Situationen. Trotz dieser Erstarrung bleiben die physiologischen Mechanismen, die den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet haben, voll aufgeladen. Die überschüssige Energie setzt den Organismus unter enormen Stress. Dies führt dazu, dass beständig Stresshormone ausgeschüttet werden, denn Energie, die nicht vollständig wieder abgeführt wird, sucht unablässig nach Entladung. Hierin sieht Levine das eigentliche Trauma. Wenn diese Energie nicht innerhalb einer gewissen Zeit entladen werden kann, bleiben die damit verbundenen physiologischen Belastungen bestehen - selbst wenn die Kindheit längst schon vorüber ist. Für den Organismus ist es, als würde das traumatische Ereignis in diesem Moment geschehen; dadurch bleibt er in einem steten Alarmzustand. Ein Trauma entsteht demzufolge durch einen natürlichen physiologischen Prozess, der nicht zum Abschluss gelangt. Levine führt das folgende Beispiel eines Amoklaufs in einer Schule an:
Als Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts plötzlich Schüsse hören, wird ihnen sofort bewusst, dass ein Amokläufer in den Gängen der Schule sein muss. Ihr erster Impuls ist, wegzulaufen. Aber sie können nicht weglaufen, weil die Gefahr für sie dann noch größer wäre. Also verstecken sie sich hinter ihren Tischen und unterdrücken ihre physiologischen Impulse, weil sie diese nicht umsetzen können. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler nach ihrer Befreiung vielleicht keine realen erschossenen Menschen sehen, werden in ihnen unwillkürlich Vorstellungsbilder auftauchen. Vielleicht hören sie die Schreie der Verletzten oder sie sehen Blutspuren auf dem Weg nach draußen. Diese auditiven und visuellen Eindrücke steigern die schon zuvor bestehende hochgradige Erregung. Für den Organismus der Schülerinnen und Schüler ist die Gefahr auch nach der Befreiung noch nicht vorbei, sondern erst dann, wenn die mobilisierte Energie entladen wurde. Ansonsten bleibt die Erfahrung als energetische Information bestehen, das heißt, sie bleibt im Körpergedächtnis gespeichert. Wenn keine Entladung erfolgt, werden die Schüler und Schülerinnen in einem chronischen Übererregungsmodus und im Zustand von Dauerstress weiterleben müssen. Anhand dieses Beispiels lässt sich ermessen, in welchem physiologischen Zustand Kinder leben müssen, die regelmäßig Gewalt durch ihre Eltern erleben. Auch für sie ist es nie vorbei.
Neue Erkenntnisse der Epigenetik
In der Fachwelt werden vielfach auch heute noch genetische Faktoren als Ursache für psychische Symptome und Persönlichkeitsstörungen angeführt. Dies gilt auch für viele körperliche Erkrankungen. Bis vor einiger Zeit ging man davon aus, dass wir nicht im Geringsten Einfluss auf unsere Veranlagung für physische und psychische Erkrankungen nehmen können, da alles von unseren Genen gesteuert werde. Durch das neuere Forschungsfeld der Epigenetik ist diese Auffassung korrigiert worden:
Jede unserer Körperzellen enthält zwar sämtliche Gene, die strukturell festgelegt sind und sich nicht verändern, doch nicht jedes dieser Gene ist "eingeschaltet". Es kommt jeweils auf die "Gen-Expression" an; das bedeutet, dass Gene entweder hoch- oder herunterreguliert sein können. Nur ein "eingeschaltetes" Gen ist aktiv. Das lässt sich mit einem Musikinstrument vergleichen, das von selbst keine Musik entstehen lassen kann. Es erzeugt erst dann Töne, wenn jemand darauf spielt. Es sind geistig-seelische Prozesse, die das "Instrument Gen" zum Klingen bringen. Das heißt, unsere Gene unterliegen unmittelbar dem Einfluss unserer seelischen Verfassung; unsere jeweilige Befindlichkeit entscheidet demnach darüber, wann welches Gen eingeschaltet wird, ob bestimmte Gene überhaupt aktiviert werden oder ganz ausgeschaltet bleiben. Ein spezifisches Gen kann nur dann Symptome hervorrufen, wenn es aktiviert ist. Diese Erkenntnis hat das Fachgebiet der Epigenetik hervorgebracht; es hat unser Wissen über die Erbfaktoren revolutioniert.
Alle unsere Gefühle lösen bioelektrische Impulse aus, woraufhin ganz spezifische Botenstoffe freigesetzt werden. Diese wiederum aktivieren bestimmte Gensequenzen, während andere stillgelegt werden. Mit anderen Worten: Alles, was wir denken, fühlen oder tun, hat eine körperliche Auswirkung und kann die Gen-Expression unmittelbar beeinflussen. Eine traumatische Erfahrung hat daher immer auch einen Einfluss auf den Körper. Durch einen hohen und anhaltenden Stresslevel werden Hormone freigesetzt, die bestimmte "Gesundheits-Gene" herunterschalten können, während sie andererseits die Einschaltung von "Krankheits-Genen" initiieren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass traumatische Erfahrungen einen erheblichen Anteil daran haben, welche Gene aktiviert werden und welche nicht.
Das bedeutet: Obwohl bei einem Menschen vielleicht eine genetische Veranlagung für eine bestimmte Krankheit vorliegt, muss sich diese Krankheit nicht unweigerlich entwickeln. Jeder genetisch vorbelastete Mensch kann gesund bleiben, solange die entsprechenden Gene ausgeschaltet sind. Erst mit dem Einschalten eines Gens werden dessen Informationen freigesetzt. Somit sind es keineswegs die Gene als solche, die von sich aus Krankheiten erzeugen. Vielmehr sind sie vom Empfang entsprechender Signale abhängig. Entscheidend ist, in welcher seelischen Verfassung sich ein Mensch befindet. Das erklärt auch, weshalb genetisch identische Zwillinge nicht an derselben Erbkrankheit erkranken müssen. Das Erbmaterial ist zwar das gleiche, doch im Laufe ihres Lebens machen beide unterschiedliche Erfahrungen, die zu unterschiedlichen Gen-Expressionen führen.
Inzwischen deutet sogar vieles darauf hin, dass neben dem eigentlichen genetischen Code auch Erfahrungen der Eltern auf Nachkommen übertragen werden können. Es gab beispielsweise Versuchsreihen mit Mäusen, bei denen ein spezifischer Duft mit einem schmerzhaften Reiz gekoppelt wurde. Hierbei zeigte sich, dass die Nachkommen noch bis in die vierte Generation in Schockstarre fielen oder flüchteten, sobald sie auch nur den Duft wahrnahmen. Den Forschern zufolge spielt die Epigenetik in diesem Zusammenhang eine Rolle: "Die negative Erfahrung hatte dafür gesorgt, dass das Gen für die Wahrnehmung des Dufts stärker aktiviert wurde. Diese Änderung bestand auch in der nächsten Generation - sie war weitergegeben worden."
Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass unsere Gene - isoliert betrachtet - eine eher zweitrangige Bedeutung für unsere physische und psychische Gesundheit haben, wohingegen der Einfluss traumatischer Erfahrungen auch für die Nachkommen von großer Bedeutung ist.
Vorgeburtliche Traumata
Jeder Mensch hat Erfahrungen aus seiner vorgeburtlichen Lebenszeit gespeichert. Manche scheinbar angeborene Eigenschaft kann durchaus eine Folge von pränatalen, also vorgeburtlichen Erfahrungen sein. Kein Kind kommt als "unbeschriebenes Blatt" zur Welt, sondern ein kleines Menschenwesen hat schon vielfältige Erfahrungen im Uterus gemacht. Auch das Erlebnis der Geburt ist prägend. Während der neun Monate im Uterus nimmt das Kind sämtliche Gemütszustände seiner Mutter wahr. Mithilfe von Ultraschallaufnahmen konnte beobachtet werden, dass das Kind bereits auf belastende Gedanken der Mutter eine deutliche körperliche Reaktion zeigt: Der Herzschlag erhöht sich und die Bewegungen nehmen zu. Der Körper einer werdenden Mutter schüttet beispielsweise vermehrt Stresshormone aus, wenn sie die Schwangerschaft ablehnt. Diese Stresshormone fließen über die Nabelschnur auch in den Blutkreislauf des Kindes. Eine große Belastung für Mutter und Kind stellt auch eine Trennung der Eltern während der Schwangerschaft dar. Es wirkt sich natürlich auch auf das Kind aus, wenn die werdende Mutter einen Abtreibungsversuch unternimmt.
Sämtliche Belastungen der Mutter beinhalten spezifische Informationen, die an das sich entwickelnde Gehirn des ungeborenen Kindes weitergeleitet und im Nervensystem gespeichert werden. Dort können sie - je nach Ausmaß der belastenden Situation - bereits Schädigungen hervorrufen. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass übermäßiger Alkoholkonsum in der Schwangerschaft zu körperlichen Entwicklungsstörungen und zu gravierenden Störungen im Gehirn des ungeborenen Kindes führen kann. Die daraus hervorgehenden Symptome werden als "fetales Alkoholsyndrom" bezeichnet.
Auch der Tod eines Zwillings wird als traumatisch erlebt, denn dieses Ereignis geht mit existenzieller Angst einher. Die intrauterinen Erfahrungen werden im "zellulären Körpergedächtnis" des ungeborenen Kindes gespeichert. Hierdurch findet eine sogenannte "fetale Programmierung" (Peichl 2007) statt, die das spätere Leben der Betroffenen beeinflusst. Und nicht zuletzt kann eine schwere Geburt zum sogenannten Geburtstrauma führen.
Bisher gibt der im Mutterpass dokumentierte Verlauf einer Schwangerschaft lediglich über den körperlichen Zustand von Mutter und Kind Auskunft. Der wirklich prägende Einfluss auf das ungeborene Kind durch die seelische Verfassung der werdenden Mutter wird bisher nicht dokumentiert.
Wenn Sie sich für viele weitere Aspekte zu Traumata interessieren z. B. Gewalterfahrungen, Sexuelle Gewalt, Kollektive ... Kriegs-, Generationsübergreifende Traumata, deren Folgeerscheinungen und mögliche Heilung, dann lesen Sie gerne in dem Buch von Barbara Kiesling weiter.
Dr. Barbara Kiesling ist diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin und absolvierte ein Promotionsstudium an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Psychologie, zertifizierte Familienaufstellerin und Theta-Heilerin sowie freie Buch- und Hörspielautorin. Ihr in 2023 erschienenes Buch „Die ohne Liebe sind. Vom Trauma der Liebe – und der Notwendigkeit der Heilung“ und weitere Infos finden Sie unter https://barbara-kiesling.de
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Was gibt es Neues in der Traumawelt? ... von Pia Baerwald und Dr. med. Dietrich Sternberg
Der Wahnsinn nimmt ein Ende. Diese Aussage ist (noch?) kein Fakt aber unsere Vision und deshalb der Titel von Dietrichs Buch. Augenblicke des Innehaltens und der Ruhe vom manchmal toxischen Stress auf unserem wunderbaren kleinen blauen Planeten können wir feiern und sammeln. Uns traumafreie Zonen gönnen. Kleine persönliche Auszeiten verringern unsere Trauma-Konten. Dann ist der Wahnsinn kurz mal angehalten. Wie beim Stecker-rausziehen, wenn der Computer ein Reset braucht, und … simsalabim … geht`s weiter.
Trauma gehört zum Leben, Traumaheilung aber dito. Trauma heißt auf griechisch: Wunde. Keinem bleiben körperliche und seelische Wunden erspart. Die Natur ist beim Umgang damit auf unserer Seite. Unsere Biologie stellt uns physiologische Heilungsmechanismen zur Seite, die wir manchmal anstupsen müssen, wenn sie sich verhakelt haben. Ähnlich wie beim Sicherheitsgurt im Auto, an dem wir ruckeln müssen, wenn er klemmt. In der Sprache der Traumatherapie heißt es: Blockaden schmelzen lassen, im Körper gebundene Energien wieder zum Fließen bringen, Ungelöstes erledigen oder Nicht-Vollendetes sich vollenden lassen. Das nennt man auch "Entladen" (discharge) und ist spürbar.
Der Hype um das Wort Trauma spiegelt den Zustand unserer Welt, die von traumatischen Zuständen und Fantasien fast zu bersten scheint. Eine "Trauma-Welle" breitet sich aus, Hinz und Kunz melden sich zu Wort. Eine De-Mystifizierung des Begriffs Traumatherapie kann nicht schaden. Weise Frauen und Männer vieler Kulturen und Zeitalter, Heilige und Heiler, Philosophen, Seelsorger und jetzt die Therapeuten kümmern sich seit Urzeiten um die Wunden der Menschheit. Religiöse Schriften wie die Bibel, alte Mythen und Sagen, Märchen, Kunst, Literatur, Medien aller Arten handeln davon. Krankheit, Alter und Tod sind Urängste, dazu kommen die Konfrontation (auch als Zeuge/Zeugin) mit Naturkatastrophen und menschengemachten Ungeheuerlichkeiten. Verletzungen, Gleichgültigkeit, sexuelle Gewalt - die Liste ist endlos.
Heute meinen wir mit "Traumatherapie" Methoden wie das Somatic Experiencing oder EMDR, vergessen aber dabei, dass sich alle Therapiemethoden mit traumatischen Erlebnissen und ihren Folgen befassen. Neu ist, dass körperorientierte Therapiemethoden mehr das Spür-Gewahrsein ("Ich-spüre-also-bin-ich") ins Spiel bringen. Auch wenn der Kopf mit seinem Verstand ("Ich-denke-also-bin-ich") vieles weiß, steckt trotzdem bisweilen einiges noch im Körper fest. Der Kopf weiß, der Krieg ist vorbei, der Körper ist noch ein Schlachtfeld. Unsere intellektuellen Kapazitäten helfen nicht immer ausreichend. Ich kenne meine Geschichte, die Ursachen meines Leidens, meine Muster und Glaubenssätze. Die ganzen "Warums" sind klar, aber es geht mir immer noch dreckig. Unsere Körperintelligenz, unser emotionales Bauch-Hirn, kann dazu beitragen, dass wir uns körperlich und seelisch besser spüren und fühlen. Wir können unseren Körpern mit ihren Geweben, Nerven, Muskeln, Knochen und Organen mehr zuhören, unsere Körpersprache und die anderer Menschen erforschen.
Warum befassen wir beide uns nonstop mit Traumata?
Das berührt unsere ureigenen inneren Themen und die Leiden, mit denen die Menschen in unser Institut kommen oder auf die wir bei unseren Auslandseinsätzen stoßen. Wir sind Grenzgänger zwischen den bizarren, entsetzlichen, giftigen Polen und den liebevollen, ekstatischen, heilenden Polen unserer Welt. Mit Neugier und Leidenschaft erkunden wir die Fährten, wo wir zwischen Ur-Misstrauen und Ur-Vertrauen pendeln und auf den Wogen und Tälern im Auf und Ab unserer Leben surfen.
Pia: "Meine Eltern mussten in den Weltkriegswirren ihre Heimat in Estland und Pommern verlassen. Meine Arbeit als Erzieherin im Kreuzberger Hauptkinderheim konfrontierte mich mit abgeschobenen, heimatlosen und behinderten Kindern und Jugendlichen - und erinnerte mich an meine eigenen Ängste, Verlassenheitsgefühle, Isolationserfahrungen. In meinen Heilungsprozessen absolvierte ich mehrere Psychotherapie Ausbildungen und suchte verschiedene spirituelle Lehrer in Indien und USA auf. 2004 habe ich den Tsunami auf Sri Lanka überlebt - die Traumafolgen brachten mich zu Peter Levine und dem von ihm entwickelten körperorientierten Ansatz zur Lösung von traumatischem Stress "Somatic Experiencing". Ich lernte beim Erforschen meines Nervensystems, besser damit umzugehen, wenn ich mich überwältigt und verloren fühle. Seit nunmehr über 30 Jahren arbeite ich selbst psychotherapeutisch in freier Praxis als Coach und leite zudem Fortbildungen mit dem Schwerpunkt Entwicklungstrauma und Körperpsychotherapie."
Dietrich:"Als Kind saß ich viel unter der Kanzel meines Vaters. Er war Pfarrer in der jahrhundertelangen Familientradition, jeweils den Ältesten jeder Generation als Pfarrer zu stellen. Ich hörte immer wieder die Gebete für eine bessere Welt - sterbenslangweilig und ellenlang - aber auch tröstlich, da ich den Großteil meiner Kindheit chronisch krank verbrachte und keine Freunde hatte. Meine Mutter hatte als Jüdin die Nazi-Diktatur in München überlebt und nie wieder darüber gesprochen. Später öffneten mir humanitäre Einsätze in Afrika, Asien, Südamerika sowie 30 Jahre Arbeit als Hausarzt und Suchtmediziner im prekären Neuköllner Dschungel die Augen über weitere dunkle Seiten unserer Existenz. Studien und Lehrjahre in Psychologie und Meditation folgten. Nach Schocks durch das Sterben einiger Freunde und etlichen Autounfällen begegnete ich Lehrern für Traumatherapie, was mir sehr half, und gründete vor 18 Jahren das Traumatherapie-Institut-Berlin (TIB) als mein Alterswerk."
Was gibt es nun Neues in der Traumatherapie?
PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) und kPTBS (komplexe posttraumatische Belastungsstörung) sind seit Ende des Vietnamkrieges eingeführte Begriffe. Grob gerastert sind PTBS-Symptome: ungewolltes Wiedererleben der traumatischen Ereignisse, Vermeidungsverhalten und erhöhte Erregungs-Level wie Überwachheit. Bei kPTBS zusätzlich: problematische Gefühls- und Körperregulation, Themen um Scham/Schuld/Versagen ("Ich-bin-nicht-okay"), Bindungs- und Beziehungsstörungen. Wir alle tragen das Erbe zweier verheerender Weltkriege und zweier Diktaturen. Es brodelt weltweit. Kinderelend, seit Jahren vergessene große Kriege in Afrika.
Neben den auf Sigmund Freuds Lehren basierenden "Redekuren" und der Verhaltenstherapie stehen uns zunehmend körperorientierte Therapien zur Verfügung, um uns immer wieder besser selbst zu regulieren. Unsere Körper und Seelen speichern Unverarbeitetes und schmerzen. Deshalb nehmen wir sie unter die Lupe und spüren und lauschen. Resonanz durch liebevoll begleitende Menschen ist hilfreich. Erst kommt der Körper mit seiner Physiologie, dann die Psychologie. Was wären wir ohne unsere Körper?
Wo es Gift gibt, gibt es auch Gegengifte. "Unsere Kapazität, uns gegenseitig zu verletzen, entspricht unserer Kapazität, uns zu heilen und zu lieben", Bessel van der Kolk (Harvard).
Den Spiralen der Gewalt können Spiralen ins Gute entgegengesetzt werden. Sorgfältiges Lauschen und Erspüren unserer Körpersignale bringen uns an die Stellen, wo Heilung wartet - durch sanftes und kleinschrittiges Vorgehen, quasi "homöopathische" Mini-Konfrontationen, mit Respekt vor den Untiefen der Traumafolgen. Langsam und immer unter Kontrolle der Klienten und Klientinnen ist posttraumatisches Wachstum möglich. Vorbilder wie in den Heldenreisen der antiken Odyssee gibt es genug.
Unser Traumatherapie-Institut-Berlin (TIB) mit seinen Kursen und Praxen ist dem gewidmet. In der Lehre bemühen wir uns um viel praktisches Üben und versuchen komplexe Sachverhalte einfach rüberzubringen.
Bei unseren humanitären Fortbildungs-Einsätzen in Afrika und Zentralasien helfen uns auch Yoga, Tanzen, Malen, Singen, Stricken, zusammen kochen und essen, Atemtherapie. Multimodale (Einsatz verschiedener therapeutischer Modelle) und maßgeschneiderte Therapien sowie Offenheit für "Alles-was-hilft" ist unsere Haltung. Unsere "Gegengifte" sind respektvolle Beziehungen, gesundes Bindungserleben im Schulterschluss, Begegnung auf Augenhöhe.
Pia Baerwald ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, klinische Leiterin des Traumatherapie-Institut-Berlin (TIB), Somatic Experiencing©, Integrative Atem- und Körpertherapie, Coaching, Supervision. www.piabaerwald.de
Dr. med. Dietrich Sternberg ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeut, Osteopath. Gründer vom Traumatherapie-Institut-Berlin (TIB), Dozent, Buchautor („Der Wahnsinn nimmt ein Ende“) www.traumatherapie-institut-berlin.de
Lesetipp: Der Wahnsinn nimmt ein Ende. „Wir brauchen Liebe keinen Schmerz.“ Buch von Dr. med. Dietrich Sternberg
Hinweis zum Artikelbild: Fortbildungseinsatz in Sierra Leone, West Afrika, 2020
Tod und Auferstehung im Licht-Bewusstsein ... von Karin Karina Gerlach
Selbst-Offenbarung des Todes. Ein Bericht aus dem erwachten Bewusstsein
Das erwachte Bewusstsein ist der Seins-Zustand, der jenseits der Trennung zwischen richtig und falsch, gut und böse sowie anderen gedanklichen Polen existiert. Es ist der begnadete Wachzustand, in dem es keine Trennung von Leben und Tod gibt. Es ist das geistige Gewahrsein der Unsterblichkeit. Das schlummert in der Tiefe eines jeden Menschen. Die innere Einkehr stellt diesen Kontakt her.
Es ist die Todeserfahrung der fälschlicherweise angenommenen trennenden Körperidentität, und gleichzeitig ist es geistiges Erwachen in der nicht dualen Wirklichkeit. Das ist bedingungsloses liebevolles Gewahrsein.
Das größte Wunder der Selbst-Offenbarung des Todes ist die von selbst geschehene Heilung von der schmerzlichen, traumatischen Vorstellung, körperlich getrennt zu sein. Es ist der Kontakt zur inneren Liebe, die die heilsame Kraft in sich trägt. Im Bewusstsein des liebevollen Gewahrseins können sich die durch Todesangst schmerzlich verzerrten Körperstrukturen neu ausrichten.
Das sind der Ort und die Zeit, wo wir uns treffen. Denn alles ist Eins. Es ist die Zeit der Heilung und des Friedens.
Die Offenbarung des Todes ist gleichzeitig die Offenbarung der Unsterblichkeit. Das ist dem Verstand nicht zugänglich. Es ist innen.
Zum Totensonntag (Ende November)
An diesem einen Tag bedenke ich,
dass der Tod vielleicht nicht schrecklich.
Weil ich der Spiegel aller Toten,
ist gelöst der Trennungs-Trauer-Knoten.
In mir das Wesen der Liebe erwacht,
so dass das Herze lacht.
Immer jetzt ist es der Ruhe Tag,
der ewig heilige Sonntag.
Was Körper ist, muss sterben,
um Licht und Liebe stets zu erben.
Der bewusste Tod: Austritt des Bewusstseins aus dem Körper
In der dunklen Nacht mit geschlossenen Augen im Bett liegend, falle ich in der Tiefe der Meditation in den Zustand eines mysteriösen Gewahrseins. Es beginnt mit dem freien Fall ohne Bodenaufschlag. Es ist der Fall in die Unendlichkeit. Hier, wo vollkommene Hingabe passiert, offenbart sich das Geheimnis des Todes. Licht erfüllt den Raum, die Wände verschwinden im Licht und vergangene schmerzliche und angenehme Ereignisse erscheinen als stehende, zart klingende, wunderschöne, un-emotionale Bildgeschichten im Raum. Die Bilder selbst bewegen sich nicht. Sie enthalten die geistige Information des bewegten Lebens. Es ist die Information eines zeitlosen, ewigen Präsentseins. Fast gleichzeitig wird mit einem hörbaren "tack-tack-tack" mein Gehirn zerteilt. Diese spontane Auflösung ist die begleitende Offenbarung dieser Töne. Eine mysteriöse Kraft zieht mir zusammen mit einem Zischlaut den Schopf weg und ich verlasse den Körper. Im Abstand von etwa zehn Metern bleibe ich stehen und blicke durch die Dunkelheit auf ein totes Konglomerat der "Dummheit", das der Körper ist. Auch dieses Wissen, das kein abwertender Gedanke "dumm" ist, steht als eine Offenbarung geräuschlos, still im Raum. Ich bin gestorben - doch das ist nicht wahr. Das Bett, in dem der Körper eigentlich liegt oder liegen sollte, und alles drum herum sind verschwunden. Es ist, als ob ich aufgestanden bin und das Bett verlassen habe, in dem ich als ein Körper das Bewusstsein verschlafe. In diesem Fall der stillstehenden Zeit kommt von weither die klangvolle Information des Sonnenaufgangs, was mich mit einem hörbaren Plumps ins Bett zurückwirft. Als das Wesen des Bewusstseins bin ich zurück im Körper und damit in die Zeit des Sonnenaufgangs gefallen. In diesem Todesereignis offenbart sich mir das Mysterium des Lebens.
Der absolute Geist existiert innerhalb und außerhalb des Körpers gleichzeitig. EINS. Dieses Bewusstsein ist frei von Todesangst. Es ist liebevolles Gewahrsein. Was bleibt, ist tiefes Vertrauen in das, was niemand verstehen kann.
Die Dunkelheit, die das Licht enthält
In diesem magischen Ereignis der Dunkelheit, die das geistige Licht enthält, bin ich als jenes stets anwesend. Ich bin immer hier, wenn die irdische Welt außerhalb von mir wieder und wieder in der physischen Dunkelheit versinkt und im Sonnenaufgang wieder und wieder körperlich erscheint.
Ich bin wach, ewig hier, auch wenn das scheinbar körperliche Wesen dem Rhythmus von Einschlafen (Tod) und Aufwachen unterliegt. Als das bewusste Wesen bin ich ewig hier. Die Trennung von Dunkelheit (Sonnenuntergang, Schlaf, Tod) und Licht (Sonnenaufgang, Aufstehen, körperliches Leben) ist nicht real. Diese Scheinbewegungen in einer scheinbaren Zeit unterliegen einem automatischen Wechsel, in dem sich das ewige Leben spiegelt. Es gibt niemanden, der sich bewegt und der irgendeinen Einfluss hat. Es gibt keinen Gott im Außen, der die Welt erschaffen hat.
Die Offenbarung des Urknalls. Das Mysterium
Der Moment der geräuschvollen Rückkehr des Bewusstseins in den Körper enthält die Offenbarung des Ursprungs der Welt als eine wunderschöne Illusion. Maya. Es ist die Erkenntnis des Urknalls in sich selbst, was der wissenschaftlich denkende Verstand nicht erkennen kann. Und das ist längst nicht alles. Das mystische Gewahrsein enthält weitere Offenbarungen des geistigen Erwachens.
Das Geheimnis des Ewigkeits-bewusstseins. Die Spiegelung
Im scheinbaren Wechsel zwischen Dunkelheit und Licht spiegelt sich das ewige Leben durch eine scheinbar körperlich tickende Zeit. Wenn der GEIST ins Körperliche wechselt - "plumpst", ist das keineswegs der Ursprung einer körperlichen Welt. Es ist keine Materialisierung. Es ist NICHTS (als S-EIN-Spiegel). Aus IHM, der NICHTS ist, kann nichts Körperliches entstehen. Die Spiegelung ist das unglaubliche Wunder, dass und wie die vom absoluten Geist erfüllte ewige Leere funktioniert. Der geistige Funke ist der Urgrund einer scheinbar körperlichen Welt. Im Körper, der sich scheinbar in der Zeit bewegt, spiegelt sich stets die zeitlose geistige Natur des ewigen Lebens.
Die körperliche Erscheinung - Erleuchtung
Der scheinbar körperliche Mensch ist von Anfang an hier. Er ist eine Erscheinung in der Leere und damit selbst von nicht-körperlicher Natur. In der Tiefe der inneren Einkehr bleibt nichts als geistiges Gewahrsein. Hier und jetzt ist das für den Verstand Unmögliche wahr: Es gibt nur einen Menschen, der sich in allen scheinbar anderen Wesen spiegelt. Eine getrennte Person hat es nie gegeben. Es scheint nur so. Die Ursache dieser Erscheinung ist die unbewusste Körperfixierung, der Glaube an die Trennung. Von Anbeginn der körperlich tickenden Zeit ist DAS, was IST, durch die angenommene Trennung persönlich gemacht.
Durch geistiges Erwachen wird der Handelnde zu einer wunderbaren Illusion. Bewegt zu sein ohne persönliche Identität ist Freiheit. In diesem erleuchteten Zustand sind Urteile, Gehirn- und Körperzellen licht und leer von Bedeutung. In diesem freiheitlichen Zustand bin ich als ein scheinbar körperliches Wesen immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das geistige Wesen, das ich bin, kennt weder richtig noch falsch, weder gut noch böse.
Wissenschaftliche Forschung oder innere Einkehr?
"Materie besteht nicht aus Materie" ist eine wundersame Aussage von Physikern, die immer wieder die Welt außerhalb von sich selbst bis in die unermessliche Weite des Universums und bis in die Tiefe des Mikrokosmos erforschen. Der unentwegt körperlich denkende Verstand findet nichts Festes. Das ist, weil er selbst keinen Bestand hat. Die Suche nach dem Ur-Teilchen, auf dem sich die Materie aufbaut, ist ergebnislos. Ebenso die Suche nach der Ur-Zelle "Luca", die der Beweis sein soll, dass es eine zelluläre Entwicklung und damit eine Evolution gibt. Doch der unerforschte Körper-Ich-Verstand forscht weiter. Die Hoffnung, die wesentlichen Beweise für ein materialistisches oder quanten-mechanisches Weltbild zu finden, will nicht sterben - wohl weil der Forscher sich selbst als einen Körper versteht und daher selbst voller Todesangst ist. Die automatische Suche des Körper-fixierten Verstandes ist die unbewusste Suche nach sich selbst. Es ist die Scheinbewegung des Geistes in seinem körperlichen Spiegel. Die Suche nach Wahrheit und Sicherheit ist Bestandteil des Mysteriums, das die Schöpfung ist. Bestandteil des Mysteriums ist auch die nach innen gerichtete Suche. In der Tiefe der inneren Einkehr offenbart sich, was dem Verstand verborgen ist. Nur in sich selbst ist klar, was die Welt ist und wo sie ihren Anfang hat. Durch die Umkehr nach innen ist in sich selbst klar, Urteile und Teilchen sind von Anfang an Spiegel-Splitter des absoluten Geistes, der im Menschen erwachen kann. Es ist das Erwachen einer Liebe, die die körperlichen Grenzen sprengt. Liebe ist eine heilsame Kraft, in der sich die Weisheit der Schöpfung verbirgt. Insofern ist das Erwachen die Umkehrung des Urknalls. Im Jetzt-Bewusstsein sind alle Fragen, die der Verstand stellt, beantwortet. Die Leere des Verstandes ist eine großartige Offenbarung. | Wo Liebe ist, handelt die Intelligenz des Herzens
Mit dem Herzen hören und sehen. Die Erleuchtung der Materie
Durch das Erwachen der inneren Liebe bin ich im Zustand einer ungewöhnlichen Empfangsbereitschaft. Von außen kommende, sich ehemals schmerzlich anfühlende Gedanken kehren sich vor meinen Augen und Ohren um. Weil sie sich mir spontan, auch in ihrem Gegenteil präsentieren, setzt sich kein Gedanke mehr als Schmerz im Körper fest. So erzeugt jeder Gedanke als ein rein geistiger Effekt einen ungewöhnlichen Fluss von Lebensfreude. Der Kopf projiziert keine materielle Welt mehr. Es ist das Herz, das die Welt in neuem Licht erstrahlen lässt. Die Welt ist immer noch dieselbe - doch hat sie sich völlig verändert. Menschen, Tiere, die Vegetation und die Materie erscheinen in einem neuen Licht. Es sind Licht aussendende Bewegungen, keineswegs Halluzinationen. In diesem geheiligten Zustand bin ich erstaunlich nüchtern, klar, im und vom Herzen bewegt. Es ist: mit dem Herzen hören und sehen.
Dies zu beweisen ist nicht möglich, und es besteht auch kein Bedürfnis, das zu tun. Es ist in jedem SELBST bewiesen. Es ist keine Lehre, die man glauben oder anzweifeln muss.
Karin Karina Gerlach -Mayakarina- ist Physikerin, Mystikerin. Spirituelle Lehrerin seit 2002 und monatlich im Live Chat bei Jetzt-TV. Kontakt unter ger.lach@gmx.de. Außerdem ist sie Gründerin der „Geistreich Bewusstseinsschule“. Infos unter www.geistreich-sein.de. Sie veröffentlicht: „Heilige Verse und heilige Texte, die dem Erwachen dienen“ unter www.umkehrkurs.de
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Für alle, die den Tod fürchten ... Aus dem Buch von Franz Baake
In der jahrtausendealten Frage, ob es ein persönliches Überleben des Todes gibt, schienen bis jetzt nur Magier, Schamanen, Medizinmänner, Zauberer, spiritistische Medien oder begnadete Priester Einblicke in das Jenseits gehabt zu haben. Durch die Fortschritte der modernen Medizin ist es möglich geworden, immer häufiger klinisch Tote ins Leben zurückzuholen. Diese berichten von Seinsebenen, die das Existieren einer körperunabhängigen Seele nahelegen. Insbesondere dann, wenn die reanimierten Patienten über Wissensinhalte verfügen, die sie auf dem Wege der sinnlichen Wahrnehmung nicht erhalten haben können, und von denen auch sonst niemand Kenntnis hat. Mit diesen letzteren beschäftigt sich der Autor Franz Baake in seinem Buch "Für alle die den Tod fürchten": und bietet eine besondere Auswahl beweiskräftigen Materials.
Was klinisch Tote wahrnehmen können
Nachdem es gelungen war, eine Zwölfjährige, die klinisch tot war, zu reanimieren, erzählte das Mädchen ihrem Vater, es sei von Licht und Liebe umgeben gewesen und hätte nicht den Wunsch gehabt, zurückzukommen. Was sie aber sehr verwundert habe: Ihr Bruder sei bei ihr gewesen und hätte sie zärtlich in die Arme genommen. Und dabei habe sie doch gar keinen Bruder. Daraufhin begann der Vater zu weinen und gestand der Tochter, dass sie `tatsächlich einen Bruder gehabt hätte, der drei Monate vor ihrer Geburt gestorben sei, was man ihr verschwiegen habe.
Dies berichtet die Schweizer Ärztin Elisabeth Kübler-Ross, die für ihre wissenschaftlichen Arbeiten von mehreren Universitäten mit einem Ehrendoktortitel ausgezeichnet wurde.
Nathan Schnaper, M.D., Professor für Psychiatrie an der University of Maryland, erklärt die Erfahrung des kleinen Mädchens so: "All die Geschichten vom Leben nach dem Tod/Leben können phänomenologisch als veränderte Bewusstseinszustände erklärt werden. Es gibt drei Hauptursachen: eine psychologische - Hypoxie (Sauerstoffmangel in den Körpergeweben), Anoxie (völliger Sauerstoffmangel in den Geweben), hepatisches Delirium, Urämie, Medunas C02-Therapie etc.; (b) eine medikamentöse - bewusstseinsverändernde Drogen, Narkotika. Steroide, Pentetrazol, Insulin, Barbiturate und andere Psychopharmaka; und (c) eine psychische - Dissoziationen (Gespalten-sein), Panik, Psychose etc."
Es ist offenkundig, dass die beschriebenen Bewusstseinszustände die liebevolle Begegnung des Mädchens mit ihrem toten Bruder, von dem sie nichts gewusst hatte, nicht erklären können.
Darum geht es …, darzustellen, dass medizinische Argumente nicht in der Lage sind, die Realität spiritueller Erfahrungen wegzudisputieren.
Nach Prof. Nathan Schnaper sollen also zahlreiche sehr unterschiedliche Ursachen für die aber ganz einheitlichen Nahtoderlebnisse verantwortlich sein. Denn überall in der Welt, bei allen Rassen, im Rahmen aller Religionen und Bildungsstufen sind die Erfahrungen die gleichen: Ein schneller Rückblick auf das eigene Leben, in dessen Verlauf die eigenen Fehler wahrgenommen werden, aber auch das Leid gefühlt wird, das man anderen zugefügt hat. Weiter die Gewissheit, vom eigenen Körper getrennt zu sein.
Dabei die Situation, im Raum zu schweben, Gegenstände zu erkennen und Handlungen von Anwesenden zu verfolgen, zum Beispiel die des Operationsteams.
Häufig wird der Flug durch einen Tunnel geschildert, einem Licht von grenzenloser Helligkeit entgegen, das aber nicht blendet und von dem ein Strom von Liebe ausgeht.
Beglückend wird die Begegnung mit verstorbenen Verwandten und Freunden erlebt. Manchmal wird dem Patienten bedeutet, er müsse zurückkehren, da er noch Aufgaben zu erledigen habe. In der Regel möchte das keiner. Ein Arzt, der klinisch tot war und von einem befreundeten Kollegen zurückgeholt wurde,
fuhr seinen Lebensretter an: "Das machst du mit mir nicht noch einmal!"
Was ist nun der Ansicht von Prof. Schnaper und anderen Wissenschaftlern, es handele sich hier lediglich
um Phantasien, entgegenzusetzen? Das sind Schilderungen von Vorkommnissen, die der Patient auf Grund seines Zustandes nicht wahrgenommen haben konnte und die er doch erlebte - unter anderem auch Tatsachen, von denen niemand Kenntnis hatte, so dass in solchem Fall sogar Telepathie, also Gedankenübertragung ausgeschaltet werden kann. Bei gut belegten Fallbeispielen versagt hier jeder medizinische Erklärungsversuch.
Körper und Seele an verschiedenen Orten
Wissenschaftlich gesehen kann man die außerkörperlichen Erfahrungen während des Nahtodzustandes unter dem Begriff der Bilokation einordnen, die Fähigkeit, an zwei Orten zu gleicher Zeit zu sein. Dazu gibt es Berichte aus allen Erdteilen und Zeiten. In der Antike war Appollonius von Tyana dafür bekannt, später schrieb man diese Fähigkeit vielen Heiligen zu, wie Antonius von Padua, Severus von Ravenna oder Alfons von Liguori. Wiederholt wurde bestätigt, dass, wenn man die doppelte Persönlichkeit sah, der Betreffende in tiefem Schlaf oder totenstarr dagelegen habe.
Im 20. ]ahrhundert erlebten viele die Erscheinung des Kapuzinermönchs Pater Pio von Pietrelcina aus Süditalien, der wegen der vielen von ihm bewirkten Wunder ganz schnell zuerst selig und dann heilig gesprochen wurde. Häufig erschien er seinen geistigen Kindern, besonders, wenn sie in Not waren, ohne sein Kloster in San Giovanni Rotondo zu verlassen. In der Regel waren damit Heilungen verbunden, wie im Fall des Maria D. aus Viareggio im Jahr 1940. Der damals Vierundzwanzigjährige hatte einen Arbeitsunfall mit Defekt der Lendenwirbelsäule und nachfolgender Atrophie des Kreuzbeins. Mit Gipskorsett war er beschränkt arbeitsfähig, bis er 1950 bei einer körperlichen Anstrengung zusammenbrach. Danach bestand vollständige Lähmung und Anästhesie der Beine. Der Patient war an das Bett gebunden. Hinzugezogene Fachärzte konnten nicht helfen. Am 17. März 1951 stand ihm wegen einjähriger Krankheit die endgültige Entlassung aus seinem Arbeitsverhältnis bevor.
Am Nachmittag brachte seine Frau ein Buch über Pater Pio mit nach Hause und bat ihren Mann, die Hilfe des Paters anzurufen. Der Patient hatte eine Abneigung gegen alles Religiöse und gegen Geistliche im Besonderen und sagte, nachdem er das Buch beiseitegelegt hatte, ohne Überzeugung: "Wenn du schon so viele Wunder bewirkt hast, dann hilf doch auch mir."
Im selben Augenblick sah er, wie sich die Tür seines Zimmers öffnete und ein Kapuziner in einer Kutte ins Zimmer trat, auf ihn zukam und sagte: "Steh auf, dir fehlt nichts mehr!" Oft fragten sich Ärzte und Schwestern auf Intensivstationen: "Wie kommt dieser Mönch hierher?"
Mehr und mehr Ärzte und Patienten erfahren: Das persönliche Bewusstsein überlebt den Tod. Die modernen medizinisch-technischen Errungenschaften bieten die Möglichkeit, immer häufiger klinisch Tote ins Leben zurückzuholen. Die bewegende Erkenntnis: Die Seele ist unsterblich. Die Folge: Beglückende Erlebnisse in einer anderen Dimension, Begegnungen mit Verstorbenen, Persönlichkeitsveränderungen zum Guten, Trost beim Verlust von Angehörigen - und die Angst vor dem Tod schwindet. Mit dem Manuskript in dem Buch "Für alle die den Tod fürchten" möchte der Autor etwas von dem, was ihn den Tod in einem anderen Licht sehen lässt, weitergeben: Eine besondere Auswahl beweiskräftigen Materials.
Franz Baake ist Regisseur und Schriftsteller. Oscar-Nominierung des Films „Schlacht um Berlin“, Silberner Bär der Berliner Filmfestspiele, Journalistenpreis des Astrologenverbands. Er hat Psychologie an der TU studiert und war in ärztlicher Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hypnosetherapie tätig. Er schrieb Bücher wie „Lyrik/Essays“, „Christusgedichte“, „Engagierte Lyrik“, „Jesus total – oder der rehabilitierte Christus“, „Lyrik – eine Anthologie“, „Pia, Pio und ich – Die Geschichte eines allein erziehenden Vaters.“, „Enkel fragt Großvater – Ein Dialog der Generationen“ und zuletzt „Für alle die den Tod fürchten“. Kontaktvermittlung für Fragen an Franz Baake über die KGS-Redaktion – Mail und Telefon siehe unter Impressum.
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Die Magie und Kraft der Runen: Ein Tor zur Weisheit unserer Ahnen ... von Katharina Kaja Wewior
Runen sind mehr als nur einfache Zeichen. Sie tragen Jahrhunderte der Geschichte, Kultur und Mystik in sich. Diese uralten Symbole, die ursprünglich von den germanischen Völkern verwendet wurden, faszinieren auch heute noch durch ihre tiefe Symbolik und ihre Verbindung zur nordischen Mythologie. In diesem Artikel möchte ich die Kraft und Magie der Runen näher beleuchten und aufzeigen, wie sie auch heute noch unseren Alltag und unsere spirituelle Praxis bereichern können.
Herkunft und Geschichte der Runen
Die Runen sind ein Schriftsystem, das von den Germanen ca. ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. verwendet wurde. Bis heute bleibt ihre Ursprungsgeschichte teilweise im Dunkeln und den Runen ähnliche Symbole lassen sich weltweit finden. Das älteste, uns bekannte Runenalphabet, das Futhark, bestand aus 24 Zeichen. Es wurde nach den ersten sechs Runen benannt: Fehu, Uruz, Thurisaz, Ansuz, Raidho und Kenaz. Die Runen dienten aber nicht nur als Schriftzeichen, sondern hatten auch eine magische und rituelle Bedeutung. Sie wurden in Stein, Holz und Metall geritzt und oft für Inschriften auf Waffen, Schmuck und Grabsteinen verwendet.
Mythologie: Die Herkunft der Runen
Die Ursprünge der Runen sind von Mythen und Legenden umwoben, die tiefe Einblicke in ihre mystische Bedeutung für unsere Ahnen bieten. Eine bekannte Erzählung besagt, dass die Nornen, die Schicksalsgöttinnen der nordischen Mythologie, das Schicksal der Menschen gar nicht unbedingt weben, sondern Runen in den Weltenbaum ritzen oder sogenannte Losstäbchen werfen, die sich dann auf dem Boden liegend zu Runen formen und die Nornen auf diese Weise unser Schicksal besiegeln. Eine andere Legende erzählt von Odin, dem Göttervater, der neun Tage lang am Weltenbaum Yggdrasil hing, durchbohrt mit seinem eigenen Speer, um die Geheimnisse der Runen zu erlangen. Während dieser Zeit verzehrte er weder Speise noch Trank und erfuhr schließlich die Macht und Bedeutung der Runen.
Die Symbolik der Runen
Jede Rune hat eine eigene Bedeutung und Energie. Zum Beispiel steht die Rune Fehu unter anderem für Wohlstand und Besitz, während Uruz Stärke und Gesundheit symbolisiert. Die Runen wurden oft in Divination und Magie verwendet, um Einblicke in die Zukunft zu gewinnen oder Schutz und Segen zu bieten. Durch das Ziehen von Runen konnten die Menschen Antworten auf ihre Fragen finden und sich mit den Kräften des Universums verbinden.
Die Magie - Ein Tor zur Weisheit der Ahnen
Die Verwendung von Runen in der Magie basiert auf dem Glauben, dass jedes Zeichen eine bestimmte Schwingung oder Energie besitzt. Diese Energie kann durch Rituale und Meditationen kanalisiert werden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Runen wurden oft in Amulette eingraviert, um Schutz zu bieten, oder in Ritualen verwendet, um Wünsche zu manifestieren. Es wird gesagt, dass die Runen die Fähigkeit haben, das Bewusstsein zu erweitern und eine tiefere Verbindung zur Natur und den Göttern herzustellen.
Besonders bedeutsam ist die Weisheit unserer Ahnen, die in den Runen verkörpert ist. Die Runen tragen das Wissen und die Erfahrungen vergangener Generationen in sich. Diese Weisheit kann uns helfen, die Herausforderungen des modernen Lebens zu meistern, indem wir aus den Lektionen der Vergangenheit lernen. Indem wir uns mit den Runen beschäftigen, ehren wir die Traditionen unserer Vorfahren und verbinden uns mit ihrer spirituellen Kraft und ihrem Wissen.
Ein eigenes Runenset herstellen
Ein wichtiger Aspekt der Arbeit mit Runen ist die Möglichkeit, ein eigenes Runenset herzustellen. Dies kann ein tief persönlicher und spiritueller Prozess sein, der eine Verbindung zu den Runen stärkt und ihre Energien in deinen Alltag bringt.
Materialien wählen: Entscheide dich, ob du dein Runenset aus Holz, Stein oder einem anderen natürlichen Material herstellen möchtest. Holz ist traditionell und leicht zu bearbeiten, während Steine eine dauerhafte und robuste Option bieten.
Runen schnitzen oder malen: Nutze ein scharfes Messer oder ein Schnitzwerkzeug, um die Runen in das Holz oder den Stein zu ritzen. Wenn du Malen bevorzugst, kannst du die Symbole auch mit Farbe auftragen. Achte darauf, jede Rune sorgfältig und bewusst zu gestalten.
Weihe dein Runenset: Nach der Herstellung solltest du dein Runenset weihen. Dies kann durch ein Ritual geschehen, bei dem du die Runen reinigst und sie mit deiner Energie auflädst. Nutze dazu Elemente wie Wasser, Rauch (z.B. von Salbei oder Weihrauch) und Kerzenlicht, um die Runen zu segnen und ihre Kraft zu aktivieren.
Persönliche Verbindung: Trage dein Runenset bei dir, meditiere mit den Runen und nutze sie regelmäßig in deinen spirituellen Praktiken. Je mehr du dich mit deinen selbstgemachten Runen beschäftigst, desto stärker wird deine Verbindung zu ihnen und ihrer Energie.
Tägliche Runenmeditation
Ein einfacher und effektiver Weg, die Energie der Runen in dein tägliches Leben zu integrieren, ist die tägliche Runenmeditation. Hier ist ein einfacher Leitfaden, wie du dies tun kannst:
Wähle eine Rune: Beginne deinen Tag, indem du eine Rune aus deinem Runenset ziehst. Konzentriere dich dabei auf deine Absicht oder Frage für den Tag.
Meditation: Halte die gezogene Rune in deiner Hand und setze dich in eine bequeme Position. Schließe die Augen und atme tief durch. Visualisiere die Rune und ihre Bedeutung. Lasse die Energie der Rune in dich einfließen und spüre ihre Schwingungen.
Reflexion: Denke darüber nach, wie die Bedeutung der Rune auf dein aktuelles Leben zutrifft. Welche Botschaft hat sie für dich? Wie kannst du die Energie der Rune nutzen, um deinen Tag positiver und produktiver zu gestalten?
Notiere deine Gedanken: Schreibe in einem Tagebuch deine Gedanken und Erfahrungen mit der Rune auf. Dies hilft dir, Muster zu erkennen und ein tieferes Verständnis für die Runen zu entwickeln.
Diese tägliche Praxis kann dir helfen, eine tiefere Verbindung zu den Runen und ihrer Weisheit zu entwickeln und sie als kraftvolles Werkzeug für deine persönliche und spirituelle Entwicklung zu nutzen.
Die Runologie
Obwohl die Runen aus einer alten Kultur stammen, haben sie auch heute noch eine tiefe Botschaft für uns, die uns bei der Innenschau unterstützen können. Ein weiterer faszinierender Ansatz dafür ist die Runologie, die uns in die tiefen Geheimnisse der nordischen Mythologie entführt. In dieser zauberreichen Welt werden unsere drei persönlichen Runen berechnet, die ähnlich einem Horoskop wie ein Spiegel unseres inneren Wesens wirken: die Sternenrune, die Sonnenrune und die Mondrune.
Die Sternenrune (Ahnenrune) verbindet uns mit den Weisheiten und Erfahrungen unserer Vorfahren. Sie symbolisiert das Erbe, das über Generationen hinweg weitergegeben wurde und unsere Wurzeln tief in die Vergangenheit gräbt. Diese Rune offenbart die Einflüsse derer, die vor uns kamen, und lehrt uns, aus ihrer Weisheit zu lernen und zu schöpfen.
Die Sonnenrune strahlt immer gegenwärtig und leuchtend über unserem Dasein. Sie repräsentiert das Hier und Jetzt, die Energie des Augenblicks und die Kraft, die uns tagtäglich antreibt. Ähnlich der Sonne, die alles erstrahlen lässt, gibt uns die Sonnenrune die Möglichkeit, unser eigenes Wesen zu erkennen und zu verstehen.
Die Mondrune hingegen trägt die Kräfte unseres Potenzials und Schicksals. Sie spiegelt das verborgene Selbst wider, das sich im Laufe des Lebens entfaltet - sowohl mit seinen Licht- wie auch mit seinen Schattenanteilen. Wie der Mond, der seine Phasen durchläuft, enthüllt die Mondrune die verschiedenen Facetten unserer Persönlichkeit und weist den Weg zu unserer Entfaltung.
Aus diesen drei Runen formt sich dann eine ganz persönliche und individuelle Binderune. Sie ist so einzigartig wie dein Wesen und soll dich auf deinem Weg stärken, begleiten und schützen. Die Runologie eröffnet uns dabei einen faszinierenden Weg, uns mit diesen uralten Symbolen und ihrer tiefen Bedeutung zu verbinden und die verborgenen Schätze unseres Selbst zu entdecken.
Die eigene Verbindung
Die Magie und Kraft der Runen liegen in ihrer tiefen Symbolik und ihrer Verbindung zur nordischen Mythologie. Sie sind mehr als nur Zeichen - sie sind Schlüssel zu einem tieferen Verständnis unserer selbst und der Welt um uns herum. Ob als Mittel zur Divination, als magisches Werkzeug oder als Inspiration für spirituelle Praktiken, die Runen bieten einen reichen Schatz an Weisheit und Energie, der auch in unserer modernen Zeit von unschätzbarem Wert ist und sie laden jeden von uns ein, eine ganz eigene Verbindung zu ihnen und damit auch zu unseren Ahnen zu finden.
Katharina Wewior: Breathwork, Runologie & Schamanische Begleitung. Infos unter www.braunbaerin.de
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Heilpflanze: Bockshornklee – viel mehr als ein leckeres Gewürz! ... von Barbara Simonsohn
Der Geschmack von Bockshornkleesamen ist einzigartig. Erst schmeckt er etwas bitter mit einem leichten Aroma von bitteren Mandeln, weil die Samen sehr gesunde Bitterstoffe enthalten. Sie haben heilkräftige Wirkungen und daher einen festen Platz sowohl in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) als auch in der indischen Ayurveda-Lehre, beide Jahrtausende alt, und sind auch in unserer Volksmedizin ein wichtiger Bestandteil.
Geschichte des Bockshornklees als Heil- und Nahrungsmittel
Bereits am Nil und im Mittelmeerraum angebaut, gelangte Bockshornklee über die altgriechische und römische Medizin auch zu uns, wo er um 800 im Lorscher Arzneibuch Erwähnung findet. Hildegard von Bingen lobte die Pflanze vor allem zur Steigerung der Abwehrkräfte und verordnete die Samen bei Hauterkrankungen, zur Stärkung des Immunsystems und bei Milzschwäche. Der Bockshornklee gehört zu den Pflanzen, deren Anbau Karl der Große im "Capitulare de villis" um 795 in ganz Europa anordnete.
In der Volksmedizin wurde vor allem der Samen traditionell gegen Haarausfall, bei Diabetes mellitus, bei Menstruationsbeschwerden, bei Hautproblemen und gegen Geschwüre eingesetzt, als Hustenmittel und zum Schutz der Leber. In Indien dient er seit alters her zur Appetitanregung, gegen Blähungen, als Stärkungsmittel und Aphrodisiakum, und in der TCM zur Reinigung der Atemwege, Stärkung der Leber und gegen Krebs. Sebastian Kneipp lobte die Pflanze als Heilmittel "zum Auflösen von Geschwülsten und Geschwüren". Durch ihn wurde die Verwendung des Bockshornklees in der Volksheilkunde neu belebt. Traditionell wurden bei uns Bockshornkleesamen zur Erleichterung der Geburt als Wehen-Mittel verwendet, und um die Milchbildung zu fördern, aber auch als Aphrodisiakum, Herzmittel, zur Verdauungsförderung, um Fieber zu senken, als Stärkungsmittel, zur Förderung des Wohlbefindens und bei Nagelbett- und Schleimbeutelentzündungen. Alle diese Indikationen sind mittlerweile durch wissenschaftliche Studien bestätigt.
Man findet den Bockshornklee bei uns wildwachsend häufig im Hafenbereich der Städte. Sein lateinischer Name ist foenum graecum. Weitere deutsche Namen sind Filgrazie, Schöne Margreth, Siebenzeiten, Lungschwundkraut, Methika und Philosophenklee. Tatsächlich sehen die Blätter kleeartig aus, gehören aber zur Familie der Hülsenfrüchte, und zur Unterfamilie der Schmetterlingsblütler. Der Bockshornklee wächst einjährig als krautige Pflanze dreißig bis achtzig Zentimeter hoch und bildet eine lange Pfahlwurzel mit faserigen Seitenwurzeln aus. Die Stängel sind aufrecht, rund und verzweigt. Die kleeartigen Laubblätter sind in Blattstiel und geteilte Blattspreite gegliedert. Die eiförmigen Blättchen sind 1,5 bis 4 cm lang mit einer Breite von 0,4 bis 1,5 cm. Die Ränder des Blättchens sind von der Hälfte an bis zu den Enden gesägt. Die Pflanze liebt lehmigen Boden, braucht viel Sonnenlicht, toleriert aber Trockenheit und Bodenversalzung. Die gesamte Pflanze riecht intensiv, den die meisten als wohlriechend würzig empfinden. Die Blütezeit reicht von April bis Juli. Die schmalen, hornförmigen Hülsenfrüchte sind 7 bis 12 cm lang und bis zu einem halben Zentimeter breit und gaben der Pflanze ihren Namen. Die 10 bis 20 ockergelben Samen sind hart, länglich-eiförmig und von einer zähen Haut umgeben und etwa 4 mm lang. Beim Zerreiben verströmen die Samen einen intensiven Geruch, der entfernt an Nelken oder bittere Mandeln erinnert.
Die Inhaltsstoffe
Mit 44 bis 65% ist der Samen sehr kohlenhydrathaltig. 21-31 % davon sind Ballaststoffe. An Proteinen enthält der Bockshornkleesamen 20-30 %, an Fetten 6-10%, Wasser 4-10 %, Mineralstoffe 3-5 % und Saponine oder Seifenstoffe 0,9-3 %. Zu den Kohlenhydraten gehören die Schleimstoffe, die mit 20-45 % Masseanteilen einen beträchtlichen Teil der Bockshornkleesamen ausmachen. Wenn Sie Hülsenfrüchte kochen, können Sie Schaumentwicklung beobachten. Zu den Schleimstoffen in Bockshornklee gehören vor allem Galactomannane wie Galactose und Mannose. Bockshornkleesamen sind mit 20-30% der Gesamtmasse sehr proteinreich. Das Aminosäuren-Spektrum ist hochwertig und ausgewogen mit sämtlichen essentiellen Aminosäuren wie Isoleucin, Leucin, Phenylalanin, Threonin, Valin und Lysen. Auch schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin und Cystein sind im Samen zu finden. Eine ganz besondere Aminosäure ist 4-Hydroxyisoleucin, die bisher ausschließlich im Bockshornkleesamen nachgewiesen wurde und 80 % der freien Aminosäuren ausmacht. 100 Gramm enthalten 34 mg Eisen, 191 mg Magnesium, 1,23 mg Mangan und einen hohen Gehalt an Niacin oder Vitamin B3 mit 346,6 mg.
Niacin und seine gesundheitliche Bedeutung
Niacin hat eine wichtige Rolle inne beim Citratzyklus, die Fettsäuresynthese und der Glykolyse. Niacin trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems und der Psyche sowie zu einem normalen Energiestoffwechsel bei. Außerdem sorgt es für die Erhaltung einer normalen Haut und Schleimhäuten und verringert Müdigkeit und Ermüdung. Beim Menschen kann ein Niacinmangel zu Appetitverlust, Gewichtsabnahme und in der Wachstumsphase zu einem Wachstumsstillstand führen. Ist der Niacinmangel stärker, kommt es zum Krankheitsbild der Pellagra, das sich in Form von Demenz, Durchfall und Dermatitis äußert.
Saponine und ihre gesundheitliche Bedeutung
Saponine sind Glycoside von Triterpenen, welche zu den bioaktiven Substanzen zählen, die gesundheitsfördernd sind, aber nicht als Nährstoffe zum Aufbau von Körpersubstanz dienen. Durch Schütteln mit Wasser ergeben sie einen seifenartigen Schaum. In Bockshornklee finden sich eine Vielzahl von Saponinen und ihrer Derivate Sapogenine wie Yamogenin, Gitagenin, Tigogenin, und darunter vor allem Diosgenin mit einem Gesamtanteil von 0,4 bis 0,6 %. Saponine verbessern die Membrandurchlässigkeit, binden Cholesterin und wirken darüber hinaus cholesterinsenkend, antibiotisch, krebshemmend, antiviral, pilzhemmend, immunstärkend und haben einen bitteren Geschmack.
Weitere sekundäre Pflanzenstoffe
Bockshornkleesamen enthalten 0,4 % Trogonnelin, ein Derivat der Nicotinsäure, das im Körper ein Ausgangsstoff zur Synthese von Nikotinsäure oder Niacin darstellt. In den Samen findet sich auch das Phytosterin Beta-Sitosterin. Beta-Sitosterin wirkt krebsvorbeugend, cholesterinsenkend, immunstärkend, antidiabetisch, entzündungshemmend und sogar angstlösend. Außerdem finden sich in den Samen eine Vielzahl an Flavonoiden wie Rutin, Quercetin, Apigenin, Luteolin, Saponaretin, Vitexin und Vitexinglykoside. Flavonoide wirken im Körper krebshemmend, sie verhindern, dass sich Blutplättchen verklumpen und die Adern verstopfen und wirken sich doppelt als Herzinfarkt-Schutz aus, indem sie das Blut dünnflüssig halten und äußerst erfolgreich freie Radikale ausschalten, die zur Arteriosklerose oder Arterieninnenwandverschlackung beitragen.
Wie wirken Bockshornkleesamen auf unsere Gesundheit?
Heute liegen die Schwerpunkte der Anwendung bei der Verbesserung der Männergesundheit durch die Erhöhung des Testosteronspiegels, der Regulierung des Blutzuckerspiegels und damit der Diabetes-Prophylaxe, der Förderung des Milchflusses bei Stillenden und bei Wechseljahrsbeschwerden.
Blutzuckersenkende Wirkung als Antibiotikum
Bockshornkleesamen senken den Blutzuckerspiegel nach Mahlzeiten, erniedrigen den Nüchtern-Blutzuckerspiegel, und verbessern die Glukosetoleranz. Entscheidend für diese Effekte sind die Ballaststoffe, wobei die Galactomannane eine herausragende Rolle spielen. Sie quellen im Magen-Darm-Trakt auf und sorgen dafür, dass Kohlenhydrate langsamer absorbiert werden. Die glykämische Last der Nahrung sinkt, und der Blutzuckerspiegel steigt nach einer Mahlzeit nur langsam an. Auch die Bockshornklee-Aminosäure 4-Hydroxisoleucin senkt den Blutzucker. Sie stimuliert die Insulinsekretion und löst in den Leber- und Fettzellen insulin-ähnliche Effekte aus. In den Muskelzellen wird die Glukoseaufnahme erhöht, was ebenfalls dazu führt, dass der Blutzuckerspiegel sinkt. Bockshornkleesamen stellten sich als effektiver als Metformin dar, ein übliches Diabetes-Mittel.
Kräftigung und Leistungssteigerung
Seit Jahrtausenden ist bekannt, dass Bockshornkleesamen die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erhöhen. Eine Studie von Dr. med. Vincent Nowak, Allgemeinmediziner, zeigte, dass die Aufnahme von aktiviertem Bockshornklee von 0,5-1 g pro Tag über sechs Wochen den Hämoglobingehalt im Blut, die Aufnahmekapazität von Sauerstoff und damit den Sauerstoffpartialdruck steigerte. Dieser Effekt ist die Voraussetzung für maximales Leistungsvermögen, optimale Abwehrkraft und laufende Zellerneuerung.
Ausgleich des Hormonspiegels bei Mann und Frau
Das Saponin Diosgenin in Bockshornkleesamen gleicht den Mangel des Gelbkörperhormons Progesteron am Anfang der Menopause - in der Prämenopause - aus, so dass es zu keiner relativen Östrogendominanz mit Symptomen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Fetteinlagerungen kommt. In der Peri- und Postmenopause wird das rapide Sinken des Östrogenspiegels durch die Phytoöstrogene in Bockshornklee abgefangen und damit Symptome wie Hitzewallungen, Libidoverlust, Haarausfall, Osteoporose und Stimmungsschwankungen verringert.
Bei Männern kann eine Östrogendominanz aufgrund eines zu starken Abfalls des männlichen Hormons Testosteron zu Schlafstörungen, Muskelabbau, Ängsten, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen, Libidoverlust, Erektionsstörungen, mangelhafter Spermienqualität, Gewichtszunahme vor allem am Bauch und Osteoporose führen. Die Terpene Diogenin und Yamogenin in Bockshornklee sind wichtige Vorläuferstoffe zur Bildung der Steroidhormone wie Testosteron. Zahlreiche Studien zeigen, dass Bockshornkleesamen eine hormonregulierende Wirkung bei Männern haben, indem sie den Testosterongehalt im Blut - Gesamttestosteronspiegel und freies Testosteron im Blut - signifikant erhöhen und damit die Lebensqualität, Libido, Muskelkraft, Potenz, Stimmungslage, Knochendichte und Schlafqualität wesentlich verbesserten.
Herzschutz
Klinische Studien zeigen, dass die Aufnahme von Bockshornklee den Gesamt-Cholesterinwert und die Triglycerid-Konzentrationen im Plasma sowie den Spiegel des "schlechten" LDL-und VLDL-Cholesterins sinken ließ, während der Spiegel des "guten" HDL-Cholesterins stieg. Die Cholesterinsynthese war vermindert, und gleichzeitig wurde die Gallensäureproduktion gesteigert, und damit auch die Ausscheidung von Cholesterin.
Haarwuchsförderung
Schon in der Antike, und auch im Mittelalter, wurden Bockshornkleesamen bei Haarausfall eingesetzt. Niacin ist ein Haarwuchsfaktor. Die Sauerstoffversorgung der Haarfollikel steigt, wodurch sich ihre Nährstoffversorgung optimiert, was die Follikel besser wachsen lässt. In einer Anwendungsstudie nahmen 27 Probanden zwischen 39 und 70 Jahren über drei Monate lang zu den Mahlzeiten 3 mal 3 Kapseln aktivierten Bockshornklee ein. Das Ergebnis war ein gesteigertes Haarwachstum, kräftigere Haarstrukturen und ein Rückgang des Haarausfalls.
Stärkung des Immunsystems
Antikörper, Immunglobuline A oder IgA genannt, haben die Aufgabe, die Erreger an sich zu binden, sie dadurch zu verklumpen - Agglutination genannt - und sie anschließend auszuscheiden. Dr. med. Vincent Nowak, Allgemeinmediziner, untersuchte die IgA-Konzentration bei Menschen, die drei Kapseln aktivierten Bockshornklee pro Tag und Person - entspricht 0,6 g Samen - über 6 Wochen bekamen. Die IgA-Konzentration stieg signifikant um 22 Prozent (V. Nowack 2000, "Wirkung von Bockshornklee (orale Einnahme) auf das Immunsystem, Anwendungsbeobachtung", unveröffentlicht, die Anwendungsstudie liegt mir vor).
Bockshornkleesamen sind ein wahrer Tausendsassa, was gesundheitliche Wirkungen betrifft. Sie fördern dank Niacin und 4-Hydroxyisoleucin gute Laune und wirken stimmungsaufhellend, tragen zu einem erholsamen Schlaf bei, füllen den Antioxidantien-Vorrat somit auf für eine geis-tige und körperliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit. Als Hormonpflanze hilft Bockshornklee Männern als Ausgleich beim Abfall des Testosteronspiegels und Frauen beim Rückgang der Östrogenproduktion in der Menopause zur Wiedergewinnung ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens. Der Blutzuckerspiegel profitiert, das Immunsystem wird gestärkt, der Fett- und Cholesterinspiegel optimiert und Arteriosklerose ausgebremst. Mit dieser kleinen unscheinbaren Pflanze können Sie sich auch prophylaktisch ein Schutzschild aufbauen gegen die gesundheitlichen Herausforderungen in bewegten Zeiten.
Barbara Simonsohn (geb. 1954) ist Ernährungsberaterin und Reiki-Lehrerin. Seit 1982 gibt sie Seminare im In- und Ausland, vor allem über das authentische Reiki mit sieben Graden, aber auch in Azidose-Therapie und -Massagen nach Dr. Renate Collier sowie in Yoga. Darüber hinaus befasst sie sich intensiv mit dem Thema „Gesunde Ernährung“. Seit 1995 hat Barbara Simonsohn zahlreiche Ratgeber im Bereich der ganzheitlichen Gesundheit veröffentlicht. Ihre Webseite: www.barbara-simonsohn.de
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